Weihnachten im Krankenhaus
Eine Herberge auf Zeit
Den Heiligen Abend möchten die meisten Menschen im Kreis ihrer Liebsten feiern und nicht im Krankenhaus. Ein Besuch auf der psychiatrischen Aktutstation der Christian-Doppler-Klinik zeigt: Genau dieser Ort ist auch Heimat und eine Herberge, in der sich Menschen zu Weihnachten beschützt wissen.
Das Fest naht. Die am Empfang und im Aufenthaltsraum drapierten Gestecke aus Tannengrün und roter Deko lassen keinen Zweifel. Doch kann im Krankenhaus tatsächlich Weihnachtsstimmung aufkommen? Maria Winkler bejaht das mit einem Lächeln. „Es ist schon eine besondere Zeit. Klar spüren wir das. Manche unserer Patientinnen und Patienten möchten natürlich gerne heim, andere dagegen sind froh, dass sie da sein können. Sie wissen: Hier müssen sie keine großen Erwartungen erfüllen, sich nicht zusammenreißen. Sie können sein wie sie sind. Bei uns haben sie eine Herberge auf Zeit“, formuliert es die diplomierte psychiatrische Krankenpflegerin, die mehr als 40 Jahre Berufserfahrung mitbringt.
Gesehen und erlebt hat sie schon alles. Mit Krisen – nicht nur zu Pandemiezeiten – ist sie erprobt. Sie erzählt vom geschmückten Christbaum, der schon mal zu Fall gegangen ist oder der Feuerwehr, die sie nach dem Räuchern vor der Tür hatten. Fest steht: der 24. Dezember und die Festtage sind wie alle Tage im Jahr nicht vorhersehbar. Eine Akutaufnahme könne das geplante Beisammensein mit Keksen und Tee beim geschmückten Baum schnell durchkreuzen.
Bei uns ist niemand eine Nummer
In der psychiatrischen Station der Christian-Doppler-Klinik stehen 20 Betten für Frauen und Männer bereit, bei denen eine akute Fremd- oder Selbstgefährdung besteht. „Die Türen sind geschlossen. Das ist ein Eingriff in die Menschenrechte“, beschönigt die leitende Stationsschwester Monika Überriegler nichts. Sie verweist deshalb auf die strengen Regeln. Ein Facharzt der Psychiatrie müsse die Unterbringung feststellen. Danach erfolge die verpflichtende Meldung ans Gericht, nach vier Tagen eine Überprüfung. „Menschen kommen nach einem Suizidversuch, bei einer akuten Phase der Schizophrenie oder mit einer schweren Depression“, schildert Überriegler die unterschiedlichen Krankengeschichten und fügt etwas ganz Wichtiges hinzu: Psychische Erkrankungen sind gut behandelbar.
„Einige der Menschen sind nur kurz hier, andere regelmäßig.“ Als zweites Zuhause habe einmal jemand die Station bezeichnet, sagt Winkler. Sie beschreibt die gute Atmosphäre. „Bei uns ist niemand eine Nummer. Wir kennen unsere Patientinnen und Patienten, haben ein Gesicht zu ihnen.“ Vielleicht, so merkt sie an, sind wir da in einer Sondersituation. „Ich denke mir immer wieder, eigentlich habe ich den schönsten Arbeitsplatz“. Nach wie vor passiere es, dass sie bei Leuten ungläubige Blicke auslöse, wenn sie erwähnt, wo sie arbeitet. Das Stigma um psychische Erkrankungen und die „Geschlossene“ sei in der Gesellschaft zwar kleiner geworden, überwunden ist es nicht.
Reden, zuhören und beten
Maria Winkler erinnert sich an das Begräbnis einer Patientin, die sie im Laufe der Jahre gut kennen lernte. „Mir ist damals der Gedanke gekommen: Wir sind eigentlich die Angehörigen, die Familie gewesen.“ Einsamkeit und das Nicht-Verstanden-Sein seien drängende Themen. In Georg Leitner haben die Frauen und Männer einen Zuhörer, der „nichts verlangt“. Der Priester ist seit fünf Jahren auf der Station. Er ist da, wenn sich jemand mit einem Seelsorger aussprechen möchte. „Anfangs hatte ich Bedenken, weil mir die Erfahrung mit psychisch Kranken fehlte. Jetzt sage ich: Ich bin genau richtig. Die teils sehr intensiven Begegnungen, die auch den Glauben betreffen, haben mich positiv überrascht.“ Natürlich gebe es angespannte Situationen, doch die Stimmung sei sehr wertschätzend.
Krankenhausseelsorge ist sehr geschätzt
„Es ist schön, wenn wir als Seelsorger willkommen sind“, sagt Peter Ebner, der ebenfalls an der Christian-Doppler-Klinik im Dienst ist. Er berichtet von sehr tiefen Gesprächen im Advent. „Erinnerungen kommen hoch – gute genauso wie schwierige und traurige. Menschen erleben es sehr unterschiedlich.“ Die Pandemie wirke teilweise wie ein Verstärker. „Suchtkranke haben mir erzählt wie die Isoliertheit dazu geführt hat, dass sie noch mehr konsumieren.“
Reden tut gut, Zuhören ebenso. Maria Winkler schätzt das einfühlsame Wirken der Krankenhausseelsorge sehr. Sie selbst feiert Weihnachten daheim bei ihrer Familie. Doch schon am Stefanietag ist sie wieder auf der Station. „Ich mache generell viele Sonntagsdienste. Es gibt keine Therapien und ich kann mich dann mehr mit den Leuten beschäftigen. Das mag ich.“
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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