Wanderapostel
Eine echte Mutprobe
An fremde Türen klopfen. Mit Unbekannten reden. Einfach so. Dieser Herausforderung stellten sich Seelsorger im Tiroler Unterland. Mit Eiszapfen an der Nase und dem hl. Paulus im Kopf.
von Michaela Hessenberger
St. Johann/Tirol. Was ist zu tun, wenn Unbekannte im Schneetreiben an die Tür klopfen und einfach nur freundlich nachfragen, wie es geht? In Tirol antworteten die meisten Menschen gleich – nämlich mit Neugier und herzlicher Gastfreundschaft. Denn die Fremden stellten sich als Wanderapostel vor, die – ebenso wie einst der Apostel Paulus – den Schritt auf die Menschen zu gemacht haben, um mit ihnen zu sprechen. Diesmal nicht vorranging von Jesus oder dem Glauben, aber im weiteren Gesprächsverlauf schon auch.
Mit dieser Aktion spürten die Seelsorger kürzlich der Frage nach, wie Glaubensverkündigung und Seelsorge von Tür zu Tür überhaupt funktionieren. Und welche Reaktionen folgen, wenn man sich ausreichend Zeit zum Hören und Reden nimmt. Eine dieser Wandernden war Dagmar Hauser. Als sie im vergangenen Jahr in den Pfarrgemeinderat von St. Johann in Tirol gewählt wurde, hatte sie noch keine Ahnung davon, wie aufregend dieses Amt werden würde.
Wagnis für alle
Sinnvoll und erfreulich ja – aber aufregend? Dieses Gefühl löste Pfarrer Erwin Neumayer aus, als er auf seine Pfarrgemeinderätin zukam und ihr von dem neuesten Projekt des Teams der Missionarischen Pastoral im Seelsorgeamt der Erzdiözese berichtete. „Als Kirche an Menschen heranzutreten ist ein Wagnis, und zwar für beide Seiten. Die Wertschätzung und Dankbarkeit, die uns entgegengekommen ist, hat mich begeistert“, berichtet Hauser.
Ja, manche Menschen, die die Tür öffnen, brauchten einen zweiten Blick, um sicherzugehen, dass nicht etwa die Zeugen Jehovas anklopfen. Doch sobald klar war, wer draußen stand, folgten gute Gespräche und auch Einladungen, aus dem Kalten ins warme Haus zu kommen, auf einen Kaffee, eine Jause oder ein Schnapserl. „Ich war zwei Tage als Wanderapostelin unterwegs und könnte das ein ganzes Jahr machen“, zeigt sich Hauser von ihrer Aufgabe angetan. Nicht nur die älteren Leute seien freundlich gewesen, auch die Jüngeren schienen sehr interessiert. „Und überrascht, weil die Kirche direkt zu ihnen kommt.“
Genau darauf zielt die Arbeit des „missionarischen Teams“ übrigens ab; Menschen sollen mit dem Projekt der Wanderapostel die Erfahrung machen, dass Kirche aktiv ist und auf sie zugeht, das Gespräch sucht und draußen greifbar ist. Genau da, wo tagtäglich Begegnung passiert.
Türen fliegen auf
Was Dagmar Hauser aus ihren beiden Tagen unterwegs nun mit in ihre Arbeit im Pfarrgemeinderat nimmt? „Dass die Türen nur so auffliegen, wenn die Kirche nach draußen geht. Zuhören und reden sind das Um und Auf. Und wir müssen so etwas für unsere Seniorinnen und Senioren in St. Johann machen!“, lautet ihr Fazit. Immer wieder beobachte sie, wie isoliert so mache und mancher gerade nach der herausfordernden Pandemie-Zeit geblieben sind. „Einsamkeit ist ein reales Problem!“
Offene Herzen für das Wanderapostel-Projekt gab es übrigens nicht nur von den besuchten Menschen, sondern auch von Hausers Arbeitgeber. Eigentlich wollte sie sich die beiden Tage freinehmen. Doch ihr Chef sagte ihr, sie könne ihr Ehrenamt ausüben, ohne sich dafür Urlaub zu nehmen. Ihre Arbeit bei den Menschen sei ebenso wichtig wie die eines Feuerwehrlers, lautete seine Überlegung.
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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