Caritas Ägypten
„Die Kinder sind verunsichert“

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Die Coronakrise zeigte, das eigene Zuhause als sicherer Ort ist von unschätzbarem Wert. Aber nicht alle Menschen haben ein eigenes Daheim. Wie geht es da Straßenkindern? Aida Emad koordiniert die Straßenkinderprojekte der Caritas im ägyptischen Alexandria. Mit dem Rupertusblatt spricht sie über die prekäre Lage ihrer Schützlinge und über Hoffnungen.

RB: Wie stark ist Ägypten betroffen? Was passiert zur Eindämmung der Coronapandemie?

Aida Emad: Die Zahl der Infizierten hat stark zugenommen, täglich kommen 800 bis 950 neue Fälle dazu. Insgesamt gibt es rund 20.000 (Stand Ende Mai) Erkrankte. Die Regierung verhängte eine Ausgangssperre, die von 17 bis 6 Uhr gilt. Geschäfte sind nur eingeschränkt offen, Flughäfen, Schulen und Universitäten sind zu, genauso wie Museen und archäologische Stätten einschließlich der berühmten Pyramiden von Gizeh. Die Ferienorte Hur-ghada und Sharm el Sheikh sind gesperrt. Die Verantwortlichen haben auch angeordnet, Kirchen und Moscheen zu schließen. Dem gegenüber steht das geringe Bewusstsein der Menschen, die beim Einhalten von Schutzmaßnahmen nicht sehr diszipliniert sind.

RB: In vielen Ländern verschärft Covid-19 die Situation der Armen – auch in Ägypten?

Aida Emad: Definitiv. Vor allem Tagelöhner trifft es hart. Es gibt keine Jobs. Diese Menschen wissen nicht, wie es weitergeht, ihnen fehlt ein regelmäßiges Einkommen, mit dem sie über die Runden kommen.

RB: In der Coronakrise galt und gilt: Zuhause bleiben! Was heißt das für Straßenkinder?

Aida Emad: Obdachlose stehen vor einer großen Herausforderung: Es ist für sie durch die Ausgangssperre fast unmöglich weiter auf der Straße zu leben. Die Regierung ist dabei, sie aufzugreifen und in verschiedenste Unterkünfte zu bringen. Betroffen sind natürlich auch die Kinder. Manche sind gezwungen, zu ihren Familien (von denen sie einst weggelaufen sind) zurückzukehren.

RB: Verstehen die Kinder die Situation? Wissen sie wie sie sich schützen können?

Aida Emad: Sie sind verstört und sprechen häufig über die Krankheit. Den Ernst der Lage und die Schwere der Pandemie können sie trotzdem kaum einschätzen. Sie hören immer, wie wichtig es ist, sich an die Vorsichtsmaßnahmen zu halten und auf Hygiene zu achten. Sie sind das nicht gewöhnt, sie haben nicht immer Zugang zu sauberem Wasser zum Händewaschen – das alles setzt sie unter Druck.

RB: Straßenkinder sind ja darauf angewiesen, sich Geld oder Mahlzeiten zu „erbetteln“ – ist das jetzt noch möglich?

Aida Emad: Es ist gerade sehr schwierig, auf der Straße etwas zu verdienen oder zu verkaufen. Die Leute vermeiden den Kontakt, sie halten sich von jedem fern, der irgendwie „obdachlos“ aussieht. Sie haben ganz einfach Angst, sich mit dem Virus anzustecken.

RB: Ist das Tageszentrum geöffnet und ist der Streetwork-Bus noch unterwegs?

Aida Emad: Das Caritas-Zentrum nimmt immer noch Kinder auf. Wir haben die Aktivitäten aber sehr zurückgefahren. Nach wie vor ist unser mobiles Team im Einsatz – morgens, an vier Tagen in der Woche. Wir versorgen die Kinder mit Essen und zeigen ihnen wie sie sich schützen können. Wir versorgen sie mit Seife, Desinfektionsmitteln und Masken.

RB: Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit mit den Straßenkindern und für die Kinder selbst?

Aida Emad: Wir möchten wieder ohne Einschränkungen arbeiten. Unser Ziel ist es, den Kindern ein sicheres Umfeld zu schaffen. Das kann auf zwei Wegen erfolgen: durch die Re-Integration in ihre Familien oder eben die Aufnahme in unseren Einrichtungen. Entscheidend ist, dass sie die Chance bekommen, sich zu entwickeln. Das betrifft alle Aspekte ihres Lebens: ihre Ausbildung genauso wie ihre Gesundheit. Ein Wunsch für die Zukunft ist es, in unserem Zentrum eine Familienberatung mit psychologischer Unterstützung einzurichten. Wir möchten den Straßenkindern helfen, aber auch den Kindern, die in Gefahr sind „abzurutschen“ genauso wie ihren Eltern.

Ingrid Burgstaller

Hintergrund

Die Caritas Alexandria betreut Straßenkinder mit Streetwork und einer mobilen Krankenstation. Dazu kommt ein Tageszentrum, das eine Notschlafstelle, medizinische und psychologische Betreuung sowie Bildungs- und Beschäftigungsangebote unter einem Dach vereint. Dabei kann sich die Caritas Alexandria auf ihre langjährige Partnerin, die Caritas Salzburg, verlassen. Gerade in schwierigen Zeiten, wie jetzt in der Coronakrise, ist dieses Band der Solidarität wichtig.

Mit einer Spende helfen Sie den Straßenkindern: IBAN: AT 11 3500 0000 0004 1533; BIC: RVSAAT2S

Foto1: Hände waschen und desinfizieren schützen vor dem Coronavirus – diese lebenswichtige Lektion lernen die Straßenkinder nicht von ihren Eltern, sondern bei der Caritas. Fotos: RB/Caritas

Foto2: Straßenkinder haben es immer schwer. „Corona verschärft ihre Lage noch“, sagt Aida Emad, Mitarbeiterin der Caritas Alexandria in Ägypten.

Fotos: RB/Caritas

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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