Mit Kindern über Krieg reden
Maikäfer flieg, Vater ist im Krieg
Kindgerecht? Kriegsbilder im Fernsehen, Gespräche unter Erwachsenen, Sorgen der Eltern – all das bekommen Kinder mit. Katja Schweitzer, Kinderpsychologin der Telefonseelsorge, erklärt, wie Erwachsene mit Kindern darüber sprechen können.
von David Pernkopf
Rupertusblatt:Kinder und Krieg. Was passiert mit den Kleinsten, wenn sie davon hören?
Katja Schweitzer: Kinder sind in ihrem Alltag oft mit Streit und Kämpfen konfrontiert, allerdings erleben sie die Erwachsenen dabei in der Regel als diejenigen, die den Streit schlichten und – im Idealfall – eine gewaltfreie Konfliktlösung vorleben. Erwachsene können Kindern ganz ehrlich erklären, dass auch die Großen Fehler machen und es deshalb so wichtig ist, immer wieder zu üben, wie man Konflikte und Frus–trationen bewältigen kann, ohne Grenzen zu verletzen und andere anzugreifen.
RB: Wie damit umgehen, wenn Kinder beängstigende Bilder gesehen haben? Sollen sie überhaupt Nachrichten schauen?
Schweitzer: In dem Moment, in dem Kinder selbstständig Zugang zum Internet haben, werden sie unweigerlich auch mit Nachrichten und Bildern aus dem Netz konfrontiert, die sich mit Krieg und Gewalt auseinander setzen. Zudem hören Kinder oft aufmerksam zu, wenn Erwachsene das Thema untereinander besprechen. Im Idealfall informieren sich Kinder über Plattformen, die Nachrichten kindgerecht vermitteln. Empfehlenswert ist, wenn Eltern auch hier im Anschluss als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Generell ist es wichtig, dass Eltern ihre eigene emotionale Resonanz ausdrücken und dann Anteil am Erleben ihres Kindes nehmen, indem sie beispielsweise äußern: „Wenn ich solche Nachrichten höre, dann spüre ich einen unangenehmen Druck im Bauch. Wie ist das bei dir?“ So merken die Kinder, dass es normal ist, wenn ihnen schlimme Nachrichten nahegehen und bleiben nicht allein mit ihren Gefühlen.
RB: Der Umgang mit sozialen Medien in Krisenzeiten. Was hilft hier, um die Jüngsten vor zuviel Konsum zu bewahren?
Schweitzer: Aktiver sozialer Austausch innerhalb der Familie ist gerade in Krisenzeiten wichtig. Deshalb gilt es darauf zu achten, dass nicht jeder für sich „über seinem Kästchen brütet“, sondern darüber gesprochen wird, was Nachrichten und Bilder auslösen. Es ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, Kinder und Jugendliche darüber zu informieren, dass der Konsum von Nachrichten dosiert werden muss, damit er sich nicht schädlich auf das psychische Wohlbefinden auswirkt.
RB: Wie sprechen Mütter und Väter am besten über Krieg und Leid?
Schweitzer: Krieg und Leid sind Teil der Welt, in der wir leben. Die Auseinandersetzung damit ist wichtig. Auch Kinder können erkennen, welches Leid aus Krieg entsteht und wie wichtig es daher ist, Konflikte auf anderen Wegen zu lösen. In diesem Sinne sind wir auch nicht hilflos, sondern können in unserem Alltag jeden Tag dazu beitragen, dass es auch weniger Leid gibt. Kinder tendieren dazu sich für Geschehnisse, die sie überfordern, verantwortlich zu fühlen. Deshalb kann es wichtig sein klarzustellen: Die Verantwortung für Krieg liegt immer bei den Erwachsenen und es ist unfair, dass die Kinder darunter leiden müssen. Es hilft Kindern auch zu hören, dass die Erwachsenen eine Lösung finden müssen und dass man ihnen das sowohl zumuten als auch zutrauen darf.
RB: Sollen Eltern das Thema von sich aus ansprechen? Und wenn ja, ab welchem Alter?
Schweitzer: Bei Kindern unter zehn Jahren geht es in erster Linie darum, Ängste und Sorgen aufzugreifen und Sicherheit zu vermitteln. Wenn Kinder nachfragen, sollte man sie möglichst sachlich und kindgerecht informieren. Dabei kann man auf entsprechende Medienplattformen, die kindgerechte Nachrichten anbieten, zurückgreifen. Auch diese sollte man sich nach Möglichkeit gemeinsam mit dem Kind anschauen, um es gut begleiten und bei Bedarf auffangen zu können. Bei älteren Kindern und Jugendlichen empfiehlt es sich offen Gesprächsbereitschaft zu signalisieren und nachzufragen, welche Gedanken und Gefühle das Thema bei den Kindern/Jugendlichen auslöst. Es geht nicht nur darum, inwieweit die jungen Menschen informiert sind, sondern auch darum, was diese Informationen mit ihnen machen, damit Platz für Leichtigkeit bleibt.
RB: Die eigenen Ängste und Ratlosigkeit. Wie weit sollen Kinder davon mitkriegen?
Schweitzer: Prinzipiell bringt es nichts, sich zu verstellen, weil Kinder feine Antennen dafür haben zu spüren, wenn die Eltern sich nicht authentisch verhalten. Es ist also in Ordnung, wenn Eltern ihre Betroffenheit äußern, dabei ist es jedoch wichtig, nicht in Panik oder Fatalismus zu verfallen, sondern zu vermitteln, dass man als Erwachsener besorgt sein kann, ohne dabei den Glauben an die Menschheit und eine friedliche Zukunft zu verlieren. Sicherheit ist etwas, das nicht nur im Außen existiert, sondern auch ein Gefühl, das man in sich nähren kann. Diese Fähigkeit kann man an Kinder weitergeben, wenn man ihnen zeigt, dass es auch in Krisenzeiten wichtig ist, an alltäglichen Routinen und Strukturen festzuhalten und es sich erlauben darf, schöne Dinge zu erleben und angenehme Gefühle zu verspüren.
RB: Worauf ist bei Jugendlichen zu achten?
Schweitzer: Jugendliche sollten nicht mit pauschalen Floskeln zur Beruhigung abgespeist werden. Sie sind mit einer Vielzahl von Informationen aus unterschiedlichen Kanälen konfrontiert und brauchen möglicherweise Unterstützung dabei, die Flut an Informationen zu verarbeiten bzw. sich soweit davon zu distanzieren, dass es nicht überfordernd für sie wird.
Erwachsene können ihren eigenen Umgang mit belastenden Informationen thematisieren und nachfragen, wie es den Jugendlichen damit geht, so dass im Idealfall gemeinsam Strategien gefunden werden können, die es den jungen Menschen ermöglichen, informiert und empathisch am aktuellen Weltgeschehen teilhaben zu können, ohne dabei in Gefühle der Ohnmacht abzurutschen.
Dies gelingt am besten, wenn die Jugendlichen sich als selbstwirksam erleben – auch in ihrer Fähigkeit, vertrauenswürdige Informationskanäle auszuwählen und die Zeit, in denen sie sich mit Krieg und Leid konfrontieren, bewusst zu begrenzen, damit noch Platz für die Leichtigkeit bleibt, aus der sich ihre Hoffnung auf die Zukunft speist.
Zur Person
Katja Schweitzer ist Psychologin, Notfallpsychologin, Kinderbeistand und Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich der Traumatherapie vor allem mit Kindern und Jugendlichen. Neben ihrer Praxis koordiniert Schweitzer die „kids-line“ (0800 234 123) der Telefonseelsorge der Erzdiözese Salzburg, berät und hat ein Ohr für die Anliegen und Sorgen der Kinder. Infos: www.kids-line.at
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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