Familie
Flüchtlingskinder in Familien und Schulen
„Mein Name ist Polina. Ich bin 16 Jahre alt.“ Mit Sätzen wie diesen beginnt naturgemäß das Erlernen einer bislang völlig fremden Sprache. Für ukrainische Flüchtlingskinder in den Salzburger Schulen wird der Deutsch-Unterricht gerade zum Alltag. Bei den Herz-Jesu-Missionaren lehrt eine selbst vor dem Krieg geflüchtete Pädagogin.
von Thomas Manhart
Fast vier Millionen Menschen sind laut UN vor dem Ukraine-Krieg auf der Flucht, davon mehr als die Hälfte Kinder und Jugendliche. Deren Zahl steigt auch in Österreich täglich, doch ebenso wächst die Hilfsbereitschaft. In Salzburger Bildungseinrichtungen werden bereits mehr als hundert Flüchtlingskinder unterrichtet. Katholische Privatschulen wie die Herz-Jesu-Missionare, die Ursulinen oder das Lungauer MultiAugustinum tun alles, um die Jugendlichen bestmöglich zu unterstützen.
„Alle sind sehr betroffen, die Bereitschaft zu helfen ist groß. Mehrere Eltern haben Flüchtlingskinder privat in ihre Familien aufgenommen. Mittlerweile können wir an den Nachmittagen auch schon Deutsch-Unterricht anbieten“, beschreibt Herz-Jesu-Direktor Peter Porenta die Situation. Geleitet werden diese Deutsch-Stunden von Olha Zholina, einer Lehrerin, die mit ihrer Mutter ebenfalls aus der Ukraine fliehen konnte – und als offizielles Mitglied des Herz-Jesu-Lehrapparats angestellt werden durfte. „Da hat die Bildungsdirektion wirklich unglaublich schnell, kompetent und großzügig reagiert“, freut sich Direktor Porenta.
Die perfekt Deutsch sprechende Olha Zholina ist – wenn man dies in Kriegszeiten so nennen darf – ein Glücksfall. Jeden Vormittag unterrichtet die Pädagogin noch online ihre Schüler in der ukrainischen Heimat, am Nachmittag folgt dann der Deutsch-Unterricht für die Geflüchteten in Salzburg. „Die Kinder konnten die Deutsch-Stunden kaum erwarten. Sie sind neugierig, wissbegierig und sehr motiviert“, erzählt Herz-Jesu-Administrator Franz Feichtl vom Start des wichtigen Zusatzangebots.
Positive Atmosphäre – alle wollen helfen
Polina (16), David (15) und Sonja (11) machten beim ersten Deutsch-Kurs den Anfang, bald werden auch die weiteren ukrainischen Schülerinnen und Schüler folgen. Aktuell sind in der Katholischen Privatschule der Herz-Jesu-Missionare zehn Flüchtlingskinder angemeldet – verteilt von der ersten bis zur sechsten Klasse. „Von einer anderen Klasse wurde ich schon enttäuscht gefragt, warum sie noch kein ukrainisches Kind bekommen haben“, beschreibt Direktor Porenta die durchwegs positive und hilfsbereite Atmosphäre in der Schulgemeinschaft.
„Trauma zeigt sich oft erst nach Wochen“
Interview mit Peter Porenta ist Direktor des Katholischen Privatgymnasiums der Herz-Jesu-Missionare in der Stadt Salzburg.
RB: Sie haben mehrere Flüchtlingskinder aus der Ukraine an Ihrer Schule aufgenommen. Wie funktioniert da die Kommunikation?
Porenta: Die Kinder untereinander sind sehr findig, die haben fast alle eine App auf ihrem Handy, die zwischen Ukrainisch und Deutsch übersetzt. Außerdem haben wir ja schon einige Schüler mit ukrainischen Wurzeln bei uns, etwa die Töchter des ukrainischen Pfarrers Mykytyn.
RB: Und wie werden die Sprachbarrieren im Unterricht überwunden?
Porenta: Die Kinder aus der Ukraine besuchen am Vormittag ganz normal den Unterricht. Dabei ist vielleicht manches pädagogisch fragwürdig, weil sie es noch nicht verstehen, dafür sind sie etwa beim Turnen, Zeichnen, Werken und Musizieren voll integriert. Und am Nachmittag haben sie den zusätzlichen Deutsch-Unterricht.
RB: Welchen Eindruck haben Sie bislang von der Stimmung unter den Flüchtlingskindern?
Porenta: Sie sind motiviert aber natürlich zum Teil auch verschüchtert und vermutlich traumatisiert. Die Erfahrungen aus der Flüchtlingskrise 2015/16 haben gezeigt, dass sich ein Kriegstrauma oft erst nach ein paar Wochen zeigt. Zuerst überwiegen ja die vielen neuen Eindrücke. Wir hatten damals einige Kinder bei uns, die erfolgreich maturiert haben, aber auch einen Schüler, der kurz vor der Matura alles abgebrochen hat, weil das Trauma nach der Flucht trotz aller Hilfen so massiv durchgekommen ist.
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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