Familie
Wo der Friede beginnt

Von Beziehungs- und Familienproblemen über Sinnkrisen bis hin zu verschiedensten Lebensfragen reicht das Spektrum, wenn Menschen in  „Umbruchsituationen“ Eva Heistracher aufsuchen. Die Expertin ist Ehe-, Familien- und Lebensberaterin, Mediatorin und Juristin.   | Foto: RB/tom
  • Von Beziehungs- und Familienproblemen über Sinnkrisen bis hin zu verschiedensten Lebensfragen reicht das Spektrum, wenn Menschen in „Umbruchsituationen“ Eva Heistracher aufsuchen. Die Expertin ist Ehe-, Familien- und Lebensberaterin, Mediatorin und Juristin.
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Eva Heistracher berät seit mehr als zwei Jahrzehnten Menschen mit Konflikten und Problemen im persönlichen oder zwischenmenschlichen Bereich. Als Mitarbeiterin der Partner- und Familienberatung des Seelsorgeamts in der Erzdiözese Salzburg hat sie wertvolle Ratschläge, wie gewaltfreie Kommunikation gelingen kann.

von Thomas Manhart

Rupertusblatt: Mit welchen Sorgen kommen die Menschen zu Ihnen? Was waren typische Themenfelder der letzten Beratungen?
Eva Heistracher: In den Einzelgesprächen ist vor allem die Einsamkeit ein großes Thema, das hat sich während der Pandemie sehr verstärkt. Generell kommen viele Menschen in Umbruchsituationen zu uns: Paare, die nicht mehr miteinander reden können und sich fragen, was sie noch verbindet oder ob sie zusammenbleiben sollen; Menschen, die sich in diesen schwierigen Zeiten beruflich neu aufstellen wollen; Eltern, deren Kinder lange im Home­schooling waren und nun Auffälligkeiten aufweisen oder den Anschluss an die Gleichaltrigen verloren haben. Auch durch die Corona-Pandemie macht sich in vielen Lebensbereichen Überforderung breit.

RB: Neben Einzelgesprächen arbeiten Sie viel mit Paaren und Familien, mit dem Schwerpunkt „gewaltfreie Kommunikation“. Welche Ratschläge kann jeder von uns beherzigen?
Heistracher: Wir verwenden oft eine Sprache, die angefüllt ist mit Bewertungen und Interpretationen. Egal ob negativ oder positiv, sobald ich jemanden tadle, aber sogar wenn ich jemanden lobe, stört das immer ein bisschen die Ebenbürtigkeit und schafft eine Über- und Unterordnung. Ich nehme mir heraus, den anderen zu bewerten oder zu beurteilen und stelle mich dadurch – wenn auch vielleicht nur unbewusst – über diese Person. Gerade in Paarbeziehungen wird dadurch oft eine gereizte Stimmung erzeugt. Deshalb sollte man die eigene Sprache von Bewertungen und der damit verbundenen Grundaggression entrümpeln.

RB: Auch wenn man es eigentlich gut meint?
Heistracher: Das ist ein Punkt, der immer wieder auftaucht. Man denkt, etwas ist gut gemeint, doch das Gegenüber versteht es ganz anders. Wenn wir etwas sagen, haben wir oft gar keine Idee davon, was die Worte beim anderen auslösen, ob er sich dadurch bewertet oder klein gemacht fühlt.

RB: Was kann ich umgekehrt tun, wenn mich das Verhalten meines (Gesprächs)-Partners stört? Wenn ich keine Bestätigung bekomme?
Heistracher: Der amerikanische Therapeut David Schnarch vertritt eine mittlerweile weit verbreitete Ansicht: die Wichtigkeit des eigenen Selbstwertgefühls und die Fähigkeit zur Selbstberuhigung. Ich muss mir selbst einen Wert geben, denn der Partner ist nicht dafür verantwortlich, mich ständig zu bestätigen. Das stärkt auch die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen, wenn man nicht gut drauf ist. Eine Bestätigung ist etwas sehr Feines, aber man kann Zuwendung nicht erzwingen. Auch der Partner darf einmal ärgerlich, erschöpft oder müde sein und entsprechend gleichgültig auf meine Probleme reagieren. Das muss ich aushalten und mich bemühen, in diesen Phasen ohne Bestätigung durch andere Menschen selbst klarzukommen.

RB: Wie sollte man sich im privaten Umfeld im Falle eines Streits verhalten?
Heistracher: Der österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl unterscheidet neun Eskalationsstufen. Streitenden Menschen muss bewusst sein, dass sie sehr schnell in eine höhere Stufe gelangen, aber nur sehr langsam wieder zurück. Dadurch verhärten sich Konflikte, man rüstet bei den Kränkungen wechselseitig auf und es schaukelt sich bis zu einer Stufe hoch, in der Konflikt­lösungsgespräche nichts mehr bringen – wenn Taten statt Worte gesetzt werden, man sich Verbündete gegeneinander sucht oder der andere überhaupt nur noch negativ wahrgenommen wird. In der Mediation arbeiten wir mit dem Bild, dass Beziehungen wie ein klarer Fluss sind und jeder seine Art hat, wie er das Wasser verschmutzt. Ziel ist es, sich bewusst zu machen, wie viel man selbst dazu beiträgt. Dass man nicht selbst nur der Konstruktive, der Gute und der andere nur der Böse, das Monster ist. Dass es nicht okay war, dass ich dort zu sarkastisch war oder da einfach mitten im Gespräch gegangen bin. Sobald die Menschen verstehen, dass beide Seiten Teil der Dynamik sind, ist die Basis für ein friedliches Miteinander gelegt.

RB: Kann uns dieser „Friede im Kleinen“ auch im Bemühen um Frieden für die Welt helfen?
Heistracher: Theoretisch ja, denn die Tools und die Grundeinstellung zum Gegenüber unterscheiden sich kaum. Auch bei Staaten geht es um Selbstbestimmung und die Achtung der Würde des anderen.

Beratungen des Seelsorgeamtes der Erzdiözese Salzburg können von allen
Einzelpersonen, Paaren und Familien (auch online) in Anspruch genommen werden. Infos: www.familienberatung-sbg.at

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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