Alter
Liebe rostet nicht ein

Schmetterlinge im Bauch sind auch im Alter ganz normal und willkommen. Sie geben Lebensenergie und tun gut. Genauso wie gute Freundschaften und herzliche Begegnungen im Alltag.  | Foto: Foto: RB/ Younes Stiller Kraske/shutterstock.com
  • Schmetterlinge im Bauch sind auch im Alter ganz normal und willkommen. Sie geben Lebensenergie und tun gut. Genauso wie gute Freundschaften und herzliche Begegnungen im Alltag.
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Die Sehnsucht nach Nähe, Zuneigung, Geborgenheit, Zärtlichkeit und Intimität, nach Freundschaft, Beziehung und Liebe stirbt im Alter nicht. Sie begleitet uns ein Leben lang, verändert sich aber je nach Lebensphase und Lebensumständen.

„Bei Jugendlichen sind Schmetterlinge im Bauch ganz normal. Auch alte Menschen spüren sie und das dürfen sie auch. Eine Umarmung, ein Händedruck, ein Blick, ein Strahlen können dann besonders intensiv und herzerwärmend sein“, ist Marianna Kronthaler, ehrenamtliche Seelsorgerin im Wohn- und Pflegeheim Ebbs überzeugt. Sie erinnert sich an Paare, die sich im privaten Umfeld oder im Heim nach dem Tod eines Partners begegneten, Berührungen neu entdeckten, Mut für eine neue Partnerschaft hatten und ihre Liebe lebten.„Dieser so besonders achtsame, wertschätzende und liebevolle Umgang zweier alter Menschen ist unbeschreiblich berührend. Ein solches Wiederaufblühen darf nicht peinlich sein. Man nimmt dem oder der Verstorbenen nichts weg. Es tut den Bewohnerinnen und Bewohnern gut und ist schön zu beobachten“, betont sie.

Peter Ebner erlebte im Seniorenwohnhaus Hellbrunn der Stadt Salzburg schon mehrmals Paare, die sich richtig verliebt haben: „Es wird auch im Alter geflirtet, zugelächelt, umarmt und selten gibt es sogar intime Beziehungen. Einmal hätte es fast eine Hochzeit gegeben“, ergänzt der Seelsorger und Theologe.

Vom Kuscheln bis zum Bedrängen

Er spricht bei seinen Besuchen das Bedürfnis nach Nähe oft direkt, aber sehr reflektiert an: „Die Sehnsucht nach Nähe ist da. Eine Umarmung tut jedem und jeder gut. Aber: Sie muss passen und es muss trotzdem Distanz gewahrt werden, weil sie auch missverstanden werden kann“, sagt Peter Ebner, der manchmal selbst eine Umarmung spendet.In Einzelfällen ist die Antwort ein „Das brauche ich nicht (mehr)“ – eine Beziehung zu einer anderen Person. „Aber dieses Bedürfnis nach Nähe ist dennoch bei jedem und jeder da: Manchen reicht das Knuddeln mit einem Stofftier, für andere ist ein Haustier wie ein Hund oder eine Katze ein treuer Partner im Heim. Wieder andere bauen eine Beziehung zu einer Therapiepuppe, die vor allem bei Menschen mit Demenz zum Einsatz kommt, auf“, sagt Ebner. Die Bandbreite von Bedürfnissen und Erfahrungen im Alter ist so groß wie im Leben auch. Sexualisierte Übergriffe gegenüber dem Pflegepersonal sind die Ausnahme: „Selten werden Grenzen überschritten und insbesondere Pflegerinnen bedrängt oder Opfer von sexualisierten Anspielungen. Das Personal ist dafür sensibilisiert und geschult, klare Grenzen zu setzen und konsequent zu sein“, weiß Peter Ebner. Wird Zuneigung besonders vehement eingefordert, kann eine Pflegeeinrichtung in Absprache mit den Angehörigen auch den Rahmen für eine professionelle Dienstleistung schaffen.

Das Herz wird nicht dement

Auch Erkrankungen beeinflussen Beziehungen im Lebenslauf: „In Sachen Liebe kann Demenz auch ein Segen sein, weil Erkrankte das oftmals aussprechen und einfordern, was sie wollen, oder sich das trauen, was sie im Leben nie durften. Zum Beispiel die Berührungen spüren“, merkt Marianna Kronthaler an. „Von Zuneigungen zehren wir alle. Wenn ich bei Szenen voller Wertschätzung und Achtsamkeit dabei sein und dieses Strahlen als Geschenk des Alters erleben darf, freue ich mich mit.“ Ihr ist es ein Anliegen, jedem Menschen in jeder Lebenslage als Persönlichkeit zu begegnen. Als Hospiz-, Sterbe- und Trauerbegleiterin teilt sie immer wieder intime Momente mit Menschen – auch ohne Worte: „Manchmal treffen wir uns im Spiel und lachen gemeinsam oder beten einen Rosenkranz. Manchmal spiegle ich die Emotionen, die ich beim Gegenüber wahrnehme, und am Sterbebett sprechen wir nur mit dem Atmen. So vielfältig sind Beziehungen zu älteren Menschen.“

Freundschaften ins Heim mitnehmen

Freundschaften „ins Heim mitzunehmen“ ist besonders wichtig. Die Corona-Ausnahmezeit ließ die Seelsorgerin die Einsamkeit der älteren Menschen im Wohn- und Pflegeheim, aber auch bei jenen, die noch in den eigenen vier Wänden wohnen, spüren und erleben: „Es fehlte alles: die Angehörigen, die Freunde, Therapien, das gemeinsame Zusammenkommen. Viele hatten Angst, dass sie vergessen wurden. Ich bin froh, dass wir hier langsam wieder Fahrt aufnehmen, obwohl ich mich trotz der strengen Auflagen und der für die Menschen so einschränkenden Situation seelsorglich und pfarrlich sehr engagiert habe“, sagt Marianna Kronthaler. Bisher waren sie selbstverständlich, jetzt scheinen alle Begegnungen noch wertvoller zu sein. „Wir müssen die Beziehungen der Älteren ernst und sie als ganze Menschen mit ihrer jeweiligen Lebensgeschichte wahrnehmen. Egal ob zuhause oder im Heim. Körperpflege und Essen sind wichtig, aber die menschlichen – und intimen – Beziehungen sind genauso wichtig. Es ist ein gegenseitiges Zeit-Schenken, ein Aufeinander-Eingehen, ein glücklicheres Teilen des Alltags. Jede und jeder kann als Pflegender, Sohn oder Enkelin, als Therapeut oder Freundin, ehrenamtlicher Besucher oder im Vorbeigehen einen Beitrag leisten, der sprichwörtlich am Leben erhält“, appelliert Kronthaler.

Daniela Pfennig

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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