Einsamkeit
Das unerkannte Leiden
Einsamkeit kann Menschen jeden Alters und jeder Gesellschaftsgruppe treffen – selbst Paare oder Jugendliche mit hundert Social-Media- „Freunden“. Eine Tagung im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil beleuchtet zahlreiche Facetten der Einsamkeit.
von Thomas Manhart
„Ich fühle mich einsam.“ Es ist einer jener Sätze, die uns im täglichen Gespräch nur ganz selten unterkommen. Ein Tabuthema – wenn auch eines mit hoher Dunkelziffer. Ein deutscher Wissenschaftler und Autor titelte gar „Einsamkeit – die unbekannte Krankheit“. Und das war noch vor den Corona-Lockdowns mit ihrem „Beschleunigungsmechanismus“ in Sachen gefühlter (und echter) Einsamkeit. Eine Fachtagung des Salzburger Bildungszentrums St. Virgil in Kooperation mit der Österreichischen Gesundheitskasse und 20 Partnerinstitutionen will Ende November mehr Bewusstsein für das Thema Einsamkeit schaffen. Lisa Maria Jindra vom Leitungsteam der Tagung bestätigt bereits im Vorfeld ein großes Interesse.
RB: Wie kam es zu dieser Tagung und was erwartet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer?
Lisa Maria Jindra: Das Thema Einsamkeit taucht bei unseren Veranstaltungen immer wieder auf. Deshalb haben wir vor einem Jahr zu dieser Fachtagung eingeladen und die Resonanz bei den Vereinen und Institutionen war so groß, dass wir nun 15 Foren zu ganz unterschiedlichen Themen im Programm haben – vom Leben in Gemeinschaft aus baulicher Sicht bis zur Digitalisierung, von der Kultur über Hilfsdienste bis zum Engagement im ehrenamtlichen Bereich. Wir wollen mit der Tagung die Einsamkeit in all ihren Facetten beleuchten. Wir wollen Impulse setzen, die ganzen Kooperationen aufzeigen, die zum Thema vernetzt sind, und den Austausch fördern.
RB: Welche Formen der Einsamkeit gibt es neben dem klassischen „alleine sein“?
Jindra: Ein Beispiel sind Jugendliche, die zwar mehrere hundert Facebook-„Freunde“ haben, in der Realität aber trotzdem alleine und einsam sind. Und man kann sich auch als Paar in einer Partnerschaft einsam fühlen, also gemeinsam allein sein.
RB: Gab es heuer in St. Virgil nicht schon Veranstaltungen zu diesem Thema?
Jindra: Wir hatten im Mai und Juni schon Tagungen gemeinsam mit der Initiative „GEMeinsam“, die sich nach einer Leserbrief-Veröffentlichung in einer Tageszeitung gebildet hat. Die Vorgeschichte war, dass eine Dame ganz offen von ihrer Einsamkeit geschrieben hat und daraufhin eine Flut von mehreren hundert E-Mail-Zuschriften bekam. Dann haben wir gemeinsam zwei Veranstaltungen konzipiert, mit rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die haben sich dort zusammengesetzt und selbst in Gruppen organisiert – zu Themen wie Kochen, Kultur oder Bergwandern.
RB: War das der Ansporn für die jetzige Tagung?
Jindra: Nein, denn die Fachtagung hatten wir schon zuvor geplant. Aber diese Initiative hat uns noch einmal bestärkt und weitere Facetten der wichtigen Thematik aufgezeigt.
Fachtagung „Einsamkeit“
Die Kraft der sozialen Kontakte
29. November, 16 Uhr, bis 30. November, 15.30 Uhr, St. Virgil Salzburg, Ernst-Grein-Straße 14
Vorträge, Podiumsgespräch und 15 Foren
1. Leben in Gemeinschaft
2. Selbstorganisation/Selbsthilfegruppen
3. Hilfsdienste im ländlichen Bereich
4. Ehrenamtliches Engagement wider die Einsamkeit
5. Einsamkeit und Psyche
6. Digitale Teilhabe = gesellschaftliche Teilhabe
7. Armut und Verletzlichkeit: in Gesellschaft bleiben
8. Kinder und Jugendliche: in Verbindung kommen
9. Seelische Gesundheit
10. Dritte Orte – Orte der Begegnung
11. Kultur
12. Arbeitswelt: (Erwerbs)Arbeit als
Schutz vor der Einsamkeit
13. Demenz und pflegende Angehörige
14. Aktiv gegen Einsamkeit – Bildung und Teilhabe im Alter
15. Ein Leben mit Behinderungen –
Nie allein, aber manchmal isoliert!
Detail-Infos: www.virgil.at/einsamkeit
Anmeldung: anmeldung@virgil.at oder direkt über die Homepage
Autor:Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT |
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