Generationenkonflikte
Alt gegen jung: Muss das sein?

Die Kunst der Kommunikation:  Eltern gehen auf die Nerven, Kinder machen Sorgen. Wie kommen wir als Erwachsene aus diesem Ding raus und können auf Augenhöhe im Gespräch bleiben?  | Foto: Alexander Raths/shutterstock.com
  • Die Kunst der Kommunikation: Eltern gehen auf die Nerven, Kinder machen Sorgen. Wie kommen wir als Erwachsene aus diesem Ding raus und können auf Augenhöhe im Gespräch bleiben?
  • Foto: Alexander Raths/shutterstock.com
  • hochgeladen von Ingrid Burgstaller

Warum fällt es manchen Familien schwer auf Augenhöhe miteinander zu reden? Das Rupertusblatt spricht mit der Psychotherapeutin Michaela Norman über Konflikte zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern. Sie sagt: Unverständnis entsteht, wenn sich zwei „verletzte Kinder“ ihre unbewussten Verletzungen vorhalten.

Rupertusblatt: Generationenkonflikte. Wer oder was verursacht sie?
Michaela Norman: Konflikte gehören zu allen Beziehungen und sind per se weder schlecht noch zu vermeiden. Die Frage ist vielmehr, wie führen wir die nötigen Gespräche in unseren Familien und wie finden wir Lösungen, die der Liebe und Entwicklung dienen? Gehen wir gestärkt durch mehr Nähe und Verständnis füreinander aus den Konflikten, gelingt es uns Raum für Begegnung zu schaffen. Der Spagat zwischen unseren Bedürfnissen nach Geborgenheit, Zugehörigkeit, Verbundenheit, Sicherheit und den Wünschen nach Selbstbejahung, Grenzüberschreitung und Gestaltungsmacht verursacht oft unüberwindbare Barrieren zwischen den Beziehungspartnern.

RB: Warum tun sich erwachsene Kinder oft so schwer mit ihren Eltern?
Norman: Als Kinder übernehmen wir in unseren Familien bestimmte Rollen. Wir entwickeln Glaubenssätze über uns, die anderen und das Leben. In den ersten Lebensjahren werden wir hauptsächlich durch unsere Beziehungserfahrungen mit den Eltern geprägt, später auch durch unser erweitertes soziales Umfeld. Oftmals geraten wir zwischen die Konflikte der Eltern, übernehmen Verantwortung im Familiensys­tem, tragen die emotionale Versorgung für Erwachsene und Geschwister, werden zum Bezugspunkt der elterlichen Wünsche und mehr. All das birgt die Gefahr der Überforderung. Vieles davon bleibt uns unbewusst, beeinflusst aber zum Beispiel unsere Partnerwahl, unsere Möglichkeiten konstruktive, lebendige Beziehungen zu führen oder die Berufswahl. Wir sind Kinder von verletzten Eltern, die Kinder von verletzten Eltern sind, die wiederum Kinder von verletzten Eltern sind. Das kann dazu führen, dass ungelöste Themen von Eltern an die nächste Generation „vererbt“ oder mit diesen in Form von Konflikten ausgetragen werden. Wir ärgern oder kränken uns immer wieder über das Gleiche, platzieren die gleichen Argumente, kommen aber einfach nicht vom Gefühlsempfinden zur Lösungskommunikation, weil uns die tieferliegenden Konflikte nicht bewusst werden.

RB: Der Rat der Therapeutin?
Norman: Meine Einladung an die Elterngeneration ist, sich zu trauen, diesen Anstoß des Ärgers, der Wut und Enttäuschung oder der Trauer, noch mal genauer zu durchleuchten. Das braucht Mut und eine kritische Selbstanalyse: Ist es denn wirklich ausschließlich das, was der Sohn tut, die Schwiegertochter gesagt hat oder der Enkel nicht tut, was mich so maßlos aufregt? Gäbe es denn die Möglichkeit, dass die „Ursache“, die mich so trifft, nicht doch in Verbindung mit einer anderen Zeit in meinem Leben steht, an ganz andere Personen gekoppelt ist? Werde ich in dem, was mich aufregt, an eine alte Wunde erinnert? Dann müssen wir den Blick an diesen wunden Punkt richten und die eigenen Gefühle wahrnehmen und aushalten, die letztlich gar nicht dem anderen, sondern mir selbst gelten.

RB: Was tun, wenn man gar nicht mehr miteinander reden kann?
Norman: Die Lösung liegt in einer offenen Haltung füreinander. Die Beziehungsberaterin Hedy Schleifer hat dafür ein wunderbares Bild geschaffen: Um dem anderen begegnen zu können gehen wir über die Brücke in die Welt des anderen und lassen alles zurück was wir glauben, wie die Welt zu sein hat, und besuchen ihn in seiner Welt. Manchmal brauchen wir dafür eine Begleiterin, jemand der für uns die Gewissheit hochhält, dass es möglich ist Brücken zu bauen und sie auch zu begehen.

David Pernkopf

Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ