Miteinander der Religionen
Hermann Stieglecker Gedächtnistagung
Vom 10. bis zum 12. September finden im Stift St. Florian die Hermann Stieglecker-Gedächtnistage statt. Hermann Stieglecker war ein Vorreiter für den Dialog des Christentums mit dem Islam und anderen Religionen.
kathpress/Friedrich Buchmayr
Heuer findet die „Monotheismustagung“ im Stift St. Florian bereits zum sechsten Mal im Gedenken an Hermann Stieglecker statt. Die seit 2018 jährliche Tagungsreihe will Stieglecker als einen der „Wegbereiter“ des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Erklärung „Nostra Aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den nicht- christlichen Religionen würdigen. Die heurige Tagung steht unter dem Generalthema „Das Mahl mit Lebenden und Toten - ein Kultgeschehen?“ Religionswissenschaftler:innen aus Österreich und Deutschland beleuchten das Thema im Blick auf die verschiedenen Religionen. Auch Aspekte im Hinduismus und Buddhismus sowie in den fernöstlichen Religionen werden laut Ankündigung ausführlich diskutiert. Die Tagung wird vom Forum für Weltreligionen in Kooperation mit dem Institut für Orientalistik der Universität Wien veranstaltet.
Weitere Partner sind die Österreichische Ordenskonferenz und das Außenministerium.
Seiner Zeit voraus
Hermann Stieglecker war Orientalist, Religionswissenschaftler und Weltpriester. Geboren wurde er am 9.3.1885 in Reichraming (Oberösterreich), gestorben ist er am 31.1.1975 in Linz. Er wurde als Kind einer Bauernfamilie im Ennstal geboren. Nach seiner Priesterweihe ließ sich Stieglecker als Seelsorger beurlauben, um Orientalistik zu studieren. Propst Vinzenz Hartl des Stiftes St. Florian erkannte seine Qualifikation und holte ihn als Professor für alttestamentliches Bibel- studium und orientalische Sprachen an die Theologische Hauslehranstalt des Stiftes. Im Aufsatz „Christentum und Islam“ (1932) formulierte Stieglecker, er wolle den Islam nicht aus dem Blickwinkel des christlichen Europäers darstellen, sondern „aufzeigen, was ein Muslim selbst in seinem Glauben sieht und mit welchen Augen er auf Grund seiner Glaubensüberzeugung unser Christentum anschaue“. Nach der Beschlagnahme des Stiftes St. Florian durch die Nationalsozialisten ging Stieglecker 1941 mit den Chorherren ins Exil. 1948 trat er als Pfarrer in den Ruhestand und übersiedelte in die Klausur des Stiftes St. Florian, um dort das Leben eines Klostergelehrten zu führen. Als Frucht seines 30-jähri-gen Quellenstudiums veröffentlichte Stieglecker zwischen 1959 und 1962 sein Lebenswerk, „Das Glaubensleben des Islams“. „Wenn wir den religiösen Muslim verstehen, wenn wir mit ihm so reden wollen, dass er uns als gleichwertigen Partner betrachten kann, daß wir durch keine unserer Äußerungen - ahnungslos - sein religiösen Empfinden verletzen, dann müssen wir vorerst eins lernen: seine Glaubenslehren so zu sehen, wie er sie sieht“. Stiegleckers vorurteilsfreie Vorgehensweise fand viel Lob. Das Werk galt als „Pionierarbeit für den Ökumenismus und die Völkerverständigung“. 1965 emeritierte Stieg- lecker und vertiefte sich als 70-Jähriger in die chinesische Geisteswelt. In seiner engeren Umgebung wurde sein Sprachgenie bestaunt. Neben den europäischen und altklassischen Sprachen kannte er Idiome und Dialekte des Nahen und Fernen Ostens einschließlich der chinesischen Bilderschrift. Man schrieb ihm die Kenntnis von bis zu 70 Sprachen zu. Freunde lobten seine Bescheidenheit, Güte, seine Hilfsbereitschaft und seine tiefe Menschlichkeit. Seine letzte Lektüre im Krankenbett war eine hebräische Bibel und ein chinesisches Wörterbuch. Als Stieglecker kurz vor seinem 90. Lebensjahr starb, wurde er aufgrund der Verbundenheit mit dem Stift St. Florian inmitten der Kapitularen des Stiftes begraben.
Autor:Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag |
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