Anderssprachige Gemeinden der Erzdiözese Wien - Teil 1
Ein wenig Heimat in Wien

Albanische Gemeinde:  Die Familien kommen sonntags zum Gottesdienst zusammen. | Foto: Christopher Erben
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  • Albanische Gemeinde: Die Familien kommen sonntags zum Gottesdienst zusammen.
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Der SONNTAG zeigt in den kommenden Wochen die Buntheit und Vielfalt der sogenannten anderssprachigen Gemeinden in unserer Erzdiözese. Die albanischsprachige katholische Gemeinde in Wien zählt rund 1.500 Mitglieder. Sie ist zwar klein, hält aber zusammen wie keine andere. Besonders das gemeinsame Feiern der Eucharistie macht sie stark. Ein Lokalaugenschein.

Ein Sonntag im Oktober. Kirchenglocken läuten. Immer mehr Menschen strömen in die Kirche Rudolfsheim der Pfarre Hildegard Burjan im 15. Gemeindebezirk in Wien. Bald wird sie bis auf den letzten Platz voll sein. Zwei Jugendliche warten in einer Kirchenbank sitzend geduldig auf den Beginn der heiligen Messe; unterhalten sich abwechselnd auf Albanisch und Wienerisch. Ein scheinbar ganz normaler Sonntagvormittag in ihrem Leben und in dem der Pfarrgemeinde der Albaner in der Erzdiözese Wien – jedoch nicht ganz: Weihbischof Franz Scharl ist heute zu Gast, besucht wieder die albanischsprachige katholische Gemeinde in Wien. Gleich nach Beginn der heiligen Messe begrüßt er alle Mitfeiernden mit einigen Worten in ihrer Muttersprache. „Ich bemühe mich, wenn ich hier bin, immer etwas auf Albanisch zu sagen“, sagt er beim anschließenden Pfarrcafé zum SONNTAG. Diese Sprache könne er zwar nicht, aber Pfarrer Nikson Shabani habe ihm den Text in der Lautschrift vorgelegt, so Scharl. Ein Gemeindemitglied ergänzt begeistert: „Seine Aussprache ist fast akzentfrei.“

Drei Länder – ein Seelsorger

„So viele wie heute waren wir schon lange nicht mehr in der heiligen Messe“, freut sich Niq Krasniqi. Er war früher Mitglied des Pfarrgemeinderats und trug wesentlich zur Entwicklung der Gemeinde bei. Im Jahr 1996 zog er vom Kosovo nach Wien. Diesen Schritt habe er nie bereut. Nicht nur er, sondern auch viele andere Gemeindemitglieder haben nach wie vor Verwandte im Kosovo, in Albanien oder in Mazedonien. Daher seien heute auch weit weniger da als sonst, erzählt der 53-Jährige. „Viele verbringen einige Tage in ihrem jeweiligen Heimatland.“

Der Pfarrer kennt beinahe jede Familie

Allein in Wien und Umgebung zählt die albanischsprachige Gemeinde mit ihren über 400 Familien rund 1.500 Seelen. Sie alle werden von Pfarrer Nikson Shabani, der aus dem Kosovo stammt, seelsorgerisch betreut. Die meisten von ihnen wohnen im 15. und 16. Gemeindebezirk in Wien. Die Wahl auf die Rudolfsheimer Kirche fiel daher aus diesen naheliegenden Überlegungen. Insgesamt sind es sogar weit über 6.000 Gläubige in ganz Österreich, um die sich der Seelsorger annimmt. Weitere Gemeinden befinden sich in Tschechien und der Slowakei. „Ich bin als Pfarrer auch für diese beide Ländern mitverantwortlich“, erzählt er. Persönlich kenne er beinahe jede Familie im großen Pfarrgebiet. „Ich weiß, wo viele meiner Gemeindemitglieder wohnen.“ Seit 2012 ist Nikson Shabani in Österreich und erst der vierte Seelsorger der albanischsprachigen katholischen Gemeinde. Jeden Sonntag um 11.30 Uhr feiert er etwa in Wien-Rudolfsheim mit ihr die Heilige Messe. Die Sprache dabei ist fast ausnahmslos Albanisch. Zum Bersten voll ist das markante Gebäude besonders zu Ostern und Weihnachten, ergänzt der Pfarrer. Über 1.000 Gläubige drängen dann ins Gotteshaus.

Brücke zwischen den Kulturen

Die Jugend ist oft schon in Österreich geboren. Für sie ist das Aufwachsen zwischen zwei Kulturen selbstverständlich. Beide verbinden sie wie eine Brücke miteinander. Ihre Pfarre bedeute ihr sehr viel, erzählt eine Jugendliche, die soeben aus der Kirche kommt und zum Pfarrcafé geht. Das liege vor allem an der gelebten Gemeinschaft, die sie hier vorfinde. Auch gebe ihr der Glaube an Gott viel Hoffnung und Mut. Wien sei für sie Heimat, wo sie auch geboren wurde. Gemeindemitglied Niq Krasniqi dazu: „Unsere Pfarre ist ein Treffpunkt für die Jungen. Hier tauschen sie sich untereinander gerne aus.“ Während der Jugoslawienkriege in den 90er-Jahren kamen viele Kosovaren als Flüchtlinge nach Österreich. Sie trafen hier auf eine Generation, die schon früher ihre Heimat verlassen hatte. Die nächste Generation wurde hier bereits geboren. Nach wie vor wächst die Gemeinde. Etwa 50 neue Familien kommen jedes Jahr hinzu, freut sich Seelsorger Shabani. Auch der junge Nachwuchs bleibt nicht aus: Über 17 Erstkommunionkinder und 40 Firmlinge zählt die albanischsprachige Gemeinde gegenwärtig. Doch ein Priester allein werde all das bald nicht mehr bewältigen können, ist Nikson Shabani überzeugt. Er hofft daher bald auf seelsorgerische Untersützung aus dem Kosovo.

Der Pfarrer ist viel unterwegs

Über 50.000 Kilometer legt Nikson Shabani jedes Jahr mit dem Auto zurück, um seine Schäfchen, die in zehn Städten leben, zu besuchen und mit ihnen Eucharistie zu feiern. Das viele Unterwegs-Sein mache ihm aber nichts aus, strahlt der 43-Jährige. Er begegnet dabei Menschen, die sich mit der Kirche stark verbunden fühlen. Nikson Shabani: „Weihbischof Franz Scharl kennt unsere Gemeinde gut und er ist sehr zufrieden mit uns.“ Heuer durfte er auch zweimal Kardinal Christoph Schönborn in Rudolfsheim begrüßen. „Jeder Besuch von ihm stärkt uns zusätzlich“, betont der Pfarrer.

„Unsere Pfarre schmeckt anders“

Seit jeher ist die Gemeinde nicht nur ein Ort des Gebets, sondern auch des Austauschs und der Begegnung, so Niq Krasniqi. Davon zeugen auch die vielen Veranstaltungen das ganze Jahr über – seien es Konzerte, Lesungen oder Ausstellungen. Allen Altersgruppen werde ein buntes Programm geboten. Im Vorjahr gab es sogar eine Buchpräsentation anlässlich des 25-jährigen Bestehens der albanischsprachigen katholischen Gemeinde, erzählt ein weiteres Gemeindemitglied stolz. „Kosten Sie diese herrliche Pita“, sagt Berisha mit sanfter Stimme und legt ein Stück davon auf einen Teller. „Unsere Pfarre schmeckt anders als die anderen.“ Auch weitere kulinarische Spezialitäten aus dem Kosovo warten darauf, hier verkostet zu werden. Bei Jung und Alt sind sie gleichermaßen beliebt, weiß Berisha. „Auch das ist für uns Heimat.“

Starker Zusammenhalt

Die Nachmittagssonne liegt bereits über Rudolfsheim. Pfarrer Nikson Shabani verabschiedet sich von seinen beim Pfarrcafé verbliebenen Gemeindemitgliedern. „Ich muss nach Amstetten“, entschuldigt er sich bei ihnen für seinen abrupten Aufbruch. „Bereits um 16 Uhr feiere ich mit der Gemeinde dort.“ Alle vier Jahre soll ein albanischsprachiger Pfarrer seine Gemeinde im Ausland wieder verlassen. Doch Nikson Shabani dient schon wesentlich länger in Österreich. Wie lange er aber noch hier bleiben werde, wisse er nicht. Pfarrer Nikson Shabani: „Das entscheidet nicht Wien, sondern die Diözese Prizrenit im Kosovo.“

Autor:

Christopher Erben aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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