Dompfarrer Toni Faber ist 60
„Ich liebe meine Mutter Kirche“

Toni Faber: „Für mich ist der Stephansdom ein Wohnzimmer Gottes, wo ich mich zu Hause fühle.“
 | Foto: Lisa-Maria Trauer
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Toni Faber gehört zu den bekanntesten und prominentesten Priestern Österreichs. Seit einem Vierteljahrhundert trägt er als Dompfarrer von St. Stephan Mitverantwortung für die Domkirche – nicht das einzige Jubiläum. Im SONNTAG-Interview spricht er über seinen 60er, seine Berufung, aber auch zu kritischen und aktuellen Themen nimmt er Stellung.

Herr Dompfarrer, Sie sind 60, wie fühlen Sie sich?
Toni Faber:
Vom persönlichen Eindruck war ich erst gestern 50. Ich jammere nicht über das Alter, sondern schaue auf die erfüllte Zeit, die ich bisher schon am Dom verbracht habe. Es beeindruckt mich tief, dass es schon 25 Jahre sind, seitdem ich hier pastorale Gesamtverantwortung für die Dompfarre und für die Domkirche tragen darf. Da empfinde ich große Dankbarkeit. Und hoffentlich kommt das eine oder andere Jahr noch dazu.

Sie stammen aus dem 23. Bezirk, kommen aus dem Gemeindebau und ihre Kindheit war alles andere als leicht.
Die Kindheit war nicht leicht, aber sie war schön. Aus der Erfahrung heraus, aus einer gescheiterten Familiensituation zu wachsen, um dann in der Pfarre aber eine neue Familie zu finden. Meine Mutter hat sich redlich bemüht und viel dazu beigetragen, dass ich meine Talente auch geschärft habe. Aber das klassische Familienbild war zerbrochen. Wir waren vier Kinder. Ich habe dann meine neue Familie in der Pfarre Rodaun gefunden und dort sehr schnell Verantwortung übernommen. Ich habe begeistert ministriert, war in der Jung–schar, habe in der Pfarrjugend das eine oder andere entdeckt und konnte wirklich einfach schauen, was sind meine Begabungen, was mache ich gern.

Welche Begabungen haben Sie für sich erkannt?
Ich bin gern mit Menschen zusammen, leite sie auch gerne. Ich bin ein Aktivist gewesen, ich organisiere gerne etwas. Das hat dazu beigetragen, dass dann in der gesundheitlich schwierigen Phase mit 17, 18 Jahren die Entscheidung reifen konnte, dass ich hörend war auf den Ruf Gottes, der hinter der Ärztin stand, die mir ein nicht mehr langes Leben prophezeit hat, wenn ich nichts unternehme, dass dann plötzlich ein Ruf zum Leben da war und für meine geistliche Berufung.

Sie sind in sehr jungen Jahren ins Priesterseminar eingetreten?
Ein Semester nach der Matura. Ich wollte mir eigentlich ein Jahr Zeit lassen, um dann auf der Grundlage des Theologie- und Philoso­phiestudiums und des Besichtigens und Kennenlernens des Priesterseminars zu entscheiden, ist das überhaupt ein Weg für mich oder hat das gar keinen Sinn, dass ich dort eintrete und gleich wieder hinausfliege, wenn ich mich mit den maßgeblichen Regeln der Ausbildung nicht identifizieren kann? Nach einem Semester war es für mich klar und ich bin bei Regens Toth vorstellig gewesen, habe gesagt, jetzt ist es so.

Vielleicht etwas ungewöhnlich, wenn man noch jung ist. Da gab es sicher auch andere Lebensentwürfe?
Ja, ich habe mir das vorher überlegt gehabt, ich wollte auf die Militärakademie gehen, wollte Rechtsanwalt werden, Schauspieler oder Tierarzt. Verschiedene Möglichkeiten, aber in dieser Krankheitsphase entdeckte ich den Wert des Geschenks des Lebens für mich. Und dort, wo ich diesen Wert einsetze, für Gott und für die Menschen, für ein gelingendes Leben, schien mir das am besten zu sein.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Kardinal Schönborn, wenn man so lange zusammenarbeitet?
Die große Dankbarkeit überwiegt, dass er mir diese Chance gegeben hat und mich auch gehalten hat. Es war nicht immer selbstverständlich. Ich habe manchmal seine Geduld durchaus auch strapaziert. Ich bin sehr glücklich, dass ich viele Dinge vorschlagen konnte, wo er zugestimmt hat und mir den Rücken freigehalten hat. Große Dinge, großartige Dinge, die er vorgehabt hat, durfte ich unterstützen. In der Missbrauchsthematik damals den Gottesdienst im Dom, hier wirklich eine Vergebungsbitte auszusprechen, die Stadtmission, Kunst am Dom. Wenn ich an Alfred Hrdlicka denke, an Schwester Maria Restituta; das war nicht selbstverständlich, dass er, der sich als Kommunist, Stalinist oder Atheist bezeichnet hat, als Künstler sein letztes Werk für den Dom machte.

Eine Skulptur der 1998 seliggesprochenen Ordensfrau Restituta Kafka wurde in der Barbarakapelle des Stephansdoms im Mai 2009 enthüllt. Das Kunstwerk stammt von Alfred Hrdlicka (1928-2009). | Foto: Markus A. Langer
  • Eine Skulptur der 1998 seliggesprochenen Ordensfrau Restituta Kafka wurde in der Barbarakapelle des Stephansdoms im Mai 2009 enthüllt. Das Kunstwerk stammt von Alfred Hrdlicka (1928-2009).
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Einige sagen, der Herr Dompfarrer würde alle segnen?
Das hat Günter Traxler im „Standard“ geschrieben: „Wer nicht bei eins, zwei, drei sich in die Baumkronen flüchtet, läuft Gefahr, von Toni Faber gesegnet zu werden.“ Es hat mich gefreut und nicht nur belustigt, sondern auch einen tiefen, ganz wichtigen Beweggrund meines Herzens zum Leuchten gebracht. Wir sind berufen, dass wir Segen erlangen, um immer wieder füreinander zum Segen zu werden. Ich glaube nicht, dass im Himmel die Rede davon sein wird bei der Pforte des Petrus, dass ich einmal zu viel gesegnet hätte. Wenn es nur das wäre, wäre ich im grünen Bereich. Mein Beichtpriester kennt andere Dinge, die wesentlich schwerer wiegen, die ich auch schon bereut habe, aber nicht sicher bin, dass ich sie nicht wieder mache.

Am 4. Oktober, dem Gedenktag des heiligen Franz von Assisi und zugleich Welttierschutztag, segnet seit vielen Jahren Dompfarrer Toni Faber Tiere und ihren menschlichen Begleiter vor dem Stephansdom. Und die Zwei- und Vierbeiner kommen in Scharen. | Foto: Markus A. Langer
  • Am 4. Oktober, dem Gedenktag des heiligen Franz von Assisi und zugleich Welttierschutztag, segnet seit vielen Jahren Dompfarrer Toni Faber Tiere und ihren menschlichen Begleiter vor dem Stephansdom. Und die Zwei- und Vierbeiner kommen in Scharen.
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Es gibt viele Themen in der Kirche, die diskutiert werden, die in den vergangenen Monaten immer am Tapet waren, wie die Frauenordination, aber auch der Zölibat. Welche Meinung haben Sie dazu?
Vor 40 Jahren, wie ich zu studieren begonnen habe, habe ich mir gedacht, den Frauendiakonat und das Frauenpriestertum erlebe ich sicherlich in den nächsten 25 Jahren. Ich war überzeugt davon und bin da gelassen in die Zeit hineingeschritten, habe Theologie studiert und mich eingearbeitet. Jetzt dauert es länger. Wenn ich wahrnehme, was deutsche Theologinnen, Ordensfrauen, auch österreichische Frauen, da immer mehr zum Ausdruck bringen: Da ist jetzt ein Druck da, dass Papst Franziskus die Tür für das Frauendiakonat, zumindest die Prüfung dafür, ziemlich aufgemacht hat. Also ich glaube, wir werden es noch erleben. Jetzt werde ich 60. Aber wenn ich es wagen könnte, in meiner beruflichen Laufbahn mit 65, 70, 75 da noch etwas Entscheidendes zu erleben, würde es mich sehr freuen.

Wäre das nicht vielleicht ein bisschen Gedränge in Konkurrenz am Altar?
Nein, wir haben Gott sei Dank genügend Bedarf an guten Priestern und guten Priesterinnen, an guten Diakonen und Diakonissen. Ich glaube, da findet jeder seinen guten Platz, so wie ich mich nicht mit anderen Priestern am Altar drängle, sondern wir uns die Arbeit aufteilen, so würde das auch ganz gut gehen. Ich bin nicht in der Situation zu sagen, solange es kein Frauenpriestertum gibt, würde ich nichts mehr arbeiten, und dann trete ich aus. Ich arbeite in dieser Kirche, weil ich sie als meine Mutter liebe. Wir brauchen einfach Verantwortungsbereiche, wie sie jetzt schon gewachsen sind, wo Frauen mit ihren fantastischen Talenten und Fähigkeiten noch einmal sehr vieles neu einbringen können, was uns Männern oft vorenthalten ist.

Wie geht es Ihnen heute gesundheitlich?
Ich bin gesund. Ich bin sehr, sehr dankbar. Ich habe gerade eine Ferienwoche wieder zum Fasten genützt. Das tut mir gut. Das Gewicht ist nicht das Problem von mir. Ich habe das Maturagewicht, nur anders verteilt, komischerweise mit 60. Aber die Möglichkeiten, etwas für meine Seele und für meinen Körper Gutes zu tun, damit die Seele wirklich Freude darin hat zu leben, das ist es. Das ist ein guter neuer Anlauf in der Fastenzeit und ich freue mich darauf, mir da auch etwas Gutes zu tun, damit ich meine Lebenskräfte frisch halten kann. Ich fühle mich wie 50, wie 40, ich kann so vieles tun, bleibe in Bewegung, versuche die Stiege öfter zu nehmen als den Aufzug und versuche mich in freier Natur aufzuhalten. Dort und da einen Spaziergang zu machen, es ist immer viel zu wenig. Aber das kann ja noch wachsen. Ich bin sehr zufrieden, dank meiner Ärzte, die mich durch verschiedene gesundheitliche Belastungen gut durchgelotst haben.

Wie nehmen Sie den Stephansdom noch wahr?
Ich bin so dankbar, dass ich einmal das Kompliment bekommen habe, anlässlich einer Langen Nacht der Kirchen bei einer Lichtinstallation, wo ein über 80-jähriger Mann zu mir gesagt hat: „Wissen Sie, Herr Pfarrer, ich kenne den Stephansdom schon länger als Sie, aber Sie haben daraus ein Wohnzimmer Gottes gemacht.“ Das hat mich natürlich tief berührt. Und für mich ist es auch so ein Wohnzimmer, wo ich mich zu Hause fühle.

Einer der Lieblingsorte von Toni Faber im Stephansdom ist die Katharinenkapelle, wo er schon mehr als 2.000 Kinder getauft hat: „Für mich ist das hier ein Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren. Denn genau über uns ist die Turmspitze von St. Stephan. Und hier herunter steht das fast 550 Jahre alte wunderschöne Taufbecken.“ | Foto: Lisa-Maria Trauer
  • Einer der Lieblingsorte von Toni Faber im Stephansdom ist die Katharinenkapelle, wo er schon mehr als 2.000 Kinder getauft hat: „Für mich ist das hier ein Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren. Denn genau über uns ist die Turmspitze von St. Stephan. Und hier herunter steht das fast 550 Jahre alte wunderschöne Taufbecken.“
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Wir blicken derzeit mit Sorge in die Ukraine, was können Sie den Gläubigen da auf ihren Weg mitgeben?
Ich bin wie die Meisten einfach tief erschrocken, dass Krieg plötzlich mitten in Europa wieder an der Tagesordnung ist. Und wir haben vor Kurzem mit dem ukrainischen Pfarrer Taras Chagala, dem ich sehr freundschaftlich verbunden bin, mit Mitarbeitern der Botschaft und vielen anderen gläubigen Christen im Dom gebetet. Wir haben Kerzen angezündet. Wir sind tief erschüttert, was da passiert, was einem Nachbarland angetan wird. Ich hoffe, dass die EU hier nicht nur mehr zusammenwächst, sondern auch wirklich Perspektiven ausrollt, um unsere eigene Verteidigung, unsere eigene Sicherheit, um Werte, die uns wichtig sind, noch einmal neu zu unterstreichen. Ich war immer auch ein Freund des österreichischen Bundesheeres, weil ich früher mal auch daran gedacht hatte, selber Offizier zu werden.

In jedem Gottesdienst gibt man untereinander das Friedenszeichen „Friede sei mit dir!“. Das hat jetzt wieder eine neue Bedeutung bekommen.
Absolut, wenn wir nicht selbst Architekten des Friedens werden, dazu gehört auch Gerechtigkeit, immer in Frieden auf dem Boden der Gerechtigkeit. Mir imponieren die ukrainischen Männer sehr, die ihre Kinder, Frauen und Familien in den Westen bringen, dann zurückreisen und sagen: „Wir verteidigen unser Heimatland!“

Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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