Militärbischof zum Ukrainekrieg
Das Vertrauen ist nun zerstört

„Es wird sehr schwierig werden, mit Russland wieder so eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufzubauen“, sagt Militärbischof Werner Freistetter. | Foto: GERT EGGENBERGER/APA/picturedesk.com
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Angesichts des Angriffs Russlands auf die Ukraine sieht Österreichs Militärbischof Werner Freistetter die europäische Friedensordnung vor dem Ende. Nach dem Kalten Krieg sei es gelungen, ein vielfältiges Netz vertrauensvoller Kooperation in politischen, militärischen und menschlichen Fragen der Sicherheit in Europa und darüber hinaus zu knüpfen. Für den Militärbischof ist es unklar, ob es überhaupt möglich sein werde, in Zukunft eine solche Friedensordnung neu aufzubauen.

Bischof Werner Freistetter gilt als langjähriger Beobachter der russischen Außenpolitik in der Region und war um die Jahrtausendwende Mitglied der Vertretung des Heiligen Stuhls bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Im Interview erzählt der österreichische Militärbischof, wie er diese Tage mit einem neuerlichen Krieg in Europa erlebt und welche Aufgaben auf die Militärseelsorge in Krisenzeiten zukommen.

Wie geht es Ihnen persönlich, wenn Sie die Bilder aus der Ukraine sehen?
Ich verfolge die Nachrichten und ich muss sagen, es belastet mich sehr stark. Als freiwilliger Mitarbeiter der Delegation des Heiligen Stuhls bei der OSZE habe ich eine Zeit erlebt, in der sich gerade nach dem Kalten Krieg sehr viel an Vertrauen – politisch und militärisch – zwischen den ehemaligen verfeindeten Militärs aufgebaut hat. In der OSZE hat es viele Vereinbarungen des gegenseitigen Austausches und der Information, der Transparenz gegeben. Das ist im Laufe der Zeit erodiert und ist jetzt ganz weg. Es wird sehr schwierig werden, mit einem Staat Russland wieder so eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufzubauen. Bundespräsident Van der Bellen hat das auch gesagt: Da wird viel mehr zerstört als bloße materielle Werte oder Menschen, die getötet wurden oder verwundet sind. Es ist nun das Vertrauen zerstört.

Was können Sie als österreichischer Militärbischof in der momentanen Situation tun?
Wir können uns ja nicht direkt in den politischen Prozess einschalten. Wir haben natürlich unsere Verbindungen mit den ukrainischen Militärseelsorgern – ob griechisch-katholisch oder römisch-katholisch. Wir werden sehen, was wir jetzt machen können. Ich kann dazu aber noch nichts Konkretes sagen.

Der Militärseelsorger ist selbstverständlich nicht nur für die Angehörigen seiner Konfession da, sondern für alle Soldaten.


Welche Aufgaben hat ein Militärseelsorger im Ernstfall?

In einem Kriegsfall ist der Militärseelsorger natürlich gerufen, bei den Soldaten zu sein. Das heißt aber nicht, dass er direkt in den Kampfhandlungen mitgeht. Das wäre nur in Ausnahmefällen möglich. Traditionell sind Militärseelsorger ganz besonders dort eingesetzt, wo es Verwundete und Sterbende gibt. In Kampfpausen wird man versuchen, Gottesdienste und Andachten mit den Soldaten abzuhalten. In früheren Kriegen gehörte als Aufgabe auch der Begräbnisdienst dazu. Der Militärseelsorger kümmert sich eben um die menschlichen und religiösen Bedürfnisse und Nöte der Soldaten.

Überschneidet sich das nicht ein wenig mit der Psychologie?
Ich würde eher nicht von Psychologie sprechen, sondern der Seelsorger ist einfach ein menschlicher Ansprechpartner. Er hat nicht die Aufgabe eines Heerespsychologen, sondern eine andere. Er ist ein sehr freier und mit viel Vertrauen ausgestatteter Ansprechpartner. Ich habe etwa in unseren friedenserhaltenden Einsätzen erfahren, dass diese menschliche Dimension sehr wichtig ist, weil der Militärseelsorger keine Verpflichtung hat, das, was er erfährt, an den Kommandanten etwa weiterzumelden. Das würde er nur tun, wenn er das für wirklich notwendig erachtet und wenn irgendwie Not am Mann ist.

Werner Freistetter hat in seiner Vergangenheit Erfahrungen als Militärseelsorger bei friedenserhaltenden Einsätzen im Ausland gemacht. Hier besuchte er die österreichischen EUFOR-Truppen in Sarajevo. | Foto: Bundesheer/GROSS ARNOLD
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Mit welchen Themen kommen die Soldaten zum Militärseelsorger?
Der Seelsorger wird mit Fragen nach der Sinnhaftigkeit dieser kriegerischen Auseinandersetzung, mit Fragen des Glaubens, mit Zweifeln und den seelischen Nöten der Soldaten konfrontiert. Viel spielt sich einfach über persönliche Gespräche ab. Wobei wir immer gesagt haben, dass der Militärseelsorger selbstverständlich für alle da ist. Das heißt, er ist nicht nur für die Angehörigen seiner Konfession da, sondern für alle Soldaten. Das hat in unseren friedenserhaltenden Einsätzen eigentlich schon eine sehr gute Tradition. Wenn der Militärseelsorger menschlich zugänglich ist – das hängt natürlich sehr entscheidend von ihm selbst ab – kann er hier sehr viel Gutes bewirken. In einem Kriegsfall findet eine außerordentliche Zuspitzung statt. Wie gesagt, da fehlt mir die Erfahrung. Aber ich kann mir vorstellen, dass die ganzen Umstände für die Militärseelsorger, die Truppen wirklich in kriegerischen Konflikten begleiten, auch persönlich dramatisch sind.

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Werner Freistetter hat in seiner Vergangenheit Erfahrungen als Militärseelsorger bei friedenserhaltenden Einsätzen im Ausland gemacht. Hier besuchte er die österreichischen EUFOR-Truppen in Sarajevo. | Foto: Bundesheer/GROSS ARNOLD
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Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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