Unter 50 %
Österreich hat keine katholische Bevölkerungsmehrheit mehr

Eine unscheinbare Statistik in der Wahl-Ausgabe des profil (39/2024) macht mich stutzig. Dort steht, dass 49,8 % der Bevölkerung katholisch seien. Wie kann das sein? Wenn es in unserem Leben eine Konstante gibt, dann die, dass Österreich ein katholisches Land ist, ein Land mit großer katholischer Mehrheit!
Ich mache mich auf die Suche. Die Statistiken der katholischen Kirche für 2023 wurden Mitte September publiziert. Die Zahlen aus dem Jahr davor sind auch dort. Die Bevölkerungszahl bekommt man bei der Statistik Austria. Und tatsächlich: Ende 2022 hatten wir einen Bevölkerungsanteil von 52,0 %, Ende 2023 betrug dieser 50,6 %. Es ist also plausibel, dass es im Jahr 2024 dazu gekommen ist, dass wir die Bevölkerungsmehrheit verloren haben. Ein Statistiker hat das auch überprüft und ist sich ganz sicher, dass es mittlerweile passiert ist. Die Austritte hätten sich 2024 auf die Hälfte reduzieren müssen, dann hätten wir gerade noch eine hauchdünne Mehrheit für eine kurze Zeit. Wie wahrscheinlich ist das?
Offensichtlich ist diese Tatsache bei den Säkularen weithin bekannt, sogar international. Warum lesen wir das in unseren eigenen Medien nicht? Warum arbeitet die Gegenseite mit richtigen Daten und wir nicht? Wie kann unsere Kirche ohne richtige Information richtige Entscheidungen fällen? Katholisch sein ist Teil der österreichischen Geschichte und Identität! Oder offensichtlich war das einmal so. Das ist, so traurig es auch sein mag, ein historisches Ereignis. Ich würde mir schon erwarten, dass die Bischofskonferenz dazu Stellung nimmt. Gerade auch dann, wenn es nicht stimmen sollte, wenn die Entwicklung aufgehalten werden konnte. Die Kirche hat ja die Zahlen, mit ihnen kann sie solche öffentlichen Behauptungen leicht widerlegen, falls sie nicht wahr sind.
Aber es scheint generell so zu sein, dass die Sorgfalt bei der Publikation der Statistiken nicht sehr groß ist. Ein Beispiel: Auf der Statistik-Seite der Kirche (vom Medienreferat der Bischofskonferenz) finden wir die Angabe: "Demnach gab es mit Stichtag 31. Dezember 2023 genau 4.638.842 Millionen Katholikinnen und Katholiken in Österreich." Das kann doch nicht sein, das wäre mehr als das Fünfhundertfache der Weltbevölkerung! OK, wir wissen, was gemeint ist, aber sich um den Faktor eine Million zu irren, wahrscheinlich während einer Überarbeitung des Textes, das sollte es bei so wichtigen Informationen nicht geben. Mir ist auch ein Rätsel, wie der Rückgang von 2022 auf 2023 auf 1,9 % berechnet wird. Korrekt müssten es 1,99 % sein.
Schade, dass wir gerade im Bereich der Statistiken so einen traurigen Zustand haben, dass wir uns auf publizierte Zahlen nicht verlassen können, und dass Gruppen außerhalb der Kirche über uns besser Bescheid wissen als wir selbst. Ich finde, dass wir das besser machen könnten.

Autor:

Christina Unger aus Niederösterreich | Kirche bunt

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