Zum Beginn des kirchlichen Arbeitsjahres
„Einen Halbtag in einer Wärmestube mitarbeiten“

Kardinal Schönborn: „Sich Menschen öffnen, die wir noch nicht erreichen ...“ | Foto: M. Langer
  • Kardinal Schönborn: „Sich Menschen öffnen, die wir noch nicht erreichen ...“
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Im SONNTAG-Gespräch ermutigt Kardinal Christoph Schönborn die Mitglieder der Pfarrgemeinderäte,
mit offenen Augen und Ohren in den Pfarren bei den Menschen zu sein.

Was wünschen Sie den alten und neuen Mitgliedern der Pfarrgemeinderäte in unserer Erzdiözese?
Kardinal Christoph Schönborn: Vor allem Freude an ihrem Dienst. Ich wünsche ihnen, dass ihre Herzensbeziehung zu Jesus Christus im Mitbauen an seiner Kirche wächst, kräftiger und inniger wird. Und mich beschäftigt in letzter Zeit sehr der Satz aus dem 25. Psalm: „Herr, zeige uns deine Wege.“ Ich wünsche den Menschen, die in unseren Pfarren Verantwortung übernommen haben, dass es ihnen wirklich gelingt, sich vom Herrn die Wege zeigen zu lassen. Es geht nicht um unsere, sondern um seine Wege. Und dass sie das „Uns“ nicht zu eng fassen. Auch der Pfarrgemeinderat muss schauen, dass das „Uns“, das „Wir“, nicht bei ihm selbst Halt macht, sondern die ganze Gemeinde umfasst und möglichst viele auch in Entscheidungen eingebunden sind. Es darf keinen „inneren Kreis“ geben, in dem sich alles Wichtige hinter verschlossenen Türen abspielt.

Worauf hoffen Sie dabei, wenn wir auf die gegenwärtigen Krisen, Ängste und Verunsicherungen schauen?
Die steigende Inflation und die enormen Mehrkosten in einzelnen Lebensbereichen werden für viele Menschen in unseren Pfarren zu einem finanziellen Problem werden. Da braucht der Pfarrgemeinderat einen Blick auf die Veränderungen vor Ort, auf die Armutsgefährdung einzelner Mitglieder der Gemeinde und der Bevölkerung: Da wird es eine Rückenstärkung der Pfarrcaritas durch den Pfarrgemeinderat und finanzielle Unterstützung durch den Vermögensverwaltungsrat brauchen. Ich denke, dass es wohl noch mehr „Wärmestuben“ in den Pfarren geben wird und da habe ich eine konkrete Hoffnung: Dass jedes Mitglied in einem pfarrlichen Gremium die Gelegenheit hat, einen Halbtag in diesem Winter in einer Wärmestube mitzuarbeiten.

Wie bekommt das Christsein im Pfarrgemeinderat mehr Profil, Kanten und Konturen?

„Kirche ist gesandt zu den Wunden der Welt“, ist ein zentraler Satz der Pfarrgemeinderatsordnung. Wenn wir uns ernsthaft auf die Wunden der Menschen einlassen, dann werden unsere Gemeinden Profil gewinnen. In den vergangenen Jahren sind wir mit den Entwicklungsräumen strukturell ein großes Stück vorwärtsgegangen. Aber sind die Entwicklungsräume wirklich eine „Gemeinschaft von Gemeinden“, wie Papst Franziskus eine Pfarre beschreibt, und ein „Missionsraum“, wie ich immer betone? Meine Sehnsucht ist, dass neue oder alte Gemeinden sich ganz entschieden für die Menschen öffnen, die sie heute noch nicht erreichen.

Wie können Pfarrgemeinderätinnen und -räte ihre Mit-Arbeit und Mit-Verantwortung so gestalten, dass die Menschen berührt werden?
Eine Willkommenskultur, eine ansprechende Ästhetik und Musik im Gottesdienst – das alles kann einen Raum eröffnen, der Gottesbegegnung erleichtert. Dass Menschen dann aber auch wirklich berührt werden, ist fast immer das Ergebnis einer menschlichen, persönlichen, zuwendenden Begegnung. Wenn andere erfahren sollen, dass sie Gott wichtig sind, dann müssen wir ihnen zuerst einmal aufrichtig und ganz praktisch zeigen, dass sie uns wichtig sind, jeder und jede einzelne mit ihren Sorgen und Hoffnungen. Dass wir für sie Zeit haben. Das wird weniger im Gottesdienst passieren als davor und danach. Für uns Christen, die wir laut Papst Franziskus alle „missionarische Jünger“ sein sollen, ist das keine bloße Sonntagsaufgabe, sondern Programm für jeden Tag.

Können Frauen und Männer im Pfarrgemein-derat auf die vermeintliche Gleichgültigkeit gegenüber der Botschaft des Glaubens reagieren? Warum ist Gott der Rede wert?
Die Apostelgeschichte beschreibt ja eine sehr ähnliche Erfahrung von Paulus in Athen. Meine Erfahrung ist jedenfalls, dass es so viele Suchende gibt, dass wir uns nicht lang mit dem Jammern über die Gleichgültigen aufhalten sollten. Es braucht in unseren Gemeinden Orte und Gelegenheiten ohne Eintrittsschwellen, wo Suchende mit ihren Fragen gehört werden, wo sie auch mehr über den Glauben erfahren können. Glaubenskurse für Einsteiger wie etwa die Alpha-Kurse haben sich da sehr bewährt. Oder soziale Initiativen in der Pfarre, wo man mitmachen und das Christentum im Dienst am Nächsten kennenlernen kann. Es gibt so viele Möglichkeiten, einladend zu sein und eine Ahnung von dem Schatz zu geben, den wir zu verschenken haben.

Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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