Was steht im Neuen Testament?
Bibel-Lesen: „In kleinen Dosen“

Kein Buch mit sieben Siegeln: Das Neue Testament ist nicht nur für Eingeweihte spannend. | Foto: Markus A. Langer
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  • Kein Buch mit sieben Siegeln: Das Neue Testament ist nicht nur für Eingeweihte spannend.
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Das neue Buch „CRASHKURS Neues Testament“ lädt dazu ein, die Schriften des Neuen
Testaments zu entdecken. Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, erläutert im SONNTAG-Interview, wie man damit beginnen kann, einfach und ohne Scheu die Botschaft sowie das Leben und Wirken Jesu tiefer kennenzulernen.
Schritt für Schritt. Buch für Buch.

Warum ist die Bibel, wie Sie im Vorwort Ihres Buches „CRASHKURS Neues Testament“ schreiben, ein begeisterndes und zugleich schwieriges Buch?
ELISABETH BIRNBAUM: Die Bibel ist begeisternd, weil sie sich auf so vielfältige, profunde Weise mit den wichtigsten Fragen des Lebens befasst und uns zeigt, wie religiöse Menschen damit umgehen. Sie ist begeisternd, weil sie in jede Zeit und zu allen Menschen spricht und ihre Botschaft voll von Hoff nung ist, obwohl sie die schwierigen Seiten des Lebens nie leugnet und ungeschönt benennt.

Sie ist schwierig, weil sie über Jahrhunderte hinweg vor über 2.000 Jahren entstanden ist und man sprachliche, kulturelle und gesellschaftliche Hürden überspringen muss, um das, was sie sagen will, auch gut zu verstehen. Sie muss also immer ausgelegt und in unsere Zeit und sogar in unser Leben übersetzt werden.

Für wen ist dieser „CRASHKURS Neues Testament“ gedacht?
Für alle, die schnell und fundiert die Bücher des Neuen Testaments überblicken möchten. Bibelneulinge können sich kurz über das Wesentliche informieren und Bibelbegeisterte fi nden vielleicht in dieser kompakten Form manches auf den Punkt gebracht, das sie schon länger umtreibt.

Es ist Bibelkunde, aber eher im Sinne eines Trailers: Der CRASHKURS verrät genau so viel, dass man einen guten Eindruck, einen Vorgeschmack auf das jeweilige biblische Buch bekommt. Und er lässt genau so viel off en, dass man noch Lust hat, den Bibeltext selbst zu lesen. Und durch die wunderbare graphische Gestaltung von David Kassl prägt sich so mancher Inhalt hoff entlich noch schneller und besser ein.

Wie sollen wir das Neue Testament lesen lernen? Welche Tipps haben Sie?
Prinzipiell soll man das Neue Testament nicht anders lesen als die alttestamentlichen Texte: Am besten langsam, in kleinen Dosen, beobachtend, fragend, nachdenkend, in Ruhe. Wer viel Zeit mitbringt, kann die in der Bibel angegebenen weiterführenden Parallelstellen jeweils mitlesen. Da erkennt man dann auch gleich, welche anderen Texte aus dem Alten oder Neuen Testament im Hintergrund stehen. Wichtig ist, immer im Bewusstsein zu lesen, dass die Bibel ein altes Buch ist und sie daher einerseits zeitbedingte Aussagen und andererseits immer gültige Aussagen enthält, die beide nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden sind.

Schwierige Briefe wie den Römerbrief empfehle ich, mit Begleitung zu lesen: Schon kurze Kommentare, wie etwa die Einblickbibel sie hat, oder das Stuttgarter Neue Testament können hilfreich sein. Und es gibt auch immer wieder Bibelkurse oder biblische Zeitschriften zur Th eologie des Paulus. Und natürlich hilft auch der „CRASHKURS Neues Testament“ dabei, dass man beim Lesen nicht den roten Faden verliert.

„Als Einstieg würde ich mit dem Markusevangelium beginnen ...“
- Elisabeth Birnbaum

Welches neutestamentliche Buch empfehlen Sie als Einstieg?
Ich würde wohl mit dem Markusevangelium beginnen. Es ist das kürzeste Evangelium und auch das älteste. Von dort kann man sich gut zu Matthäus und Lukas „weiterhanteln“ und einen Eindruck gewinnen, wie jeder der drei Evangelisten andere Aspekte in den Vordergrund stellt. Die Apostelgeschichte ist eigentlich der zweite Teil des Lukasevangeliums und eignet sich daher gut als Fortsetzung. Das Johannesevangelium lässt sich gut mit den Johannesbriefen zusammenlesen. Bei den Briefen würde ich den Römerbrief und den Hebräerbrief erst lesen, wenn ich ein wenig Übung habe.

Haben Sie eine Lieblings-Gestalt im Neuen Testament?
Natürlich sollte ich jetzt Elisabeth sagen! – Aber eigentlich mag ich zu meiner eigenen Überraschung Paulus sehr gerne. Seine Begeisterung für seine Sache, die auch manchmal über das Ziel schießt, seine brillante Rhetorik, die manchmal heftig, aber oft sogar richtig witzig ist, seine dichte und tiefgründige Theologie. Ich mag aber auch seine menschlichen Schwächen: seine Eitelkeit, wie schnell er beleidigt ist, wenn man nicht auf ihn hört, und wie er dann seine Schwäche zu einer Stärke macht wie im 2. Korintherbrief, das ist schon großartig.

„Ich mag zu meiner eigenen Überraschung Paulus sehr gerne ...“ 
- Elisabeth Birnbaum

Was fasziniert Sie am Neuen Testament?
Seine befreiende Botschaft, die aus der engen Verflechtung mit dem Alten Testament schöpft. Es fasziniert mich, wie sehr die Erfahrungen Israels Jesus und die Evangelisten prägen, wie in fast jedem Satz ein ganzes biblisches Universum eröffnet wird. Und wie die alttestamentliche Botschaft durch Jesus aktualisiert und in ihrer Tiefe verständlich wird. Jesus lebt uns quasi vor, wie wir die Schrift, also das Alte Testament verstehen und leben können und mit Gott in Beziehung sein können. Und das völlig undogmatisch und gleichzeitig ganz klar und oft sogar radikal. Und die Briefe zeigen, wie schwierig es war, diese Botschaft dann auf die vielfältigen Situationen in den Gemeinden anzuwenden und wie unterschiedlich die Ansichten dazu waren, wie man am besten der Botschaft Jesu treu bleibt. Das ist ja bei uns auch nicht anders. Wir müssen uns auch immer wieder neu die Frage stellen, wie wir seine Botschaft am besten in unserer Kirche leben.

Nun hat ja Jesus, etwas vereinfacht gesagt, einen aufmerksamen und heilenden Umgang mit Frauen. Was kann unsere Kirche von diesem jesuanischen Umgang mit Frauen lernen?
Die Kirche kann und sollte von Jesus in sehr vielen Bereichen lernen, zum Beispiel, dass für Jesus Menschen wichtiger sind als Hierarchien, Strukturen und Gebräuche. Und dass er einzementierte Machtstrukturen massiv in Frage stellt. Die Kirche müsste sich also fragen, ob sie nicht genau eine von den Institutionen ist, an denen Jesus damals Kritik geübt hätte. Dass das auch die Frauenfrage betrifft, versteht sich von selbst. Es wäre also gut, wenn man nicht versucht, die damalige Gesellschaftsordnung wieder einzusetzen, sondern darauf achtet, wo Jesus damalige Ordnungen hinterfragt hat.

Die Bibel wird schnell mit den evangelischen Christen als Kennzeichen in Verbindung gebracht. Gibt es auch einen katholischen Bildungshunger im Hinblick auf die Heilige Schrift?
Ja, diesen Eindruck habe ich in manchen Kreisen schon sehr stark. Dort, wo Menschen über den eigenen Tellerrand hinaussehen wollen, dort, wo eine gewisse Affinität zum Lesen und zum Lernen besteht, dort ist ein tieferes Wissen über die Bibel sehr gefragt. Die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den Theologischen Kursen oder bei diözesanen Bibelkursen, Bibeltagen und natürlich bei der österreichweiten Bibelpastoralen Studientagung im Sommer geben davon ein beredtes Zeugnis. Wichtig ist, dass man diesen Suchenden auf Augenhöhe begegnet und ihre Fragen ernst nimmt, auch wenn sie nicht in die Kategorie „fromm“ fallen sollten. Gerade daran erkennt man die wirklich Suchenden: Dass sie nicht einfach alles nachsagen, sondern weiterfragen und weiterdenken.

Warum haben manche Katholikinnen und Katholiken gleichsam eine Scheu, die Bibel zur Hand zu nehmen?
Das liegt sicher an der geschichtlichen Entwicklung. Lange Zeit wollte man gar nicht, dass Gläubige selbstständig in der Bibel lesen. Anders als in der evangelischen Kirche war es völlig ausreichend, im Gottesdienst das Wort Gottes zu hören und es sich vom Priester auslegen zu lassen. Ich denke, man hatte Sorge, dass die Gläubigen die Bibel falsch oder unangemessen auslegen könnten. Und in manchen Ländern gilt man bis heute als „Kryptoprotestant“, wenn man eine zu große Begeisterung für die Bibel aufbringt. Solche Vorbehalte haben leider eine sehr lange Halbwertszeit.

Ist die Heilige Schrift den Menschen bekannt und vertraut?
Sie ist es oder sollte es zumindest sein. Ich finde, dass vielerorts die Bibel so etwas wie der Mozart der Pastoral ist. Viele loben die Bibel in den höchsten Tönen, wie es ja auch mit Mozart gemacht wird, viele aber befassen sich nicht ernsthaft damit und haben nur ein sehr oberflächliches Klischeebild davon. Die drei „Jahre der Bibel“, die 2021 zu Ende gegangen sind, haben vielleicht da und dort zu einem Umdenken geführt.

Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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