Wenn wir am Grab stehen...

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Beim Besuch der Gräber zu Allerheiligen und Allerseelen kommen bei vielen Menschen Gefühle der Trauer hoch, die sie im Alltag oft unterdrücken. Wie geht man damit richtig um? Und: Welche Rolle spielt der Glaube bei der Trauerbewältigung?

Wenn wir am Grab von lieben Angehörigen oder Freunden stehen, kommen bei Vielen die Emotionen hoch. Gerade die Zeit um Allerheiligen und Allerseelen ist immer eine Zeit der Trauer und Leidens: „Am Grab spüren wir Trauer, und zwar unabhängig davon, wie lange es her ist, dass die lieben Menschen gestorben sind.

Denn jedes Mal, wenn wir vor einem Grab stehen, wird uns wieder bewusst, dass es diesen Menschen in unserem täglichen Leben nicht mehr gibt“, sagt Schwester Hermi Dangl von den Steyler-Missionarinnen. Sie arbeitet für die „Gesprächsinsel Wien“, einer Einrichtung der Ordensgemeinschaften und der Kategorialen Seelsorge unserer Erzdiözese. Im Zuge ihrer Tätigkeit berät sie mit weiteren 40 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern jährlich tausende Menschen, die Beratung suchen.

Schwester Hermi Dangl
Sr. Hermi Dangl
Leiterin der Gesprächsinsel

Gerade jetzt geht es in diesen Gesprächen oft um Trauerbewältigung: „Menschen trauern auf unterschiedliche Art und Weise. Viele sind hilflos und ziehen sich zurück, andere wollen es nicht wahrhaben, und wieder andere hadern mit dem Schicksal und stellen sich die Frage: ‚Warum gerade mein Mann, meine Frau, mein Kind? Warum muss gerade mir das passieren?‘. Wieder andere entwickeln Ängste und können nicht mehr schlafen. Und dann kommt noch dazu, dass Frauen und Männer oft unterschiedlich trauern: Frauen sind meist emotionaler und lassen die Gefühle raus, während Männer Trauer nach außen hin manchmal nicht zeigen“, weiß Sr. Hermi aus ihren Gesprächen.

Dieser Umstand kann sich letztendlich sehr belastend auf Beziehungen auswirken, erklärt sie weiter: „Einer wirft dann dem Anderen zum Beispiel vor: ‚Warum bist du so gefühlskalt? Ist es dir egal, dass dieser Mensch gestorben ist?‘ Oder umgekehrt sagt der Eine zum Anderen: ‚Jetzt reiß dich doch zusammen und hör mal auf zu weinen‘. Der Grund für diese Aussagen ist aber erfahrungsgemäß nie ein boshafter, sondern das kommt dann vor, wenn zwei Menschen auf einem unterschiedlichen Stand der Trauerbewältigung sind. Oder wenn einer nach außen hin die Trauer weniger stark zulässt als der andere.“

Die Trauerbewältigung beschreibt Sr. Hermi als Prozess, der bei jedem von uns unterschiedlich schnell oder eben langsam abläuft. Einige orientieren sich recht schnell wieder neu und blicken wieder nach vorne, während andere jahrelang trauern.

Wann ist die Trauer überwunden?
Wie weit jemand bei seiner Trauerbewältigung ist, merkt man teilweise nur an Kleinigkeiten, betont Sr. Hermi: „Einige behalten sich zum Beispiel alte Kleiderstücke oder Sachen der Verstorbenen auf und holen diese immer wieder raus, um sie sich anzuschauen. Und dann kann irgendwann der Moment kommen, wo es heißt: ‚So jetzt können wir dieses Kleidungsstück weggeben‘. Dann weiß man, dass derjenige jetzt soweit ist, dass er wieder nach vorne schaut.

Doch bis es soweit ist, benötigt es viel Einfühlungsvermögen im Umgang mit trauernden Menschen.“ Trauernde erzählen oft jahrelang immer wieder von lieben Verstorbenen. Da ist es ganz wichtig, einfach nur zuzuhören: „Und zwar so lange, wie es notwendig ist. Selbst dann, wenn man es quasi schon nicht mehr hören kann“, empfiehlt Sr. Hermi: „Das Schlimmste, was man als Nahestehender in solchen Situationen sagen kann ist: ‚Das wird schon alles wieder‘. Vor allem weil ja auch alle in der Gesellschaft von einem verlangen, dass man bereits nach ein paar Tagen wieder zum Alltag zurückkehrt und wieder funktioniert.“

Gibt die christliche Botschaft Hoffnung?
Trotz der christlichen Botschaft, dass es nach dem Tod weitergeht, ist Trauer auch für die Kirche und für deren Mitarbeiter eine große Herausforderung, wie Sr. Hermi weiß: „Wenn man zum Beispiel versucht, Eltern, deren Kind gerade gestorben ist, zu schnell und unbedacht mit der Auferstehungsbotschaft zu trösten, ist das im Normalfall nicht hilfreich und kann sogar verletzend sein. Erst wenn die größte Trauer vorbei ist, kann es um Neuorientierung gehen. In einem Trauerprozess kann der Glaube starken Halt und Orientierung geben“. Deswegen gilt für Seelsorger die Devise, gut zuzuhören, Trauernde und ihre Gefühle ernst zu nehmen und ihnen im richtigen Moment mit der christlichen Botschaft wieder neue Hoffnung zu geben.

Trauer zulassen
Sr. Hermi möchte alle Trauernden dazu ermutigen, Trauer zuzulassen: „Wenn Trauer in dir hochkommt, lass sie zu. Nur wenn man ihr Raum gibt, kannst du sie bewältigen. Such dir einen Ort, an dem du trauern kannst und eine Person, mit der du reden kannst. Und vertraue darauf, dass es einen Gott gibt, der mit uns auf dem Weg ist – der unser Leid kennt.“

Wohin mit der Trauer?

Pfarrer, Diakone und Seelsorger Ihrer Pfarrgemeinde stehen für persönliche Seelsorge-Gespräche und Beistand bereit.

Die „Gesprächsinsel Wien“ steht von Mo bis Fr von 11-17 Uhr ohne Anmeldung anonym und vertraulich für alle offen. In der Zeit vom 26.10.-2.11. gestaltet die „Gesprächsinsel“ zudem einen Trauer-Raum in der romanischen Kapelle des Schottenstifts in der Wiener Innenstadt. Für diejenigen, die ein Gespräch suchen, steht während der gesamten Zeit täglich von 11.00 bis 18.00 Uhr ein Seelsorger oder eine Seelsorgerin in der Gesprächsinsel gegenüber der Kapelle zur Verfügung. www.gespraechsinsel.at

Die „Kontaktstelle Trauer“ der Caritas der Erzdiözese Wien bietet Beratung und Begleitung für trauernde Erwachsene und Kinder. Außerdem bietet sie Aus- und Weiterbildung für die Begleitung von trauernden Menschen. www.caritas-wien.at

Hilfreiche Infos und Tipps
finden Sie außerdem online: www.erzdioezese-wien.at/trauer

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Sr. Hermi Dangl SSpS gehört zum Leitungsteam der „Gesprächsinsel Wien“. | Foto: Gesprächsinsel Wien
Autor:

Michael Ausserer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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