Gehörlose und Schwerhörige
Für sie „klingt“ der Advent anders schön

Foto: privat

Zum Advent gehören auch Musik, Singen und der Spaziergang über den Weihnachtsmarkt samt Beschallung. Wie erleben Gehörlose und Schwerhörige diese Zeit?

In der deutschen Sprache gebe es nicht viele Laute, die man problemlos von den Lippen ablesen kann, sagt Gehörlosenseelsorgerin Monika Ullmann.

 „Sitzt eine gehörlose Person in der Kirche weiter hinten, wird das Ablesen durch die Entfernung zusätzlich zum Problem.“ Entsprechend gut besucht sind die Gottesdienste in Gebärdensprache, die etwa in Urfahr oder Schwanenstadt am Sonntag (nicht nur im Advent) angeboten werden. Auch ein Gebärdenchor gehört dazu.

Angeregt wurde dies von Hans Marckhgott vor mehr als 30 Jahren. „Es hat mich betroffen gemacht, dass für meine Schüler der Gottesdienst nicht relevant war, weil sie aufgrund ihrer Gehörlosigkeit oder Schwerhörigkeit nichts verstanden haben“, sagt der ehemalige Direktor des Instituts für Hör- und Sehbildung in Linz.

Der erste Gottesdienst in Gebärdensprache fand passenderweise an einem ersten Adventsonntag statt. „Beim Pfarrbüfett nach dem Gottesdienst sitzen viele noch beisammen und freuen sich über den gegenseitigen Austausch. Denn ansonsten sind die meisten in einer hörenden Welt unterwegs“, sagt Monika Ullmann, die auch Religionslehrerin an der Michael-Reitter-Landesschule ist. 

Eigene Identität

Viele Gehörlose treffen sich in Vereinen, die es etwa in Linz, Steyr und Ried, im Mühlviertel und im Salzkammergut gibt. Die Mitglieder organisieren zahlreiche Veranstaltungen, darunter auch Weihnachtsfeiern. Innerhalb der Gehörlosengemeinschaft gebe es einen starken Zusammenhalt, es sind „liebe Leute, die freundlich, hilfsbereit und einfühlsam sind“, sagt Ullmann.

Gehörlose haben eine eigene Kultur und Identität. Sie haben ihre Gebärdensprache und definieren sich über das, was sie können, und nicht über die Probleme, mit denen sie konfrontiert sind.

Nichtsdestotrotz bewegen sie sich in einer hörenden Welt, in der es trotz guter Integration zu Konflikten und Missverständnissen kommen kann. Wenn Hörende sehr schnell und nicht so deutlich sprechen, kann es einer gehörlosen Person schwerfallen, dem Gespräch zu folgen.

„Beim Gespräch mit einer oder einem Gehörlosen oder wenn Gehörlose in der Gruppe sind, muss man sich Zeit nehmen, gutes Licht ist von Vorteil und dass eine klare Sprache mit kurzen Sätzen verwendet wird. Das Lippenlesen wird so erleichtert“, erklärt Monika Ullmann. Nachdem zu Ende gesprochen wurde, sollte kurz abgewartet werden, ob der oder die Gehörlose auch verstanden hat. 

Atmosphäre ist wichtig

Musik ist kein großes Thema für Gehörlose, was vielen gefalle, sei aber etwa, wenn der Gebärdenchor in Urfahr auftritt. Gesungen wird hier mit den Händen, der Mimik und eigentlich dem ganzen Körper. Im Vordergrund stehen Inhalt und Rhythmus der Lieder.

„Wovon die Gehörlosen leben, sind in diesem Fall die weihnachtliche Stimmung, die Lichter und die verschiedenen typischen Düfte. Beim Gang durch den Christkindlmarkt spielt das auch eine Rolle: Die Atmosphäre und alles, was dazugehört, werden aufgenommen“, beschreibt Ullmann.

Zu viele Geräusche

Schwerhörige hingegen seien durch die Beschallung auf Weihnachtsmärkten oder Einkaufszentren eher belastet. Das weiß auch Hans Marckhgott. Er ist Gründer einer Selbsthilfegruppe für Schwerhörige und des Vereins „Von Ohr zu Ohr“. Er selbst ist mittelgradig schwerhörig: „Ein Besuch auf dem Christkindlmarkt ist möglich, aber Unterhaltungen sind schwierig.“ Zwar gebe es Hörgeräte, die Hintergrundgeräusche verringern können, doch funktioniere dies nur bis zu einem gewissen Grad. 

„Schwierig ist es vor allem bei Weihnachtsfeiern in Gasthäusern. Wie es oft ist, gehen die Gespräche rasch hin und her, mehrere Personen reden gleichzeitig und durcheinander. Das macht es für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen schwer, die Gespräche mitzuverfolgen.“

Hans Marckhgott fragt oft nach oder wiederholt, was er verstanden hat. Manchmal kommt dabei etwas heraus, was beim Gegenüber Gelächter auslöst. Das sei manchmal durchaus belastend, sagt der 81-Jährige.

Ins Innere der Seele 

Hören und gehört zu werden ist eine höchst emotionale Sache, sagt Marckhgott. Einer seiner Leitsätze stammt von Plato und lautet: „Durch das Ohr dringen die Töne in das Innere der Seele.“ Bei den vorweihnachtlichen Treffen der Selbsthilfegruppe sei es selbstverständlich gewesen, dass alle im Kreis sitzen, sodass jede Person auf den Mund der jeweils anderen sehen konnte: „Gleichzeitig wurde mit aktivierter Induktionsschleife ins Mikrofon gesprochen. Alle brachten einen Beitrag mit, ein Gedicht oder eine Erzählung und alle konnten es verstehen.“ 

Apropos Induktionsschleife: Gibt es eine solche in der Kirche, kann Hans Marckhgott den Gottesdienst besonders genießen, weil er jedes Wort gut verstehen kann. Es handelt sich dabei um eine einfache Drahtschleife im Kirchenraum, die mit dem Induktionsverstärker in der Sakristei verbunden ist.

Ist sie aktiviert und wird ins Mikrofon gesprochen, bekommt Hans Marckhgott die Stimme des Priesters direkt in seine Hörgeräte, die Induktionsspulen eingebaut haben. Ob es in Kirchen eine induktive Höranlage gibt, ist an einem blauen Schild entweder mit einem weißen Ohr darauf erkennbar, durch das schräg ein weißer Balken verläuft, oder einem Kreis mit Schlingen und dem runden Zeichen für Schwerhörigkeit. Bei beiden Zeichen steht der Buchstabe „T“. Die Pfarrkirche Urfahr und die Christkönigskirche sind etwa damit ausgestattet. 

Hans Marckhgott sitzt nicht nur in der Kirchenbank, er ist auch Mitglied des Kirchenchores. Das Singen erfordert ein hohes Maß an Konzentration, und manchmal ist er „nicht hundertprozentig im Takt, aber es macht mir unglaublich viel Freude“.

Folgendes möchte er anderen Betroffenen mitgeben: „Viele wollen ihre Hörbeeinträchtigung verstecken. Offen dazu zu stehen ist nicht einfach, aber ich habe damit sehr positive Erfahrungen gemacht. Weiß das Gegenüber Bescheid, kann es entsprechend auf mich eingehen und ein gutes Gespräch für beide Seiten wird möglich.“ 

Umgang mit hörgeschwächten Menschen

Nachfolgend einige hilfreiche Tipps und Infos für Betroffene, Angehörige und Gesprächspartner/innen, erstellt von Reinhold Pölsler, Fachreferent für Schwerhörigenseelsorge im Bildungshaus Osttirol:

  • Gehen Sie auf den Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin zu. Je weiter Sie entfernt sind, desto leiser wird die Stimme und desto mehr Nebengeräusche stören das Verstehen.
  • Sprechen Sie langsam und deutlich. Langsames Sprechen erhöht die Chance, das Nicht-Verstandene gegebenenfalls zu erraten. In einer Gruppe sollte möglichst immer nur eine Person sprechen.
  • Wenden Sie Ihrem Gesprächspartner oder Ihrer Gesprächspartnerin das Gesicht zu. Dadurch kann die schwerhörige Person Informationen von den Lippen und der Mimik ablesen.
  • Schreien Sie nicht. Sehr lautes Sprechen oder Schreien verzerrt die Sprache.
  • Formulieren Sie kurze und klare Sätze.
  • Guthörende: Wenn Sie nicht verstanden werden, wiederholen Sie ruhig und geduldig. 
  • Nicht-Guthörende: Wenn Sie etwas nicht verstehen, dann bitten Sie freundlich um Wiederholung.
  • Achten Sie darauf, dass Ihr Gesicht im Licht ist. So können Lippenbewegungen und Mimik besser erkannt werden.
  • Wenn Sie etwas besonders Wichtiges mitteilen wollen, schreiben Sie es auf.
  • Haben Sie Geduld. Alles, was nicht gehört oder verstanden wird, muss durch Denkleistung ergänzt werden. Das braucht Zeit.
  • Bedenken Sie, dass der hörgeschwächte Mensch nicht weiß, was genau er nicht gehört hat. 

Ein Verzeichnis von bekannten Einrichtungen mit Induktionsschleife ist zu finden unter:
www.oesb-dachverband.at/akustische-barrierefreiheit/hoeranlagenverzeichnis

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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