Engagement für Waisenkinder aus der Ukraine
Die Kindheit stellt man sich anders vor
Künftige Kindergarten-Pädagog/innen der Don Bosco Schulen Vöcklabruck bringen Abwechslung in den Alltag der ukrainischen Waisenkinder in St. Georgen/Attergau.
Die 62 Waisenkinder aus der Ostukraine sind glücklich, dass sie in St. Georgen im Attergau in Sicherheit sind. Fern der Heimat leben zu müssen, ist dennoch nicht einfach. Darum sind die ukrainischen Kinder und Jugendlichen froh um jede Begegnung mit Jugendlichen aus Österreich.
Neun Buben und Mädchen haben Bücher aufgeschlagen vor sich liegen, schauen auf einen großen Bildschirm an der Stirnseite des Raums und tragen immer wieder einmal ein Wort in ein Arbeitsblatt ein. Sie haben derzeit Unterricht. Online sind sie mit der Ukraine verbunden. Die Kinder im Volksschulalter sind die jüngsten der 62 Waisenkinder, die im Alter bis 17 Jahren in St. Georgen im Attergau in einem ehemaligen Sanatorium untergebracht sind.
Wie alle Schüler/innen dieser Erde freuen sie sich sichtlich, dass der Unterricht von einem Besucher, ein KIZ-Redakteur, unterbrochen wird. Sie dürfen von ihrem Ausflug erzählen, den sie vor zwei Wochen in den Tierpark Hellbrunn unternommen haben. Die Schafe, die sie füttern durften, die Biber, die einen Baum gefällt haben, die süßen Lamas und die Pinguine – die Kinder sind begeistert, von dem was sie gesehen, gestreichelt und gefüttert haben: „Alles war cool und richtig lustig war es auch.“
Handy überwindet Sprachbarrieren
Eingeladen und organisiert hat diesen beeindruckenden Tag die Ukraine-Projektgruppe der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik (BAfEP) der Don Bosco Schulen Vöcklabruck. Rund zwanzig künftige Kindergartenpädagoginnen aus den dritten und vierten Klassen gehören der Gruppe an.
Wie die 35 ukrainischen Kinder, die am Ausflug teilnehmen konnten, waren auch die begleitenden BAfEP-Schülerinnen beeindruckt. „Bei der Hinfahrt haben wir noch nicht soviel miteinander geredet. Aber dank des Google-Übersetzers am Handy wurde es immer besser und wir haben viel voneinander erfahren“, lassen Julia Huemer und Antonia Gehmair, beide aus der 3b-Klasse, den Tag Revue passieren: „Zum Abschied haben uns die Kinder bereits umarmt. An den Schülerinnen der Ukraine-Gruppe wird es nicht liegen. „Definitiv wollen sie weitermachen“, antworten sie wie aus einem Mund.
Persönlich Profitieren
Der gemeinsame Besuch des Tierparks war nicht der erste Kontakt. Wenige Wochen, nachdem die ukrainischen Kinder und Jugendlichen in das leer stehende Sanatorium eingezogen waren, hat die heutige 5. Klasse BAfEP Ende März einen Bastel- und Begegnungsnachmittag mit Muffins und einem eigens zusammengestellten Sprachspiel veranstaltet.
Der Direktorin Margit Gangl ist dieses Engagement ein Anliegen, denn es können sowohl die Schülerinnen persönlich profitieren und es passt auch zu den Anforderungen der Ausbildung: „Mir ist es wichtig, dass wir die ukrainischen Kinder aber nicht nur als die armen sehen, für die wir etwas tun müssen. Ihr Hiersein bietet die Chance, dass wir uns gegenseitig kennenlernen.“ Die Direktorin bemüht sich, so gut es geht, den Rahmen für diese Begegnungen zu schaffen.
Da der Umgang mit Kindern, die nicht Deutsch als Muttersprache haben und aus anderen Kulturen kommen, durchaus Inhalte des Lehrplans der BAfEP sind, kann das Engagement der Schülerinnen zurecht Teil der schulischen Ausbildung sein.
Von den Schülerinnen zu verlangen, alles in der Freizeit zu machen, wäre zusätzlich zu ihrem umfangreichen Stundenplan eine Überforderung, es kann aber auch nicht nur alles während der Schulzeit passieren. So versucht Direktorin Gangl, eine gute Kombination zu finden.
Gewinnende Kreativität
Bald nach dem ersten Bastel- und Sprachennachmittag haben die Schülerinnen einen Bewegungs- und Sportnachmittag gestaltet. Mit ihrer Kreativität haben die BAfEP-Jugendlichen eine Geburtstagsfeier für die ukrainischen Kinder und Jugendlichen belebt, die das Frauenforum Regau ausgerichtet hatte.
Die Österreichische Mentalität
Bis jetzt konnte die Direktorin die Kosten, die hauptsächlich für die Bastel- und Spielmaterialien angefallen sind, dank privater, teils anonymer Förderinnen und Förderer aufbringen. Sie hofft, dass das so bleiben wird: „Wenn man spürt, wie alle Seiten daran Freude haben, setzt man sich gerne dafür ein.“ Das sehen auch ihre Schülerinnen so. „Wenn ich flüchten müsste, möchte ich auch, dass sich jemand um mich annimmt“, sagt Julia Huemer.
Die Volksschullehrerin Olena Skevchenko, die mit den ukrainischen Kindern in St. Georgen lebt, erläutert, was der Kontakt mit den Vöcklabrucker Schülerinnen bedeutet: „Unsere Kinder sind immer froh, wenn jemand kommt. Es hilft ihnen beim Deutsch lernen und führt sie auch in die österreichische Mentalität ein.“ Im Hinblick auf das Weihnachtsfest kommen im Sanatorium verstärkt Erinnerungen an zu Hause auf. Die Heimatstadt der Kinder wurde im Sommer vom russischen Militär eingenommen, 90 Prozent sollen zerstört sein. „Wir hoffen, dass der Krieg ein Ende findet und wir zurückkönnen. Wir haben Hoffnung, wir leben mit Hoffnung“, betont Skevchenko. Sie ist dankbar, „dass wir immer wieder auf Menschen treffen, die uns Gutes tun“.
Respekt vor der Stärke
Die BAfEP Schüler/innen der 5. Klasse betonen, dass von den Begegnungen so viel zurückkommt. Und sie drücken ihre Bewunderung aus. „Die Kinder müssen sehr stark sein. Als Waisenkinder und Kinder aus sozial schwierigen Familien haben sie schon viel mitgemacht, und jetzt auch die Flucht“, sagt Christina Lettner, und Elisa Riedl ergänzt: „Man kann diesen Schrecken nicht in Worte fassen. Kindheit stellt man sich anders vor.“
Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
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