Friederike und Ulrich Habsburg-Lothringen
Jüdisch in Kärnten: „Ich würde mich als orthodox light bezeichnen“

 

Rund 30 Jahre lang lebten Friederike und Ulrich Habsburg-Lothringen ein normal katholisches Leben. Dann entschied sie sich, zum Judentum überzutreten. Das Wolfsberger Ehepaar erzählt, was ein Lied von Haydn mit der Konversion zu tun hat, wie der Glaube die Wochenenden prägt und warum es im Haushalt drei Kühlschränke gibt. Alexandra Hogan

Frau Habsburg, Sie waren in Ihren 50ern, als Sie zum Judentum übertraten. Wie kam es denn zu dieser Entscheidung?
F. Habsburg:Begonnen hat alles mit historisch-politischem Interesse am Judentum. Ich habe versucht, mich zu bilden, denn wenn man nichts weiß, kann man in Debatten schwer etwas sagen. Da kam ich auch schrittweise näher an das Religiöse. Ich erinnere mich klar an eine Begebenheit. Früher haben mein Mann und ich im Kirchenchor gesungen. Vor vielen Jahren haben wir in der vorostösterlichen Zeit wieder mal etwas einstudiert, „Tenebrae factae sunt“ von Haydn. Ich hielt das Blatt mit dem Text in meiner Hand und realisierte, was da stand: dass die Juden Christus gekreuzigt haben. Dann habe ich das Notenblatt hingelegt und gesagt, dass ich das nicht singen kann und werde. Das war das letzte Mal, dass ich im Chor gesungen habe.
Ein anderes Mal hatte ich eine Diskussion mit dem Pfarrer. Wir waren in der Abendmesse und das Evangelium war das Gleichnis von der Einladung zum Gastmahl. In der Predigt hatte er gesagt, dass die Juden die Gäste seien, die nicht gekommen sind.
Nach der Messe haben wir vor der Kirche geredet, und er wollte mir noch irgendetwas erklären. Da habe ich mir gedacht: So, jetzt lasse ich mir das Judentum nicht noch einmal von Christen erklären, sondern ich werde zu den Wurzeln gehen – und damit hat alles begonnen.

Herr Habsburg, wie haben Sie reagiert, als Sie vom Konversionswunsch Ihrer Frau erfahren haben?
U. Habsburg:Das war eine ganz gute und richtige Sache.
F. Habsburg:Als ich dir gesagt habe, dass ich jüdisch werden möchte, hast du geantwortet: Das bist du schon immer gewesen.
U. Habsburg:Zu einem späteren Zeitpunkt waren wir in Graz bei einem Empfang, an dem auch der damalige Oberrabbiner von Wien, Chaim Eisenberg, teilnahm. Er hat mich gefragt: Ihre Ehefrau will übertreten, was sagen Sie dazu? Und ich habe geantwortet: Hoffentlich kann sie übertreten, sonst habe ich jeden Tag das G‘scher zuhause (lacht). Mit dieser Anwtort war er zufrieden.
F. Habsburg:Der Oberrabbiner wollte sich vergewissern, ob meine Überzeugung für meinen Mann in Ordnung war. Und mein Mann zeigt das ja mehr als deutlich, indem er mich in Wien immer in die Synagoge begleitet. Wenn er einmal nicht mitkommen kann, dann werde ich gleich gefragt, wo er denn bleibt.

Sie sind eine von wenigen jüdischen Personen in Kärnten. Wie leben Sie Ihren Glauben hier?
F. Habsburg:Mein Jüdisch-Sein spielt sich hauptsächlich in Wien ab, würde ich sagen. Hier in Wolfsberg führe ich einen koscheren Haushalt. Wir haben drei Kühlschränke; einen für Milchiges, einen für Fleischiges und der dritte ist der christliche, wo nichts getrennt sein muss. Es ist schon ein bisschen ein Balanceakt, aber ich halte mich daran, und für mich gibt es nur koscheres Fleisch – das kaufe ich in Wien und friere es hier ein – oder eben kein Fleisch.

Wie überall gibt es auch im Judentum eine ganze Bandbreite von Ausrichtungen, vom Reformjudentum bis hin zu ultra-orthodoxen Strömungen. Wo würden Sie sich verorten?
F. Habsburg:In der religiösen Mitte. Ich habe kein großes Problem, einmal eine Ausnahme zu machen. Wenn am Shabbat die Zeitschaltuhr für das Licht einmal nicht richtig eingestellt ist [Anm.: Am Schabbat sollen keine elektrischen Geräte benutzt werden], dann mache ich das Licht an, weil ich nicht im Dunkeln herumtapsen und die Treppe runterfallen will. Das sind für mich einfach Fragen der Vernunft, und es hat eigentlich mit Religion wenig zu tun.
Ich schaue aber, dass vor Beginn des Shabbats alles gerichtet ist, und wenn ich etwas vergessen habe, ärgere ich mich über mich. Ich würde mich also als „orthodox light“ bezeichnen.

In Ihrem Haus wird der Shabbat gefeiert, aber auch der christliche Sonntag hat seinen Platz. Wie sieht denn ein Wochenende bei Ihnen aus?
F. Habsburg:Am Freitagabend ist mein Mann da, sind wir da, und ich entzünde die Shabbat-Kerzen. Dann bete ich, allerdings allein. Wenn es soweit ist, rufe ich ihn zum Kiddush, also zum Segen, und dem anschließenden Essen. Am Samstag lebt mein Mann im Prinzip so, wie er das will. Zu Mittag gibt es auch wieder gemeinsam das Essen mit Kiddush, und am Nachmittag macht er wieder, wie er will. Mit Sonnenuntergang geht der Shabbat zu Ende.
U. Habsburg:Und dann beginnt der Sonntag. Manchmal bin ich als Lektor eingeteilt. Meistens lese ich die erste Lesung, weil sie aus dem Alten Testament kommt, das passt zu unserem Hintergrund [beide lachen]. Es kommt öfter vor, dass wir daheim gemeinsam über die Stelle debattieren und meine Frau erklärt, wo etwas falsch verstanden oder übersetzt worden ist.
F. Habsburg:Dann suche ich in der Tora die Stelle, und es gibt auch herrliche jüdische Erklärungen dazu.
U. Habsburg: Ich finde es ja irgendwie ganz lustig, weil ich mich so drei Tage in der Woche mit Gott beschäftige.

Frau Habsburg, Ihr Mann begleitet Sie in die Synagoge. Kommen Sie auch manchmal in die Kirche mit?
F. Habsburg: Ja, in die Christmetten komme ich zum Beispiel immer mit, da soll mein Mann nicht alleine sein. Auch zur Jahresschluss-andacht zu Silvester. Wir haben vor Kurzem unseren 60. Hochzeitstag gefeiert, da gab es auch eine Messe. Das wollte ich so, es tut mir ja nichts. Im vergangenen Jahr war ich vermutlich öfter in katholischen Messen als im jüdischen Gottesdienst [schmunzelt].

Das Christentum hat von jeher mit seinem Verhältnis zum Judentum gerungen. Papst Benedikt hat schließlich die Juden die „älteren Brüder“ der Christen genannt. Wie sehen Sie diese Bezeichnung?
F. Habsburg:Ich sehe das sehr positiv. Dass Brüder unterschiedliche Wege gehen, das hat es schon immer gegeben und darin steckt keine Wertung. Wenn mein Mann und ich debattieren, dann sagt er immer, dass wir an den selben Gott glauben. Wenn wir an ihn glauben, dann haben wir einen gemeinsamen Ursprung. Ich habe also mit der Bezeichnung „ältere Brüder“ kein Prolem – das finde ich sogar sehr schön.

Herr Habsburg, nach rund 30 Jahren in einer jüdisch-christlichen Ehe: Was schätzen Sie an der Religion Ihrer Frau besonders?
U. Habsburg:Ich schätze vor allem die Mahlgemeinschaft. Nach dem jüdischen Gottesdienst gibt es im Veranstaltungsraum ein gemeinsames Essen, mal größer, mal kleiner. Da sind alle Leute wieder dabei. Da ist eine Gemeinschaft, die ich sehr genieße. Man ist sehr aufgehoben.
F. Habsburg:Das stimmt, und du bist unglaublich aufgenommen worden. Mein Mann bekommt auch viel Bewunderung, wie er das alles mitträgt. Darüber freue ich mich natürlich.

Autor:

Carina Müller aus Kärnten | Sonntag

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