Marie-Luisa Frick im Gespräch:
Interreligiöse Dialoge brauchen Respekt

Die Innsbrucker Philosophie-Professorin über den interreligiösen Dialog, die Corona-Krise und das Hinterfragen der Globalisierung.
von Andreas Raffeiner

Frau Professorin Frick, Sie beschäftigen sich als Philosophin mit dem interreligiösen Dialog. Warum ist er in einer stark vernetzten Welt wie der unsrigen so wichtig?
Frick: Weil Religionen unzweifelhaft Faktoren sind, die Gesellschaften und auch politische Ordnungen weltweit mitformen, aber auch, weil sie zu Spannungen unter Menschen führen können. Gespräche zwischen Vertretern unterschiedlicher religiöser, aber auch nicht-religiöser Weltanschauungen ist ein wichtiges Instrument, um einander, aber auch die Unterschiede besser zu verstehen und sich vielleicht so aneinander zu „gewöhnen“.
Damit wäre schon viel gewonnen. Unser Planet ist schlicht zu klein für Konflikte zwischen Gruppen von Menschen, die sich nicht ertragen können, weil sie sich für „verdorben“, „unrein“ oder „irrgläubig“ halten. Interreligiöse Dialoge können anstrengend, aber auch mit sehr schönen Erfahrungen verbunden sein, besonders dann, wenn die Beteiligten durch persönliche Wertschätzung mögliche negative Sichtweisen auf „die Anderen“ überwinden. Es ist dann ähnlich wie bei Freunden: Das, was sie mitunter auch aneinander stört, tritt zurück zugunsten einer tieferen Verbundenheit.

Welches sind die gegenwärtig bedeutsamsten Inhalte des interreligiösen Dialogs?
Frick: Das hängt ganz davon ab, um welche Dialoge zwischen welchen Gruppen es sich handelt. Inner-christliche Dialoge führen früher oder später zur Frage der Stellung des Papstes. Dialoge zwischen Christen und Muslimen berühren häufig das Problem der Religionsfreiheit, die im orthodoxen Islam bekanntlich für Muslime nicht gegeben ist und Nicht-Muslimen nur eingeschränkt gewährt wird.

Wie verhält sich dies etwa beim aktuellen Dialog mit Nichtglaubenden?

Frick: Dialoge zwischen religiösen Menschen und Menschen ohne religiöses Bekenntnis betreffen oft das Verhältnis von Wissenschaft und Glaube oder auch von Religion und Gewalt. Es gibt für jede Gruppe Themen, die heikler sind und manchmal sogar Tabucharakter haben. Auch zu verstehen, wo beim Gegenüber die „roten Linien“ sind, ist wichtig, um fruchtbar Dialog zu führen. Ohne einen gewissen Grundrespekt gelingt das nicht.

Ist das vereinbar mit einer positiven Streitkultur, für die Sie an anderer Stelle werben?

Frick: Ich denke, ja. Denn offen auch schwierige Themen erörtern, auch darüber streiten, kann man am besten, wenn man sich so weit kennt und vertraut, dass nicht hinter jeder Kritik ein feindseliges Ansinnen vermutet wird. Ernsthaft Dialog zu führen, ist das Gegenteil von Schmeicheln.

Kann die gegenwärtige Corona-Krise die Welt entschleunigen?

Frick: Sie entschleunigt bereits weite Teile des Alltags, andere hingegen werden „stressiger“. Und selbst, wenn manche eine gewisse Gemächlichkeit in den vergangenen Wochen schätzen gelernt haben: Es wäre aus meiner Sicht falsch, in dieser Krise die „guten“ Seiten zu suchen. Momentan ist es nur ein Desaster auf allen Fronten und das Leid, das entstanden ist und noch entstehen wird, ist nicht aufzuwiegen mit persönlichen Wohl-Befindlichkeiten.

Stellt die Pandemie die Globalisierung infrage?

Frick: Die Globalisierung wird in bestimmten Bereichen, allen voran der Medizingüter- und Arzneimittelproduktion, gewiss und auch zurecht in Frage gestellt werden. In anderen Bereichen wiederum werden wir – hoffentlich – nicht radikal zurückfallen, ich denke hier an die globale Mobilität, die für viele Menschen ein großer Wert ist. Viele erkennen vielleicht erst jetzt, wie arm das Leben wäre, ohne im Ausland studieren, arbeiten, Freunde besuchen zu können und so weiter.

Haben Sie ein philosophisches Lebensmotto?

Frick: Das könnte sein: Das Leben ist kurz, lasst es uns genießen und anderen so wenig Steine wie möglich in den Weg legen.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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