Im Gespräch mit Christine Weeber
„Geistliche Musik kann sehr viel Trost spenden!“
Der Musikexperte, Komponist und Pianist Johannes Kropfitsch im Gespräch mit dem „Sonntag“ über Religiosität, Heilung durch Musik und die Größe Anton Bruckners (1824-1896), der vor 200 Jahren in Ansfelden bei Linz geboren wurde und dessen „Te Deum laudamus – Wir loben Dich, oh Gott“ im Jahre 1881 entstanden ist.
Herr Professor Kropfitsch, Sie gelten als künstlerischer Leiter mit Weltruf. Was bedeutet Ihnen Musik? Wie sind Sie seinerzeit zur Musik gekommen?
Kropfitsch: Mein Vater ist ein begeisterter Sänger und Pianist, hat die Musik aber stets als Hobby betrachtet. Von Beruf ist er Jurist und war bis zu seiner Pensionierung Senatspräsident am Oberen Gerichtshof in Wien. Meine ersten Erinnerungen an Musik sind die, wie ich unter dem Klavier saß und ihn beim Singen und Spielen am Klavier von Schubertliedern belauschte. Ich glaube, für manche Menschen ist Musik die Welt, und eine Vielzahl von Menschen kennen sie nicht. Musik ist das Leben. Es gibt keinen Schritt, den ich gehe, ohne eine Melodie oder eine musikalische Stimmung.
Was empfinden Sie heute, wenn Sie mit jungen Menschen musizieren?
Kropfitsch: Mit der Musik kann man auf dieselbe Wellenlänge kommen: an einem gemeinsamen Projekt, dem Stück, zu arbeiten und zu einem guten Ergebnis zu gelangen. Mich faszinieren die zutiefst humanistischen Ideale der großen Komponisten wie Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Frédéric Chopin und Anton Bruckner. Ich empfinde eine große Demut vor den Werken dieser großen Komponisten und sehr viel Freude an der Musik.
Wir erleben gerade das Anton Bruckner-Jahr. Wie stehen Sie heute zu diesem österreichischen Komponisten? Was sind seine ganz besonderen Kompositionen, das bekannte „Te Deum laudamus“?
Kropfitsch: Anton Bruckner ist für mich ein, vielleicht sogar der Vollender kompositorischer Meisterschaft. Zum Te Deum von Anton Bruckner: Es ist sowohl Glaubensbekenntnis als auch innigster Hilferuf nach Erfüllung seines Wunsches nach einem Weiterleben nach dem Tode, und zwar als Individuum und unter Mitnahme seiner Erinnerungen. Und da sind wir beim Kern angelangt: Ein Weiterleben als Windhauch oder Amöbe entspricht eben nicht der Verheißung … Natürlich wurde gerade der Hymnus des Te Deums, der bereits auf Ambrosius zurückgeht, bei Krönungen und anderen großen Ereignissen als musikalischer Ausdruck der Zuversicht „verwendet“. Das Besondere an Anton Bruckner ist jedoch die ungeheure musikalische Intensität, die dem Werk innewohnt: gleichsam als musikalische „Beschwörungsformel“ gedacht. Absolut hörenswert und immer aktuell, insbesondere in unserer heutigen Zeit.
Welche Werke Anton Bruckners gehen in die Musikgeschichte ein? Welchen Stellenwert hat er als Komponist in dieser Welt?
Kropfitsch: Sowohl seine Symphonien als auch viele seiner geistlichen Werke wie das Te Deum sind bereits in die Musikgeschichte eingegangen. Anton Bruckner gilt als wichtiger, bedeutender Komponist des 19. Jahrhunderts.
„Musik ist eine heilige Kunst“, wenn man den österreichischen Dirigenten und Musikwissenschaftler Kurt Pahlen (1907-2003) zitiert …
Kropfitsch: Ja, absolut. Der Pianist ist quasi ein Priester, der zwischen Komponisten und Publikum vermittelt.
Wer wird es in Österreich von den jungen Pianisten – Ihrer Meinung nach – schaffen?
Kropfitsch: Schaffen tut es jeder, der vom Klavierspielen leben kann. Die Variationen von „Karrieren“ sind dabei sehr vielfältig. Vielfach sind es Kombinationen mehrerer musikalischer Berufsfelder wie Lehrer, Korrepetitoren, Solisten, Kammermusiker. Aber ich vermute, Sie meinen, als Solist: Hier ist immer eine Portion Glück notwendig. Man muss nicht nur wirklich außergewöhnlich gut spielen, sondern ebenso gemanagt werden. Man muss auch als Typ „in die Zeit“ passen. Vieles hängt dabei von einem stimmigen Marketing ab. Das ist Arbeit von Profis.
Sie haben einmal in einem Interview gesagt: „Wenn man lange krank war, dann soll man Musik hören.“
Kropfitsch: Musik ist Balsam für die Seele. Natürlich nicht jede, aber vor allem geistliche Musik kann sehr viel Trost spenden.
Musik kann über irdische Probleme hinwegsehen. Wo liegt der Glaube in der Musik?
Kropfitsch: Musik kann mit Musik den Glauben ohne Worte ausdrücken: Mit Musik kann man den Glauben unmittelbar erfahren. Jeder von uns dürfte bereits die Macht der Musik bei Begräbnissen unmittelbar erfahren haben. Gerade zur Osterzeit kann man dem Leiden Christi auch in den Passionen musikalisch folgen.
Wie stehen Sie zum Musikzirkus unserer Zeit?
Kropfitsch: Ich mag generell den Zirkus nicht. Den Musikzirkus schon gar nicht. Aber auch in musikalischen Events, die von der Aufmachung her an Zirkus erinnern, kann man trotzdem manchmal viel gute Musik erkennen.
Was empfinden Sie, wenn Sie heute an Ihren Zweitwohnsitz ins Gailtal kommen?
Kropfitsch: Freude, am ehesten vergleichbar mit dem Beginn von Beethovens Symphonie „Pastorale“! Aber ich sehe auch viele Herausforderungen. Vor allem möchte ich meinen Beitrag leisten, die Situation der Menschen so zu gestalten, dass es möglich ist, Broterwerb und Verbundenheit mit der Natur erfolgreich zu leben. Heimatgefühle? Heimat ist für mich zunächst ein Ort, dort, wo man ohne weiteres Nachdenken existieren kann. – Wo man Land und Leute rundweg akzeptiert und von ihnen akzeptiert wird.
Wie schafft man es im Musikhimmel so weit wie Sie?
Kropfitsch: Im Moment versuche ich noch, im Hier und Jetzt voranzukommen. Konzerte zu spielen, neue Stücke – aus allen Epochen – einzustudieren, neue Stücke zu komponieren, meinen Studierenden eine bestmögliche Ausbildung zu geben. Ob es für den Himmel reicht? Ich lasse mich überraschen, und es würde mich sehr freuen.
Zur Person:
Univ.-Prof. Dr. Johannes Kropfitsch; Studium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien (Klavier Konzertfach bei Prof. H. Petermandl und Prof. H. Graf); seit 1987 weltweite Konzerttätigkeit als Solist und Kammermusiker; 1988 Debüt im Wiener Musikverein; seit 1988 Konzerte mit Moskauer Philharmonikern und Symphonikern; seit 1996 Kammermusik-Zyklus mit dem Jess-Trio- Wien im Wiener Konzerthaus/Mozart-Saal; Solist im Musikverein; 2014-2017 Prodekan der Fakultät Musik (Musik und Kunst der Privatuniversität der Stadt Wien); verheiratet und Vater von vier Kindern; er lebt in Wien und an seinem Zweitwohnsitz in Reisach im Gailtal.
Autor:Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag |
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