Glaube
Diözesanbischof Josef Marketz im Oster-Interview mit dem "Sonntag"  | Foto: Foto: Diözesane Pressestelle/Daniel Gollner

Bischof Josef Marketz im Oster-Interview
„Wie können wir wieder gemeinsam neue Wege beschreiten?“

Der Bischof spricht mit "Sonntag"-Chefredakteurin Anna Maria Bergmann-Müller über aktuelle Entwicklungen in der Katholischen Kirche, über den Synodalen Weg, die Rolle der Frauen, die Diskussionen rund um den Zölibat – und über Perspektiven, die über unser Leben hinausgehen. Ostern steht vor der Tür, noch aber befinden wir uns mitten in der Karwoche. Birgt diese, so düster sie auch erscheinen mag, nicht eine große Chance für unseren Glauben? Bischof Marketz: In der Karwoche finden wir alles, was...

Bischof Josef Marketz im Oster-Interview
„Wie können wir wieder gemeinsam neue Wege beschreiten?“

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Der Bischof spricht mit "Sonntag"-Chefredakteurin Anna Maria Bergmann-Müller über aktuelle Entwicklungen in der Katholischen Kirche, über den Synodalen Weg, die Rolle der Frauen, die Diskussionen rund um den Zölibat – und über Perspektiven, die über unser Leben hinausgehen.

Ostern steht vor der Tür, noch aber befinden wir uns mitten in der Karwoche. Birgt diese, so düster sie auch erscheinen mag, nicht eine große Chance für unseren Glauben?

Bischof Marketz: In der Karwoche finden wir alles, was das Leben ausmacht. Eine zentrale Frage ist dabei: Was macht das Leid mit uns? Vor allem am Karfreitag geht es um die Trauer. Wie reagierten die Menschen damals, an diesem Tag der Kreuzigung Jesu? Die meisten laufen davon. Nur wenige halten es aus, unter dem Kreuz, bleiben stark – aus Liebe. Judas bringt sich sogar um. Aber nicht nur, weil er böse gehandelt hat, sondern vor allem, weil er trauert. Mich bewegt dieser Kampf mit dem Leid, mit der Trauer sehr.

Am Karfreitag stellt sich die Theodizee-Frage in besonderer Weise: Wie kann ein gerechter Gott so viel Leid zulassen? Darauf gibt es wohl kaum eine befriedigende Antwort. Wie ist Ihre Sicht darauf? Auch im Lichte von Ostern.

Bischof Marketz: Das Leid ist in der Welt, weil es den Tod gibt, weil wir Menschen Fehler machen und damit anderen wehtun. Und dann gibt es die Erfahrung: Das Leben geht weiter! Das sehen wir im Frühling besonders schön. Der Winter dauert lange, aber er geht vorbei. Der tote Zweig blüht wieder auf. Der Kirschbaum ist im Frühling ganz weiß. Ähnliche Erfahrungen machen wir Menschen auch in unserem Leben. Nach einem Tief geht es – manchmal rasch, manchmal langsamer – wieder bergauf. Jesus zeigt uns das ganz deutlich: Er geht vor ins neue Leben. Abseits von unserem aktuellen persönlichen Leben sollten wir immer wieder hinschauen auf dieses Geschehen in der Karwoche mit allen Phasen – und diese Perspektive nicht aus den Augen verlieren.

Eine Perspektive, die über das irdische Leben hinausgeht ...

Bischof Marketz: Ja, der tote Zweig wird wieder blühen.

Noch sind wir in dieser Welt mit all den Spannungen, den Krisen unserer Zeit. Die Katholische Kirche befindet sich auf dem Synodalen Weg. „Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jes 54,2) lautet dabei das Leitmotiv. Wie ist das gemeint?

Bischof Marketz: Die Welt heute ist voll von Spannungen und Gegensätzen. Diese Bibelstelle des Propheten Jesaja zeichnet ein Bild, das auch in unsere Zeit passt. Die Welt liegt darnieder, aber wir Christen müssen uns nicht fürchten. Gott wird für uns sorgen, Hoffnung und Liebe bleiben. In diesem Zelt haben alle Platz. Sehr wichtig ist der Dialog, auch mit Gott. Als Bischof sehe ich meine größte Aufgabe darin, dass in diesem Zelt für alle, auch für jene an den Rändern, der Platz bereitet ist.

Ein Thema, das nach den jüngsten Aussagen von Papst Franziskus zurzeit vor allem die Medien beschäftigt, ist der Zölibat.

Bischof Marketz: Der Papst sagte nur, dass es theoretisch möglich ist. Darüber muss und wird es noch viele Diskussionen geben; man muss die Argumente abwägen. Früher konnte man nicht einmal darüber reden. Mir ist schon bewusst, dass viele Menschen bei diesem Thema auf eine rasche Entscheidung warten. Aber wir sollten geduldig bleiben. Ich persönlich bin nicht für den verpflichtenden Zölibat. Ich sehe die Einsamkeit der alten Priester, aber auch der jungen, die fern von der Heimat sind.

Eine Kirche ohne Frauen – was würde fehlen?

Bischof Marketz:
Ich kann und ich will mir eine Kirche ohne Frauen eigentlich nicht vorstellen. Für mich stellt sich vielmehr die Frage, wie sich Frauen in der Kirche entfalten können. Können sie das auch leben, was sie sich vorstellen? Hier sehe ich das Problem, dass dies Frauen leider oft nicht zugestanden wird. Dann nehmen sie sich den Raum selber. Oft auch mit dem Mittel der Kunst.

Stellt sich die Frage: Wieweit darf Kunst eigentlich gehen? Ich denke an die feministische Kunstprozession in Klagenfurt, die dieser Tage für sehr viele Kontroversen gesorgt hat.

Bischof Marketz: Ich habe viel darüber nachgedacht. Die Frauen beschreiten den Weg der Selbstermächtigung, weil sie von der Männerkirche diesen Raum nie bekommen, leider oft auch nicht von anderen Frauen. Ich sehe nichts, was daran so falsch wäre. Sie wollen ihren Weg ausloten. Sie warten nicht mehr darauf, eingeteilt zu werden. Die Kunst ist ein schönes Vehikel.

Sie haben also Verständnis dafür?

Bischof Marketz: Ich habe großes Verständnis dafür. Künstlerinnen nehmen sich immer große Freiheiten. Es ist spannend: Immer gehen sie anderen voraus. Ich sehe das nicht als Protest. Sie loten neue Räume aus. Was dies betrifft, breche ich eine Lanze für die Kunst.

Da, aber nicht nur da, gehen die Meinungen auseinander ...

Bischof Marketz:
Ich sehe schon, dass es auf vielen Ebenen und bei vielen Themen Spaltungen gibt. Das betrifft ja nicht nur die Kirche, sondern auch andere gesellschaftliche Vollzüge und reicht weit. Ich meine aber, dass man nicht ständig auf die Spaltungen starren soll. Vielmehr brauchen wir den Blick nach vorne. Wie können wir wieder gemeinsam Wege beschreiten und uns auf das wirklich Wesentliche konzentrieren? Das sollte uns gelingen, und da sehe ich auch ein großes Feld für uns als Kirche.

Was kann die Kirche denn dazu beitragen?

Bischof Marketz: „Mach den Raum deines Zeltes weit!“ Das Motto des Synodalen Prozesses ist für mich der richtige Weg. Gib allen die Möglichkeit, Platz zu finden. Ich muss das Zelt aufmachen, denn darin ist viel Raum – auch für scheinbar Gegensätzliches.

Themenwechsel: Unsere Kinder und Jugendlichen sind aktuell sehr verunsichert, viele sind voller Angst und ohne Zukunftsperspektiven. Was kann Kirche Ihnen vor allem in Zeiten wie diesen bieten? Gibt es konkrete Ansätze? Werden sie im aktuellen Kirchenentwicklungsprozess berücksichtigt?


Bischof Marketz:
Wir haben gerade erst die Rückmelde-Phase für den Kirchenentwicklungsprozess abgeschlossen. Da sind viele Eingaben zum Thema Jugend gekommen, die selbstverständlich einfließen werden. All diese Fragen berühren mich sehr. Da gibt es viele große Fragezeichen, die sich nicht mit einfachen Antworten abspeisen lassen. Ich rede oft mit jungen Menschen und erhalte dadurch Einblicke in ihre Lebenswelt. Das sind ganz wertvolle Erfahrungen. Heuer im Sommer fahre ich mit der Jugend nach Portugal. Ich freue mich auf die Begegnung mit ihnen. Gerade was Kinder und Jugendliche betrifft, sage ich auch mit Bezug auf Jesaja: Da steht unser Zelt sehr weit offen!

Lieber Bischof, noch eine persönliche Frage: Wenn Sie an Ihre Kindheit denken – welche Erinnerungen an die Osterzeit sind Ihnen besonders lieb? Was hat Sie als Kind besonders berührt oder fasziniert?

Bischof Marketz: Da hat sich wohl viel verändert. Wir als Kinder wurden darauf aufmerksam, dass sich die ganz großen Ereignisse in der Kirche abspielten. Die damalige Liturgie vor und zu Ostern war für uns so etwas wie das „große heilige Theater“, ein Geheimnis, an dem wir mitwirken durften. Da waren wir die ganze Karwoche in der Kirche. Wir gingen zwei Kilometer zu Fuß. Als Ministrant musstest du üben, damit ja kein Fehler passiert. Es war sehr wichtig, und wir waren stolz darauf. Was das Weltliche betrifft: Natürlich haben wir Osternester gebaut, Sachen wurden versteckt.

Was haben Sie geschenkt bekommen?

Bischof Marketz: Zu Ostern waren die Geschenke nicht so wichtig, es waren Kleinigkeiten wie Schoko-Eier zum Beispiel. Als besonders schön in Erinnerung sind mir die Besuche der Verwandten, man hat sehr viel miteinander geredet. Und natürlich gab es immer etwas Besonderes zu essen. Das waren besonders intensive Begegnungen. Es war schön.

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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