Aus dem Referat für Beziehung, Ehe und Familie
Patchworkfamilien ernst nehmen

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Scheidung, Wiederheirat, Patchworkfamilien sind Realität. Wie gehen wir als Kirche damit um? Welche Hilfen zu geglücktem Leben bieten wir ihnen?
von Benno Karnel

Ja, es gibt Baustellen in der (Amts-)Kirche, nicht nur in Bezug auf gleichgeschlechtliche Beziehungen, sondern auch, was das Hinschauen auf familiale Lebenswelten angeht.Diesmal möchte ich den Fokus auf Menschen in Zweitehen, auf die sogenannten Patchworkfamilien, legen. Kürzlich erzählte mir ein Priester von einer Tauffeier, bei der vier Großelternpaare dabei waren. Die ehemaligen Partner beider Elternteile und auch die Patin lebten in einer zweiten Beziehung, allerdings nicht verheiratet. So konnte sie auch Patin sein.
Familienkonstellationen wie diese werden immer häufiger. Da kann ich dann mit dem Kirchenrecht argumentieren und sie ignorieren wie die zivilrechtliche Scheidung, oder als Sünde sehen, wenn wiederverheiratet. Die Wiederverheirateten sind dann von den Sakramenten und dem Patenamt ausgeschlossen. Viele verlassen auch die Kirche. Ich appelliere dringend, genau auf die konkreten Lebensumstände der Menschen hinzuschauen, die zur Kirche kommen, und ihr Anliegen ernst zu nehmen.
Es ist etwas Besonderes, wenn ein Partner sich aus einer vergifteten, toxischen Beziehung endlich befreit hat, in der Gewalt und Besitzdenken Liebe, Achtung und Ehrfurcht voreinander abgelöst haben. Und wenn so eine Person dann vielleicht in einer liebevollen neuen Partnerschaft mit Kindern, die dann „deine, meine, unsere“ sind, glücklich zusammen lebt, ist das zu unterstützen. Sie haben ja den Wunsch, den Bezug zur Kirche weiter aufrecht zu erhalten und auch für die Kinder Vorbild im Glauben zu sein.
Papst Franziskus verweist in „Amoris laetitia“ auf die Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz, die, ähnlich wie Kardinal König in der Erzdiözese Wien schon 1982, 1992 für ihr Gebiet die Weisung gaben, dass jeder Fall einer Zweitehe nicht kirchenrechtlich, sondern pastoral, also seelsorglich, zu prüfen ist. Und er verweist immer wieder auch darauf, dass die Sakramente „Stärkung für die Schwachen und nicht Belohnung für die Guten sind“. Ich denke, das müssen die Verantwortlichen in den Diözesen und Pfarren auch bei uns immer im Hinterkopf haben, wenn sie mit Menschen mit solchem sozialen Hintergrund zu tun haben.
Vielleicht müssen wir auch neue Rituale und Sakramentalien entwickeln, damit eine Ehe, eine Beziehung, die zerbrochen ist, auch gut heilen kann. Dass sie abgeschlossen ist und man dadurch auch frei ist für eine neue Beziehung.
Eine besondere Herausforderung für Partner, deren Beziehung gescheitert ist, ist auch ihr Umgang mit den gemeinsamen Kindern. Sie sollen nicht zum Spielball für die eigenen noch anstehenden Unstimmigkeiten werden, sie sind ja die Nachkommen beider Elternteile. Einen positiven Zugang bietet das Motto: „Wir können zwar nicht mehr miteinander, aber dich haben wir beide lieb!“ Das können auch die Verantwortlichen in den Pfarren unterstützen: zum Beispiel indem sie im Zuge der Erstkommunionvorbereitung diesen Familien eine eigene kleine Feier anbieten, damit sie für sich einen guten Abschluss für die Beziehung finden und positiv im Sinne der Kinder auf das Fest und die weitere Zukunft hin wirken können. Es gibt dazu noch keine vorgeformten Rituale, auch hier ist noch „Baustelle“. Aber es ist ein bedenkenswerter Ansatz, dass wir als Verantwortliche „Bauherren“ vor Ort mit sozusagen „neuen Plänen“ am Haus der Kirche weiterbauen; dass es Räume für alle gibt, einladend, wertschätzend. Dann können sich die Menschen in diesem Haus, dieser Pfarre, dieser Diözese wohl fühlen und ein wenig von der befreienden und frohmachenden Botschaft unseres Glaubens auch erleben.

Benno Karnel ist Diözesanseelsorger für Beziehung, Ehe und Familie und Leiter des Familienreferats.

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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