Thomas Weber, GF des Ökosozialen Forums Kärnten
Brandbeschleuniger Mercosur
Der Handelspakt zwischen der EU und Südamerika schadet dem Klima. Unter dem EU-Ratsvorsitz von Portugal soll der Deal nun durchgepeitscht werden.
Nur wenige Freihandelsabkommen haben in den vergangenen Jahren für so heftige Kontroversen gesorgt wie das zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay). Seit mehr als 20 Jahren wird um das Abkommen gerungen. Portugal, historisch eng mit Südamerika verbunden, will seine EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2021 nutzen, um den Vertrag auf die Zielgerade zu bringen.
Geht es nach dem Willen der Befürworter, würde damit eine der größten Freihandelszonen der Welt entstehen. Die EU erhält mit dem Abkommen Zugang zu einem Markt von 260 Millionen Verbrauchern, und europäische Unternehmen könnten sich jährlich bis zu vier Milliarden Euro an Zöllen sparen. Auf europäischer Seite erhofft sich insbesondere die mächtige Auto- mobilindustrie Exportchancen und drängt auf das Abkommen. Geplant ist eine Zoll-Senkung für Automobile um 35 Prozent – für die durch Corona stark gebeutelte Auto-Industrie mit mehr als drei Millionen Beschäftigten in ganz Europa ein massiver Impuls.
Soja, Rind- und Hühnerfleisch
Auf südamerikanischer Seite rechnet sich insbesondere die Agrar- industrie steigende Gewinne durch einen besseren Zugang zum EU-Markt aus. Konkret würden die zollbegünstigten Einfuhrquoten für Rind- und Hühnerfleisch um die Hälfte ansteigen, für Bioethanol auf Zuckerrohrbasis sogar um das Sechsfache. Ansteigen würden auch die argentinischen Sojaexporte, da eine Halbierung der Exportabgaben geplant ist.
Doch den ökonomischen Gewinnen stehen klare ökologische und soziale Verluste gegenüber. Experten gehen davon aus, dass der Handelspakt in den Mercosur-Staaten die Ausweitung von Sojafeldern, Weideflächen und Zuckerplantagen begünstigen würde. Das sind die Haupttreiber von Regenwald-Zerstörung und der Vertreibung indigener Völker sowie von damit zusammenhängenden Menschenrechtsverletzungen.
Deal gegen den Amazonas-Wald
Greenpeace hat in diesem Zusammenhang aufgezeigt, dass im vergangenen Jahr mehr als zwei Drittel aller brasilianischen Amazonas-Brände in den Produktions-Regionen für Rindfleisch loderten. Vor diesem Hintergrund wirke der geplante Handelsdeal wie ein „Brandbeschleuniger“, so Greenpeace. Insbesondere in Folge der Brandrodung hat das Rindfleisch aus Übersee eine wesentlich schlechtere Klimabilanz als Fleisch aus Europa.
Die heimische Landwirtschaft hat übrigens den mit Abstand geringsten CO2-Fußabdruck bei Rindfleisch (vgl. Abbildung). Gerade sie würde aber durch die Billig-Importe in Folge des Handels-Abkommens stark unter Druck geraten. Mit einem Anteil von rund 70 % der Betriebe ist die Rinderhaltung das Rückgrat der Kärntner Landwirtschaft. Johann Mößler, Präsident der Landwirtschaftskammer, befürchtet: „Viele Bauern würden die damit verbundenen Einkommensverluste nicht verkraften und aufgeben!“
Europaweit haben sich mittlerweile bereits mehrere Länder, darunter auch Österreich, gegen den Abschluss des vorliegenden Handelspaktes ausgesprochen. Wenn jedoch auf Grund der Corona-Krise der wirtschaftliche Druck steigt, könnte dies den Befürwortern des Mercosur-Deals in die Hände spielen. Bleibt zu hoffen, dass der Handelspakt in der vorliegenden Form dennoch abgelehnt wird. Den Preis dafür würden einmal mehr die Umwelt und Kleinbauern in Südamerika und Europa zahlen müssen.
Autor:Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.