Ein Platz, der wesentliche Teile seiner Geschichte verschweigt
Es ist Zeit, die ganze Geschichte zu erzählen

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Den Domplatz in Klagenfurt als Platz des Erinnerns und Begegnens ins Zentrum holen
ist Ziel einer Initiative, die dort jährlich ein Fest der Freiheit feiern möchte.

von Georg Haab

Kennen Sie die Geschichte des Klagenfurter Domes und des Platzes davor? Wussten Sie, dass der heutige Dom ab dem Jahr 1581 als protestantische Kirche (die größte in Österreich!) gebaut wurde? Im Osten der Kirche wurde ein Friedhof angelegt, im Westen, wo sich heute der Domplatz befindet, ein Bürgerspital. 1600 wurde das Bethaus im Zuge der Gegenreformation von Erzherzog Ferdinand geschlossen und 1604 an die Jesuiten übergeben, die das Spital weiter östlich verlegten und das Gebäude westlich der Kirche für Orden und Schule nutzten. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 wurde das Ordenshaus bis 1960 als Kaserne genutzt („Jesuitenkaserne“).

Die Kirche selbst, die bis dahin nur Filiale von St. Egid war, wurde 1884 zur Pfarrkirche erhoben. Als Diözesanbischof Franz Xaver von Salm 1787 seine Residenz von Straßburg nach Klagenfurt verlegte, erhob er die Kirche zum Dom der Gurker Bischöfe. Der Zugang erfolgte durch den Nordeingang von der Lidmanskygasse her.

Abbild der Kärntner Geschichte

Immer wieder von Kriegen in Mitleidenschaft gezogen, erhielten Dom und Kaserne im ZweitenWeltkrieg mehrere Bombentreffer. Die Kaserne wurde schließlich 1964 abgetragen, an ihre Stelle trat der (im Besitz der Stadt befindliche) Domplatz. Aber immer noch wäre die Geschichte nicht vollständig, würde man verschweigen, dass nach der Befreiung vom Nationalsozialismus die Kärntner Slowenen, die 1943 ausgesiedelt worden waren, von der englischen Besatzungsmacht zunächst in eben dieser „Jesuitenkaserne“ interniert wurden, bevor ihnen ihre Höfe und Anwesen zurückgegeben wurden.

Die Geschichte vervollständigen

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie sehr die Gedenktafel an der Nordwestecke des Domplatzes (s. Foto), die auf die Verbrechen der Partisanen hinweist, die Geschichte verkürzt und verfälscht.
Unter dem Motto „Svobodni! Befreit! Ein Fest dem Widerstand/Praznujmo upor“ lud deshalb am 9. Juli 2021 die Initiative „Koroška/Kärnten gemeinsam erinnern/skupno ohranimo spomin“ des Vereins Memorial Kärnten/Koroška auf den Domplatz.

Als katholische Kirche wollen wir uns mit allen Menschen guten Willens gemeinsam gegen das Vergessen aussprechen, damit sich die Verbrechen der Vergangenheit nicht wiederholen.

Mit einer ökumenischen Andacht eröffneten Diözesanbischof Josef Marketz und Superintendent Manfred Sauer die Gedenkfeier. Marketz hob die Gefahr einseitigen Gedenkens hervor. Wo seien alle anderen vom Krieg Betroffenen – die Familien, die zivilen Opfer, die Ausgesiedelten und Vertriebenen? Die, die Widerstand leisteten zur Überwindung der Unrechtsherrschaft? „Als katholische Kirche wollen wir uns mit allen Menschen guten Willens gemeinsam gegen das Vergessen aussprechen, damit sich die Verbrechen der Vergangenheit nicht wiederholen.“ Aus dem Vertrauen, dass Gott in Tagen der Bedrängnis den Menschen nicht alleine lässt und zur Freiheit führen wird, erwachse die Kraft für den Einsatz für ein Leben in Würde – gestern und heute.
Gemeinsam mit Superintendent Sauer wies Bischof Marketz darauf hin, dass Glaube nicht automatisch zu Widerstand befähige, vielen aber dennoch die Kraftquelle dazu gewesen sei.

Gemeinsam in die Zukunft

Elisabeth Klatzer, eine der Initiatorinnen des Gedenkens, zur Motivation ihrer Initiative: „Die Zeit ist reif, die ganze Geschichte von Kärnten zu erzählen.“ Das Fest, das ursprünglich im Mai am Jahrestag der Befreiung vom Naziregime geplant war und coronabedingt verschoben wurde, möchte viele Menschen vereinigen im Anliegen einer umfassenden Erinnerung. Das weise den „Weg in eine lebendige und friedliche, gemeinsame und gerechte Zukunft.“ Mitinitiatorin Nadja Danglmaier ergänzt, das jährlich stattfindende Fest solle den Domplatz zu einem Ort des Erinnerns und der Begegnung machen. Dieser erweiterte Blick auf die Geschichte mache „Mut, gegen Ungerechtigkeit und für Benachteiligte in der Gegenwart einzustehen und dazu beizutragen, Ausgrenzung frühzeitig zu erkennen und aktiv dagegen zu wirken.“ Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin Elena Messner erinnerte daran, dass erst durch eine solche Neuerung Klagenfurt zu einer weltoffenen und innovativen Stadt werde.

Die Broschüre: Das Büchlein „Domplatz Klagenfurt – Erinnern und Begegnen“, das rund um die Recherchen der Historikerin Brigitte Entner entstand, ist bei der Initiative Memorial Kärnten/Koroška erhältlich:
www.memorial.at

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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