„Neustart“ – Teil 2 von 7
„Wie neu beginnen geht“ – Besser gemeinsam einsam

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In der Fastenzeit teilt uns Barbara Pachl-Eberhart Woche für Woche bis Ostern ihre Gedanken zum Thema „Neustart – Wie neu beginnen geht“ mit.

„Noch einmal einschlafen dürfen!“ Ich weiß noch, wie wir seufzten, als dieser Satz fiel. Sonntags, wir saßen beim Frühstück: die Seminargruppe, die ich seit Freitag begleitete, und ich. Das Tischgespräch drehte sich um Wohlfühlsätze. Begonnen hatte es mit „Ich hol mir noch was“ – wir lachten und machten es auch. Dann sammelten wir: „Du schaust super aus“, „Muss ja nicht sein“ und „Noch Schokolade?“ Der Satz danach schoss den Vogel ab: „Noch einmal einschlafen dürfen!“ Hach, wir schwelgten in Träumen und Daunengefühl.

Wir gemeinsam.
Vor Kurzem ist mir wieder so ein Lieblingssatz untergekommen. Als er mir auffiel, brauchte er nicht einmal Anführungszeichen, sondern nur erhobene Hände. „Wer ist noch müde?“ fragte jemand. Sieben Menschen zeigten auf, eine von ihnen war ich. Ich auch und du auch. Dieses Wissen tut so gut! Es lässt uns lächeln und lachen, es wärmt den Bauch, weicht den Nacken, macht aus Fremden schnell Freunde und sagt uns: Wir sind doch nicht allein mit Gefühlen und Plänen und Träumen und Schmerz. Der Schatz-Satz „Ich auch“ hat liebe Geschwister. Zum Beispiel: „Ich bin dabei“. „Hey, kann ich mitmachen?“ Oder: „Ja, mir geht’s genauso.“ Ich liebe sie alle.

Auch neu. Hätte ich einen Wunsch an die gute Fee, nur einen, so wäre es dieser: Stell mir immer, wenn ich etwas Neues beginne, jemanden an die Seite, der – ganz zufällig – auch neu beginnt. „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind …“, das habe ich als Kind in der Kindermesse gesungen. Steht dieses Lied eigentlich auch im Gotteslob? Für mich ist es bis heute ein Ohrwurm. Oder besser: ein Seelenwurm. Ein Text, ein Gedanke, der mich ständig begleitet. Zwei oder drei im gemeinsamen Geist – und alles ist gut.

Gleichgesinnt.
Als Leiterin von Seminaren darf ich das Glück oft bezeugen, das sich einstellt, wenn Gleichgesinnte zusammenkommen. Die Schubkraft des „Ich auch“ ist enorm. Selbstzweifel, Ausreden, Abers sausen durchs Fenster, sobald wir zum ersten Mal lüften. Stattdessen weht Freude herein. Es folgt das Gefühl, dass fast alles möglich ist – und die Lust, es gleich zu probieren.

Gute Fee.
Bei mir ist die gute Fee gerade kräftig am Werk. Während Sie diesen Text lesen, stehe ich wahrscheinlich gerade in meinem neuen Garten, und das nicht allein. Rechts neben mir, links neben mir werkeln Nachbarn mit Harke und Schaufel. Wir alle sind letzten Herbst in dieses Haus eingezogen, haben noch ein, zwei Kaffees im Freien genossen und dann schnell den Rasen gemäht, ehe der Frost den Garten besetzte. Jetzt geht es endlich ans wirkliche Garteln. „Du auch?“ „Ja, ich auch“, das sagen wir nicht, das sehen wir. Es ist herrlich, gemeinsam zu sein. Zum Beispiel, wenn man Neues beginnt.

Ganz allein.
Und es ist nicht selbstverständlich. Beim ganz großen Neu meines Lebens, 2008, hatte ich leider kein „Ich auch“ neben mir. Da war ich allein mit dem Anfang, der erst einmal „Ende“ hieß. Tod. Damals war das Gefühl, ganz allein zu sein, dominant. Nicht in allen Bereichen, natürlich. Viele Freunde kümmerten sich um mich, hörten mir zu und brachten mir Essen. Aber keiner von ihnen konnte mir geben, wonach ich mich sehnte: das Gefühl, dass jemand von innen versteht, was ich fühle. Die Worte „Ich auch“. Ich hätte so gerne solche wie mich gefunden. Ich sah mich damals nach Selbsthilfegruppen um, aber die passten mir nicht, weil ich überall meinte: Die sind ja doch nicht wie ich. In der Gruppe für Witwen würde es, ich sah es vor mir, sicher auch um lebende Kinder gehen. In der Gruppe für verwaiste Eltern bestimmt um Themen wie Ehe und Geschwistertrauer. Vor all dem hatte ich Angst, es betraf mich ja – leider! – nicht mehr und hätte meine Einsamkeit nur noch verstärkt.

Nicht um jeden Preis.
Ein Denkfehler? Nein, ich glaube bis heute, dass ich damals in beiden Arten von Gruppen gelitten hätte. Und, ehrlich gesagt: Vielleicht hätte ich sogar in einer Gruppe gelitten, die genau aus solchen wie mir bestanden hätte. Vielleicht hätte ich auch bei ihnen befunden: Ganz genau gleich sind wir ja doch nicht. Hier meine These: „Ich auch“ – das beflügelt, wenn wir Neues probieren und Rückenwind brauchen. Es wärmt, wenn wir müde sind, kraftlos und schlapp. Bei langen Prozessen, wie etwa der Trauer oder der großen Veränderung, tut es punktuell gut. Aber: Es trägt nicht allein, nicht für immer. Denn manche Etappen längerer Wege unterscheiden sich eben doch von denen unserer Nachbarn. Wir müssen sie allein bestreiten – oder in der Begleitung von Menschen, die da, wo die Nachbarn es anders sehen und anders fühlen, „Ich auch“ sagen können.

Erfüllt.
Gute Fee, hörst du mit? Nimm deinen Stift und notiere. Ich präzisiere meinen Wunsch. Ich wünsche mir für meine neuen Beginne: liebe Begleiter, die kommen und gehen. Die immer wieder, wenn sie es spüren, „Mir geht’s genauso“ sagen. „Ich auch.“ Ja: Ich wünsche mir auch für mich selbst, dass ich alle Momente erkenne und nütze, in denen ich diese Worte zu jemandem sagen kann. Liebe Fee, schaffen wir das? Wie? Was sagst du? Man nennt das: Bekannte und Freunde. Empathie. Und Zufall. Und Leben. Okay, gute Fee, ich hab dich verstanden. Du hast mir meinen Wunsch – nicht nur den ersten, sondern auch diesen – schon lange erfüllt. Sogar damals, 2008? Wenn ich ehrlich bin: Ja.

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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