Gedanken zum Evangelium: Taufe des Herrn
Wir sind "Königskinder"
Vor zwei Jahren hatte ich einige Monate lang eine Sabbatzeit. Ich habe sie in Israel und Palästina verbracht. Eine Erinnerung: Ich stehe am Jordan, an der Taufstelle. Heute ist der Fluss nur noch ein kleines Rinnsal. Und doch ist die Stelle eindrucksvoll. Geografisch liegt sie an einer tektonischen Bruchstelle, zwischen zwei Kontinentalplatten, und an einem der tiefsten Punkte der Erde. – Ob das wohl Zufall ist?
Wozu braucht Jesus eine Taufe?“ habe ich mich früher oft gefragt, wenn dann die Weihnachtszeit endgültig dem Ende zuging und dieses Fest heute gerade noch so ein letztes festliches Aufflackern ist.
Wozu geht Jesus da in die Wüste und in diesen Graben hinunter? Wozu dieses archaische Bild vom offenen Himmel und von der Stimme, die da wie in einem großen Schauspiel ertönt?
Im heutigen Evangelium von der Taufe Jesu geht es tief hinein und hoch hinaus. Das Wort „Taufe“ hat im Deutschen in seinem Ursprung mit den Wörtern „tief“ und „tauchen“ zu tun. Ja, Jesus steigt hinunter in den Jordan und taucht in seiner Taufe tief in die menschliche Existenz ein. Er schaut nicht nur gleichsam von der Zuschauerbank aus dieser Welt zu, sondern er geht ganz in das Leben hinein und macht sich nass mit unserer menschlichen Wirklichkeit.
Als Jesus dann aus dem Wasser steigt, geht in dieser Szene der Himmel auf. Der offene Himmel ist ein Ursymbol der Sehnsucht der Menschen, dass Gott sich zeigen und zugänglich machen möge. Haben wir doch erst vor Kurzem, im Advent, aus dem Buch Jesaja gehört: „Reiß doch den Himmel auf und komm herab.“
Danach kommt aus diesem offenen Himmel der Geist Gottes, aber nicht in Gestalt eines furchterregenden Raubvogels, sondern als unscheinbare Taube, als Inbegriff des Friedens. Und schließlich – als ob alles Vorherige nur darauf gewartet hätte – kommt die offizielle Formel, die Inthronisation Jesu, denn von der Inthronisierungsformel der Könige ist sie genommen: „Du bist mein geliebter Sohn.“
Exegeten sagen, dass es auch für Jesus selber ein ganz entscheidender Moment war, dass auch er in diesem Taufereignis seinen Auftrag im Namen Gottes für die Menschen erst voll und ganz erkannt hat.
Dieser Tag lädt mich ein, mich an meine eigene Taufe zu erinnern. Oder – falls das nicht mehr im Bereich meiner Erinnerung liegt – so möchte ich zumindest innewerden, dass auch ich ein getaufter Mensch bin. Wie Jesus bin ich ausgespannt zwischen der Wirklichkeit „tief unten“ und dem offenen Himmel „hoch oben“. Und wie Jesus wurde auch mir – wie einem Königskind – zugesagt: „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter.“
Und noch etwas wurde mir in der Taufe zugesagt: Ich bin nicht nur ein Königskind, sondern ich bin auch gerufen, berufen, im Namen Gottes ein König oder eine Königin, ein Priester oder eine Priesterin und ein Prophet oder eine Prophetin zu sein.
Das lässt mich immer wieder staunen, und das gilt auch heute noch, ohne Wenn und Aber.
Evangelium und Kommentar als PDFAutor:Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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