Gedanken zum Evangelium: 14. Sonntag im Jahreskreis
Wir sind im Bilde
Ein Priester sagte einmal zu mir: „Ich predige lieber in den Pfarrgemeinden als in meiner Gemeinschaft im Kloster. Denn im Kloster haben mich meine Mitbrüder schon irgendwie eingeordnet, sie glauben zu wissen, was ich sagen werde und haben sich auf eine Schlafposition eingestellt.“
Auch ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich Menschen in meiner Umgebung einordne: „Der ist mir nicht sympathisch, mit dem konnte ich noch nie etwas so richtig anfangen und der hat noch nie etwas Gescheites gesagt.“
Das Problem dabei ist, dass ich glaube genau zu wissen, wer die Person ist, mit wem ich es zu tun habe und ich mir dann denke: „Da brauche ich jetzt gar nicht mehr hinhören, weil ich schon weiß, was kommen wird.“ Aber was ist, wenn sich die Person nicht so verhält, wenn sie etwas sagt oder tut, was ich ihr nicht zugetraut habe, wenn sie aus dem Klischee ausbricht, in das ich sie hineingesteckt habe?
Das heutige Evangelium berichtet von einem ähnlichen Verhalten der Bewohner von Nazareth, die Jesus nach einer längeren Zeit wieder zu Hause antreffen, und ihre Reaktionen sind dementsprechend: „Den kennen wir doch und seine Familie auch, ist er nicht der Zimmermann! Was will er und wovon spricht er?“
In seinem Heimatort, wo er aufwuchs, hatte man von früher ein bestimmtes Bild von Jesus. Da waren die Plätze, wo er mit anderen Kindern spielte, die Synagoge, wo er den Talmud studierte und die Werkstätte, wo er arbeitete. Nun steht Jesus in der Synagoge und spricht zu seinen Landsleuten, er spricht in einer ganz anderen Weise von der Gottesherrschaft, und er wirkt vollkommen anders auf sie. Sie haben schon einiges von seinen Wundertaten gehört, aber die Autorität, die jetzt von ihm ausgeht, ist für die Zuhörer ungewöhnlich, und sie passt nicht für sie.
Trotz der Weisheit, die von ihm aus geht, stößt dieser andere Jesus, der früher Zimmermann war, der jetzt heimgekommen ist, auf Ablehnung.
An Jesus scheiden sich die Geister, und so konnte er nicht viel tun, man kann sagen, Nazaret hat die Chance verpasst. Jesus ist nicht der Wundermann, der zuständig ist, unsere Wünsche und Vorstellungen zu erfüllen, sondern er ist gekommen uns zu zeigen, wie wir unser Leben nach den Plänen Gottes ausrichten sollen.
Wir sollten in unserem Inneren nicht ein Ort der Ablehnung werden, sondern ein Ort der Anerkennung und Sorge für Menschen, die am Rande stehen, wo Gutes geschieht und Frieden gestiftet wird. So entstehen Orte der Verkündigung, und zwar in einer Sprache, die jeder verstehen kann.
Evangeliumskommentar als PDFAutor:Günter Mayer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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