Gedanken zum Evangelium vom 27. SONNTAG im Jahreskreis
Von Jesus berührt

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In meiner Volksschulzeit hatten wir ein Schul-Lesebuch mit dem Titel „Das Haus Marillengasse 4“, ein Buch, voll mit alltäglichen Begebenheiten einer ganz normalen Familie. Und an eine Erzählung erinnere ich mich bis heute:  Der kleine Sohn hört dem Vater in unterschiedlichen Gesprächen zu und sagt danach (sinngemäß): „Papa, mit jedem redest du anders.“

Das fiel mir zum heutigen Evangelium ein. Denn auch Jesus spricht in der kurzen Perikope mit jeder der drei Gruppen, die mit ihm in Kontakt sind, anders.

Da sind einmal die Pharisäer, die Frömmigkeits-Elite. Ihnen geht es darum, Jesus mittels einer Gesetzesvorschrift bloßzustellen, ihn in seiner theologischen Kompetenz zu blamieren. Sie stellen ihm eine Fangfrage. Denn in der Frage der Ehescheidung gibt es in den fünf Büchern Mose zwei unterschiedliche Antworten. Verneint Jesus die Frage, stellt er sich gegen Mose Anordnung in Dtn 24,1–4, wo Ehescheidung erlaubt ist. Bejaht er sie, stellt er sich gegen die Schöpfungsordnung von Gen 1–2. Entsprechend harsch reagiert Jesus. Er schlägt die Pharisäer mit ihren eigenen Waffen, vereint die beiden Bibelstellen, ohne sie gegeneinander auszuspielen, und stellt seinerseits den spitzfindigen Umgang der Pharisäer mit den Gesetzen bloß.

Den Jüngern geht es darum, die Gesetzesvorschrift noch besser zu verstehen, vielleicht, um sie in der Praxis gut anwenden zu können. Mit ihnen spricht Jesus ganz anders. Er antwortet auf ihre Fragen, er belehrt sie und nennt ihnen die Details, die sie wissen möchten.

Die Kinder schließlich, die zu ihm gebracht werden, interessieren sich nicht für Gesetze und Vorschriften. Sie kommen, um von Jesus berührt zu werden. Für mich liegt hier die Pointe der Erzählung. Zu ihnen bzw. über sie spricht Jesus am liebevollsten. Ihnen, und nur ihnen, sagt er das Reich Gottes zu.

Das macht mich nachdenklich: Meint das nicht so viel wie: „Verstrickt euch nicht in Gesetzesvorschriften und -widersprüche. Wendet das Gesetz nicht als Waffe an. Auch die Details, wie welches Gesetz genau umgesetzt werden soll, sind nicht so wichtig. Kommt einfach zu mir, lasst euch von mir berühren, tretet in Beziehung mit mir. Dann versteht ihr, worum es geht. Dann erlebt ihr das Reich Gottes.“

Wie der Vater in der „Marillengasse 4" redet Jesus mit jedem anders. Und ich wünsche mir, er würde auf diese letztgenannte Art mit mir sprechen.

Autor:

Elisabeth Birnbaum aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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