Gedanken zum Evangelium: 3. Adventsonntag
Vom Wert des Fragens
Manchmal erlebe ich im Bekannten- oder Verwandtenkreis Kinder, die ihrem Gegenüber „Löcher in den Bauch“ fragen. Oder wenn die Mama oder der Opa von einem solchen Kind erzählen, dann sind sie stolz und gerührt, dass der oder die Kleine so interessiert, so wach, so wissbegierig ins Leben geht. Und sie erleben, dass es bei solchen Gesprächen nicht um den Informationswert für die Kinder geht, sondern dass sie auch selber reich beschenkt sind und Neues entdecken.
Das heutige Evangelium führt uns – wie es sich für ein Adventevangelium "gehört" – zu Johannes dem Täufer. Johannes wird als Verwandter und Vorläufer Jesu geschildert. Ihre Mütter – Maria und Elisabeth – haben einander getroffen, als sie schwanger waren; jede der beiden Frauen mit einem unerwarteten Kind. Die eine Frau war nach menschlichem Ermessen zu alt, die andere war zu jung.
Johannes wird dann zu einem ungewöhnlichen "Kerl", der in die Wüste geht, der dort ein eigenwilliges Leben führt, der predigt, der Menschen manches Mal sogar beschimpft, der sie auf jeden Fall animiert, auch ihr eigenes Leben zu überdenken und zu verändern. So eigenwillig, ein bisschen wild und zottelig wird er in der Kunst auch gerne dargestellt.
Interessanterweise wird in allen Evangelien geschildert, dass Menschen zu Johannes hinaus in die Wüste, in seine raue Umgebung kommen – in einer Mischung von Bewunderung und Staunen über das, was er so tut und was er zur Sprache bringt. Einige schließen sich ihm an, lassen sich von ihm taufen und bleiben bei ihm. Viele werden wahrscheinlich ein wenig den Kopf geschüttelt haben. Aber gekommen sind sie doch.
Was mich an diesem Evangelium so beeindruckt, sind nicht nur Johannes, seine Botschaft und sein Warten auf den, der nach ihm kommt, sondern das sind auch die Fragen der Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, die ihre Fragen in Varianten und fast penetrant wiederholen: Wer bist du? Was bist du? Was sollen wir über dich sagen? Was sagst du über dich selbst? Usw.
Ob die Besucher die Antworten verstanden haben, die aus Jesaja- Zitaten und aus Andeutungen auf den Messias hin bestehen, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass sie gefragt haben! Und sie haben nicht aufgehört zu fragen.
Fragen heißt: sich hinwenden und interessiert sein, heißt unfertig sein und noch nicht schon alles selber erkannt haben, dranbleiben und geduldig sein. Nicht nur bei sich bleiben und nicht alle Antworten gleich selber geben.
Fragen heißt: offen, sehnsüchtig und lebendig sein.
Mir kommt das Gedicht von Rainer Maria Rilke in den Sinn:
"Man muss Geduld haben mit dem Ungelösten im Herzen und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben … Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein."
Impulse
Inspiriert vom Evangelium
- Wer ist für mich "Johannes" – eine Person, ein Thema, Umstände, die mich anziehen und mich neugierig und lebendig nach dem Wesentlichen fragen lassen?
- Was sind aktuell meine Fragen? Wie lebe und erlebe ich sie?
- Gibt es Fragen, die mich vielleicht schon ein Leben lang begleiten?
- Was lerne ich von diesen „treuen Begleitern“?
Autor:Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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