Gedanken zum Evangelium: 15. Sonntag im Jahreskreis
Urlaub
Ich gehe demnächst auf Urlaub. Ich will ein paar Wochen loslassen, meine Freiheit genießen und den Stress hinter mir lassen. Ich packe also meine Koffer, decke mich mit Proviant für die Reise ein, begebe mich an einen anderen Ort, miete mich bei fremden Leuten ein, tu mir Gutes und mache natürlich einige Fotos, damit ich mir die Urlaubserinnerung mit nach Hause nehmen kann.
Ich mache also genau das Gegenteil von dem, was die Zwölf machen sollen.Die Zwölf dürfen sich kein Gepäck mitnehmen. Nicht einmal ein bisschen Reiseproviant. Sie dürfen sich nicht für Geld ein Zimmer sichern oder Essen kaufen, sie haben gar kein Geld mit. Und es kann durchaus sein, dass sie überhaupt kein Zimmer bekommen und niemand sie zum Essen einlädt. Sie sind nicht losgezogen, um sich selbst etwas Gutes zu tun, sondern um andere zu heilen und von bösen Geistern zu befreien. Und von dort mitnehmen dürfen sie schon gar nichts.
Kein Wunder, denken Sie jetzt wahrscheinlich: Die Jünger sollen ja die frohe Botschaft verkünden. Mission ist eben kein Urlaub.Oder doch?
Vielleicht ist ja das, was die Jünger tun sollen, der viel bessere Urlaub? Mir fallen zumindest ein paar Aspekte darin auf, die sehr an gängige Lebensweisheiten zu Erholung und innerer Ruhe erinnern: Der erste lautet „loslassen“. Die Jünger lassen sich los und tun das, wozu Jesus sie ermächtigt hat, was er ihnen zutraut und was sie zuvor nicht glaubten zu können. So werden sie fähig, anderen Menschen Gutes zu tun.
Der zweite Aspekt lautet: „Ballast abwerfen und frei werden.“ Die Jünger handeln frei nach Laotses Diktum: „Wenn ich loslasse, was ich habe, bekomme ich, was ich brauche.“ Sie reisen unbelastet von jedem Gepäck, von jedem Hab und Gut und von jeder Schein-Sicherheit. Sie lassen alles Materielle los und sind frei von jedem Ballast. Sie bleiben nur dort, wo sie erwünscht sind. Und siehe da: Sie entbehren nichts.
Und der dritte Aspekt lautet: „Negatives hinter sich lassen.“ Die Jünger machen sich unabhängig von der Anerkennung anderer. Wenn ihre Botschaft auf taube Ohren stößt, gehen sie einfach. Sie schütteln Enttäuschung, Ärger oder Frustration ab und verschwinden. Spurlos. Ohne, dass auch nur ein Körnchen Groll an ihnen haften bleibt.
Loslassen. Ballast abwerfen. Frei sein. Anderen guttun. Bleiben, wo man erwünscht ist. Und gehen, wenn man nicht erwünscht ist. Ohne Groll. Klingt das nicht wie Urlaub?
Ich glaube, ich packe meine Koffer wieder aus …
Evangelium und Kommentar als PDFAutor:Elisabeth Birnbaum aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.