Gedanken zum Evangelium: 26. Sonntag im Jahreskreis
„Dunkel war’s, der Mond schien helle …“
Matthäus 21, 28–32
... Schnee bedeckt die grüne Flur, als ein Auto blitzeschnelle, langsam um die runde Ecke fuhr.“ So beginnt das berühmte Gedicht „Verkehrte Welt“ von Christian Morgenstern (1871-1914). Man könnte in diesem Sinne weiterdichten und sagen: „Gar ferne sind, die nahe stehn, die Braven von der schlimmsten Sort’. Beim Abschaum, da ist klar zu sehn: Der Rand hat in der Mitt’ sein’ Ort.“
Dass Gott den Rand in die Mitte holt, ist typisch für ihn. Es genügt, nur einige Beispiele nebeneinander zu stellen:
- Was hat Gott an dem halbnomadischen Volk Israel gefunden, dass es bei ihm so groß herauskommt – sprich: dass er es als sein Volk erwählt?
- Warum wird ausgerechnet David, der Jüngste in der Brüderreihe, von Samuel zum König gesalbt?
- Was ist dran an Betlehem, dass dort – und nicht in Jerusalem oder Rom – der Messias geboren wird? Und als Erste kommen Hirten zur Krippe, nicht die religiöse Elite!
- Naja, und die Apostel? Auch nicht nur Leuchten: Verräter, Verleugner, Feiglinge (nur einer war unter dem Kreuz), Begriffsstutzige, … alles dabei! Organisationsberater hätten Jesus wohl dringend abgeraten, diese Leute zu nehmen. Er hat sie aber genommen!
Und im heutigen Evangelium geht es weiter: Jesus lobt Zöllner und Dirnen und stellt sie den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes gegenüber. Dass die not amused waren, ist klar. Aber diese Geächteten haben etwas zustande gebracht, was die religiösen Profis nicht geschafft haben: Sie haben sich von Johannes dem Täufer aufrütteln lassen und „ihm geglaubt“.
Oder – um es mit den Worten, die Jesus vorher gebraucht – zu sagen: Zöllner und Dirnen haben zwar zunächst im Leben „Nein“ gesagt, aber dann doch das Gute getan, während die Hohenpriester und Ältesten immer wieder „Ja, ja“ sagen, aber dann doch nicht tun, was sie sollten. Die Heuchelei ist es also, die Jesus ein Dorn im Auge ist.
Auf ein Detail sei noch hingewiesen: Der Mann zwingt den ersten Sohn nach dessen klarer Absage nicht, in den Weinberg zu gehen. Ein feiner Zug von ihm! So ist es möglich, dass das „Doch-Tun“ des Sohnes wirklich ein freiwilliges ist und Frucht einer Umkehr.
Für uns zwei, die wir in der Priesterausbildung stehen – der eine als Student, der andere als Vorsteher –, geht es darum, Entscheidungen für das Leben zu treffen bzw. den Entscheidungsfindungsprozess zu begleiten, sodass am Ende das Ja ein Ja und das Nein ein Nein ist (vgl. Matthäus 5,37). Um in dieser Weise leben zu können, möge geschehen, was in einem Hymnus im Stundenbuch so ausgedrückt wird: „In Freude werde uns zuteil des Geistes klare Trunkenheit.“
Impuls
Inspiriert vom Evangelium
- Mit welchem Sohn kann ich mich eher identifizieren?
- Wie reagiere ich, wenn mir jemand den Spiegel vorhält?
- Kann ich an anderen die „nicht mein Fall sind“, Gutes sehen?
Autor:Markus Muth aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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