Gedanken zum Evangelium: 3. Sonntag im Jahreskreis
Alles liegen und stehen lassen
Matthäus 4,12-23
Jesus geht am See von Galiläa spazieren, sieht einige Fischer bei der Arbeit und ruft ihnen zu: „Kommt her, folgt mir nach!“ Da lassen sie alles liegen und stehen, um ihm zu folgen. Einfach so. Ohne Zögern. Ohne Rückfrage. Ohne sich zu verabschieden. Wissen die Jünger überhaupt, worauf sie sich einlassen? Verlangt Jesus das auch von mir – und kann ich das überhaupt?
Die Berufungsgeschichten in den Evangelien haben mich immer irritiert. Das Schema ist meist dasselbe: Jesus ruft Menschen in seine Nachfolge – und sie lassen einfach alles fallen, um ihm nachzufolgen. Da gibt es zwar auch jenen Mann, der zuerst noch heimgehen will, um seinen Vater zu begraben, doch ihm wird gesagt: „Lass die Toten ihre Toten begraben.“ (Mt 8,22) Wer in Jesus das neue Leben gefunden hat, braucht sich offenbar nicht einmal mehr um die Toten zu kümmern. Wer von Jesus gerufen ist, ist herausgehoben aus allem, was bisher wichtig zu sein schien. Auch die Arbeit der Fischer an ihren Netzen verliert von einer Sekunde auf die andere ihre Bedeutung, als Jesus vorbeigeht und sie ruft.
Möglicherweise liegt meine Irritation darin begründet, dass ich selbst nicht der Typ bin, der einfach alles liegen und stehen lassen kann. Nicht einmal, wenn unsere Glocke zum Chorgebet ruft, gelingt mir das leicht. Ich hätte meine Arbeit gerne fertig, bevor ich zum Gebet gehe. Als Jesus mich in seine Nachfolge rief, da hatte ich Angst und Bedenken. Ich habe gezögert. Ich war nicht wie die Fischer am See von Galiläa, sondern wie der Prophet Jeremia im Alten Testament, der zuerst seine vielen Bedenken äußert (vgl. Jer 1,6), bevor er dann doch seine Berufung annehmen kann. Wie er, so hatte auch ich viele Fragen und brauchte einige Zeit, um diese mit Gott zu klären.
Getröstet hat mich immer, dass Jesus an einer anderen Stelle sagt: „Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen?“ (Lk 14,28) Ich bin eben eine von denen, die zuerst planen und rechnen müssen, bevor sie sich wirklich einlassen können. Dann aber ganz und gar! Die Berufungsgeschichten wollen uns allen – vielleicht besonders Menschen wie mir – in Erinnerung rufen, dass die Nachfolge Jesu mit einem radikalen Anspruch verbunden ist. Nichts kann wichtiger sein als Jesus selbst und unsere Beziehung mit ihm. Wenn ER uns ruft, heißt es: Jetzt oder nie, ganz oder gar nicht! Doch er gibt uns dann auch die Zeit, die wir brauchen.
Autor:Franziska Madl aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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