Anderssprachige Gemeinden der Erzdiözese Wien - Teil 5
Vertraute Heimat in der Fremde

Seelsorger Zygmunt Waz mit Mitgliedern der polnischen katholischen Gemeinde am Rennweg. | Foto: Christopher Erben
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  • Seelsorger Zygmunt Waz mit Mitgliedern der polnischen katholischen Gemeinde am Rennweg.
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Der SONNTAG zeigt in den kommenden Wochen die Buntheit und Vielfalt der sogenannten anderssprachigen Gemeinden in unserer Erzdiözese. Die polnische Gemeinde ist eine der aktivsten der Stadt. Tausende Menschen kommen sonntags zum Rennweg. Allen gemeinsam ist ihr starker Glauben. Nicht nur dieser verbindet sie mit ihrer alten Heimat. Ein Lokalaugenschein.

Es ist kurz vor 9 Uhr. Kirchenglocken läuten. Vor der Gardekirche am Rennweg wartet eine kleine Menschenmenge und trotzt den eisigen Temperaturen des ersten Adventsonntags. Der Verkehr braust an ihnen vorbei. Orgelmusik klingt plötzlich nach draußen – der Gottesdienst beginnt. Zelebriert wird sie von Pater Zygmunt Waz, dem Rektor der polnischen katholischen Gemeinde in Wien.

Mitten im Dritten

Gegenüber dem Unteren Belvedere und unweit des Schwarzenbergplatzes liegt die Gardekirche. Sie ist Sitz der polnischen Gemeinde in Wien. Eine kleine rot-weiße Flagge flattert fröhlich im Wind. Rechts neben dem Kirchenportal steht auf einem Sockel eine Statue von Papst Johannes Paul II. Diese erinnert an seine drei Besuche, die ihn nach Österreich führten. Auch im Inneren der Kirche darf er nicht fehlen. Ernst schaut er von einem gemalten Bild auf seine Landsleute, die hierher kommen, um zu beten. Nicht nur er – auch die Schwarze Madonna von Tschenstochau hat in der Kirche einen Platz. An sie erinnert ein Bildnis. Im Jahr 1897 wurde die Kirche dem Konvent der polnischen Resurrekionisten übergeben; seither werden hier Messen in polnischer Sprache gefeiert. Zehn sind es allein an einem Sonntag, erzählt Pater Zygmunt Waz. Der 69-Jährige kommt aus dem niederschlesischen Breslau (Wrocław). Seit dem Jahr 2001 wirkt er in Österreich. Im Inneren sind schon fast alle Bankreihen besetzt; doch aus den beiden Nebeneingängen strömen weiterhin Kinder, Jugendliche und Erwachsene hinein. Auf einem Flatscreen, der oberhalb des Altarraums hängt, werden immer die aktuellen Liedtexte der Messe eingeblendet. Auf Polnisch selbstverständlich.

Eine Oase für die Jungen

„Für viele Polen spielt der Glaube nach wie vor eine wichtige Rolle in ihrem Leben“, sagt Karin Golab im Gespräch mit dem SONNTAG. „Auch hier in Österreich.“ Erst seit wenigen Monaten leitet die Jugendliche die Licht-Leben-Bewegung („Luce e vita“), die in Polen ihren Ursprung nahm. Geschätzte 100.000 Mitglieder gehören ihr heute dort an. Aber nicht nur in Polen – auch in anderen europäischen Ländern wie etwa Österreich ist sie vertreten. Kinder, Jugendliche und junge Ehepaare spricht sie an. Alle zwei Wochen treffen sie sich in der so genannten „Oaza“, der Licht-Leben-Niederlassung der Gemeinde in Wien. Hier beten sie miteinander; tanken in der Gemeinschaft Kraft; unternehmen auch Ausflüge – auch ins Ausland. Karin Golab strahlt: „Ich bin schon seit über 12 Jahren dabei.“

Viele Stimmen – ein Gesang

Derzeit gibt es am Rennweg über 50 Ministranten. Pater Zygmunt Waz plagen daher keine Nachwuchssorgen wie in anderen Pfarren. „Jedes Jahr bereiten wir im Schnitt 55 Jugendliche auf die Firmung und 50 Kinder auf die Erstkommunion vor.“ Auch verschiedene Chöre sind in den Messen sowie auch außerhalb zu hören. Wieslaw Lipinski leitet als Obmann den Chor „Gaudete“ der polnischen Gemeinde in Wien, der schon seit über 38 Jahren besteht. Zwei Mal in der Woche wird geprobt. Nicht nur in der Messe singt der Chor. Vor vier Jahren trat er sogar im Wiener Konzerthaus auf, erzählt Wieslaw Lipinski begeistert. „Das war ein großer Erfolg.“ Tourneen führen den Chor auch ins Ausland. Darüber hinaus besteht auch ein eigener Kinder-Chor.
All diese verschiedenen Gruppen und Aktivitäten schweißen die polnische Gemeinde zusammen. Auch tragen sie zur Vielfalt und Lebendigkeit bei, ist Seelsorger Zygmunt Waz überzeugt. Einmal im Jahr verbringen die Jugendlichen aus der Pfarre zwei Wochen in Polen. Über 64 waren heuer bei den Exerzitien dabei.

Ferne Heimat ganz nah

„Heiliges Brot“ heißen die rechteckigen Oblaten, die in dem kleinen Geschäft im Gemeindezentrum Emaus hinter der Kirche angeboten werden. Verpackt sind sie zu je fünf Stück. Danuta nimmt gleich zwei davon und verstaut sie vorsichtig in ihrer Tasche, damit sie darin nicht zerbrechen. Immer zu Weihnachten schenke sie jedem Familienmitglied eines, erzählt sie. In Polen sei das Tradition. Danuta führe diese nun in Österreich weiter. Nicht nur Brot – auch jede Menge Kerzen, Bücher und Devotionalien sind im Gemeindezentrum erhältlich. Karin Golub: „Am Rennweg treffen sich hier viele aus der Gemeinde nach der Messe. Sie tauschen sich im Gemeindezentrum Emaus aus.“

Feste feiern

Groß sei jedenfalls der Zusammenhalt untereinander, bestätigen weitere Gemeindemitglieder. Für Chor-Obmann Wieslaw Lipinski ist Wien in den vergangenen Jahren zur zweiten Heimat geworden. „Ja, im Moment ist sie für mich sogar die erste, weil ich hier schon so lange lebe“, schmunzelt er. Aber die Verbindung zur ersten halte er nach wie vor aufrecht. Polen sei für ihn näher an Österreich gerückt, weil es in nur wenigen Autostunden erreichbar ist. Oft leben jene, die die Messe regelmäßig mitfeiern, seit vielen Jahrzehnten in Österreich; sie sind hier schon verwurzelt, wollen aber den Anschluss an ihre Heimat sowie ihre Sprache keinesfalls verlieren. Daher sei es ihnen wichtig, ihre Muttersprache zu hören und in dieser auch zu beten, so Waz. „Wir sind keine Pfarre, sondern die Kirche für Polen.“ Viele verließen in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts ihre Heimat; ältere Gemeindemitglieder dagegen schon wesentlich früher. Pater Zygmunt Waz: „Heuer haben wir wieder die Unabhängigkeit Polens gefeiert, die das Land vor 101 Jahren erlangte.“ Dazu gab es Dankmessen am Rennweg sowie Konzerte und Lesungen.

Tausende Seelen

Über 75.000 Menschen aus Polen leben gegenwärtig in Wien, schätzt Pater Zygmunt Waz. Davon besuchen rund 15 Prozent regelmäßig die heilige Messe; allein am Rennweg feiern wöchentlich rund 2.500 Gläubige mit. Aus acht polnischsprachigen Messen können sie hier am Sonntag wählen; in der weiter entfernten Salesianerkirche werden zusätzlich zwei gefeiert. Der Ansturm sei jedes Mal ungebrochen groß, erzählt Pater Zygmunt Waz. Nicht nur hier – sondern auch in 16 Kirchen in Wien und Umgebung werden polnischsprachige Gottesdienste gefeiert. Auch diese werden angenommen. Am Rennweg gibt es sonntags auch Jugendmessen – jeweils um 12 und um 19 Uhr. Den Familiengottesdienst feiert die Gemeinde immer um halb elf.

Autor:

Christopher Erben aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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