Corona-Krise: Kirchen und Kapellen stehen offen
Stylische Leucht-Gräber
Kirchen und Kapellen stehen uns auch in „Corona-Zeiten“ offen als besondere Orte der Kraft, der Ruhe und des Gebetes. In vielen Pfarrkirchen gibt es außergewöhnliche sakrale Kunstwerke –z. B. Heilige Gräber des Jugendstils der Olmützer Manufaktur Zbitek.
Ich habe alle Pfarren und Klöster gebeten: Haltet die Kirchen offen, damit wir alle zum stillen Gebet in die Kirche, in die Kapelle kommen können“, teilte Kardinal Christoph Schönborn in seiner Ansprache zur Corona-Krise mit. Wer die Möglichkeit hat, eine Kirche aufzusuchen, ist eingeladen, das zu tun – natürlich nur, wenn dabei genug Abstand zu anderen gehalten werden kann. Manche werden ihr so vertrautes Gotteshaus in dieser Ausnahmezeit, in der wir jetzt alle stehen, vielleicht mit ganz anderen Augen betrachten, wahrnehmen und spüren.
Zeit und Stille erlauben es uns jetzt, unsere Kirchen genauer zu betrachten. In vielen Gotteshäusern unserer Erzdiözese und darüber hinaus laden sakrale Kunstwerke zum Verweilen, Beten und Staunen ein. So gibt es in einigen Kirchen noch so genannte Zbitek-Gräber für die Osterzeit, die wahrhaft glitzern und leuchten und nach der dunklen Beklommenheit des Karfreitages die Freude und das Licht der Auferstehung ankündigen.
Sakrale Kunstwerke des Jugendstils
„Die Idee, Heilige Gräber aufzustellen, entstand schon im Mittelalter und erreichte ihre Blüte in der Barockzeit. Man versuchte eine Nachbildung der Grabkapelle Jesu im Heiligen Land zu zeigen“, erläutert Ulfhild Krausl, Stadtführerin aus Drosendorf, die sich eingehend mit Zbitek-Gräbern in unseren Pfarrkirchen beschäftigt hat. Im Laufe der Geschichte wurden die Heiligen Gräber immer weiter entwickelt z. B. mit prunkvollen Altaraufbauten, die mit Blumen und – wie bei den Zbitek-Gräbern – mit leuchtendem Glas geschmückt waren.
Bei diesen von hinten beleuchteten Grabaltaren handelt sich um Sakral-Kunstwerke des Jugendstils, die die mährische Manufaktur Eduard Zbitek in Neustift bei Olmütz herstellte. „Diese Manufaktur für transparente Glasmosaike wurde 1846 gegründet und erfreute sich über die Länder der Monarchie hinaus großer Beliebtheit. Man konnte nach Katalog bestellen, die Firma lieferte in ganz Europa und sogar nach Übersee“, berichtet Ulfhild Krausl.
Auch Pfarren unserer Erzdiözese bestellten bei der Firma Zbitek, um ihren Gläubigen das Licht des erstehenden Christus auch sinnlich näher bringen zu können. Darunter waren u.a. die Pfarren Ernstbrunn, Aspersdorf bei Hollabrunn, Unterretzbach sowie Kettlasbrunn.
In Aspersdorf wurde das Heilige Grab vor wenigen Jahren wieder aufgestellt und restauriert. Vom Heiligen Grab in Kettlasbrunn weiß man, dass es um stattliche 1.000 Kronen (ca. 10.000 Euro) mit Spenden der Gläubigen 1895 erworben wurde. Es zeigt den Leichnam Jesu in einer Grabnische, über ihm ein Kreuz und zwei Engel, rechts und links stehen römische Wächter. Das ganze Ensemble leuchtet in vielen kleinen vielfarbigen Lichtpunkten.
Glassteine strahlen in warmen Farben
„Alle Gräber sind nach ähnlichem Muster gestaltet. Die Grabwand bildet eine Art Bühne. Ca. drei Millimeter starke Kartons sind auf Holzrahmen aufgezogen. In darin ausgestanzten Öffnungen wurden vielfarbige, handgeschliffene Glassteine eingesetzt und mit dünnen Drähten bzw. Doppelfäden fixiert. Die Anlage wird von hinten beleuchtet, früher mit Petroleumlampen, später elektrisch. Die im Stil der Gablonzer Glasarbeiten gefertigten Steine strahlen in warmen Farben“, schildert Ulfhild Krausl.
Besonders eindrucksvoll – und auf Initiative von Ulfhild Krausl restauriert – zeigt sich heute das Heilige Grab von Drosendorf (Diözese St. Pölten), das ganzjährig in der Pfarrkirche St. Martin besucht werden kann.
Noch um 1920 wurden rund 1.000 Heilige Gräber der Zbitek-Manufaktur in ganz Europa verkauft. Die Zbitek-Gräber sind eine Besonderheit in unseren Pfarrkirchen. Ulfhild Krausl sagt über die Wirkung der Gräber auf die Gläubigen: „Nachzulesen ist, dass ihr Anblick und das Zusammenspiel von Dunkelheit, Licht und Farben ‚nicht nur Frauen und Kinder erschütterte, auch Männer wurden zu Thränen gerührt‘“.
Autor:Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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