Seelenverwandte & Seelenfreunde
Sie vermochte mehr, weil sie mehr liebte

Hl. Scholastika und hl. Benedikt (Januarius Zick, Hl. Scholastika, Stift Kremsmünster; El Greco, Der Heilige Benedikt, um 1577/79, Madrid). | Foto: akg-images / picturedesk.com
4Bilder
  • Hl. Scholastika und hl. Benedikt (Januarius Zick, Hl. Scholastika, Stift Kremsmünster; El Greco, Der Heilige Benedikt, um 1577/79, Madrid).
  • Foto: akg-images / picturedesk.com
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

In unserer Sommer-Serie über „Seelenverwandte & Seelenfreunde“ beleuchten wir die geistliche Freundschaft zwischen Mann und Frau. Ob zwischen Mutter und Sohn, Bruder und Schwester, Ehemann und Ehefrau oder zwischen Personen der Kirchengeschichte, die einen wechselseitigen fruchtbaren Einfluss aufeinander ausübten.

Faszinierend ist die Beziehung zwischen dem heiligen Benedikt und seiner Schwester Scholastika. Beide hatten ein offenes Ohr für die Sorgen des oder der anderen.

Sie sind bis heute faszinierend, die Geschwister Benedikt und Scholastika. Benedikt gilt als „der“ Vater des abendländischen Mönchtums, er hat einen grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation und Kultur ausgeübt.

Scholastika trat in ein Kloster bei Subiaco ein, welches sie ein Jahr später jedoch wieder verließ. Die Ordensfrau lebte für einige Zeit in einem Kloster zu Piumarola, bevor sie schließlich in ein anderes in der Nähe von Monte Cassino eintrat. Sie war die geistliche Lehrerin ihres Bruders, worauf schon ihr Name hinweist.

Benedikt war Ordensgründer und Abt auf dem Montecassino. Geboren um 480 in Nursia, dem heutigen Norcia in Umbrien in Italien, gestorben am 21. März 547 im Kloster Montecassino in Italien. Mit der „Benedikt-Regel“ und mit der von ihm gegründeten benediktinischen Familie hinterließ Benedikt ein Erbe, das in den vergangenen Jahrhunderten in der ganzen Welt Früchte getragen hat und noch bis heute trägt. Das zeigt schon die Existenz der vielen Klöster im Geiste Benedikts.

Scholastika soll zwischen 480 und 543 gelebt haben. Geboren wurde Scholastika wie ihr Bruder Benedikt in Norcia, nicht weit von Rom. Scholastika besuchte ihren Bruder jährlich; sie trafen sich in einem Gutshaus seines Klosters und verbrachten den Tag miteinander im Gebet und geistlichen Gespräch. Papst Gregor der Große berichtet, dass sie sich bei ihren jährlichen Zusammentreffen immer über geistliche Themen ausgetauscht haben. Vielleicht war Scholastika die geistliche Lehrerin ihres Bruders, zumindest war sie ihm eine ebenbürtige Gesprächspartnerin.

Schottenabt Johannes Jung OSB über die beiden berühmten Geschwister.

 Abt Mag. 
Johannes Jung OSB
Abt Mag. Johannes Jung OSB ist Benediktiner und seit 2009 der 71. Abt des. Schottenstiftes in Wien
  • Was zeichnet die Beziehung zwischen Benedikt und seiner Schwester Scholastika aus?

JOHANNES JUNG: Während der Weg des heiligen Benedikt in den „Dialogen“ Gregors des Großen mit all seinen Irrwegen und Fortschritten ausführlich dargestellt wird, sodass sich ein geistliches Lebensbild ergibt, wird Scholastika in der Literatur nur einmal erwähnt, in der Begegnung, die sie drei Tage vor ihrem Tod mit Benedikt gehabt hat. Bei der Erzählung dieses Treffens erwähnt Gregor, dass Scholastika „von Kindheit an dem allmächtigen Gott geweiht“ war.

Wenngleich Benedikt, vor allem durch seine Klosterregel, den größeren Einfluss als geistlicher Lehrer hat, scheint Scholastika die früher Gereifte zu sein, worauf auch ihr Name, „die Gelehrte“, hinweist.

  • Wir wissen viel von Benedikt, was wissen wir von Scholastika?

Von der Bemerkung abgesehen, Scholastika sei Gott geweiht gewesen (was noch nicht bedeuten muss, dass sie im heutigen Sinn ein ordensähnliches Leben geführt hat), lässt sich nur aus der Begegnung am Ende ihres Lebens etwas von ihrem geistlichen Profil erkennen. Sie muss in einer sehr unmittelbaren Weise etwas vom Wesen Gottes erfahren, „gewusst“ haben.

  • Wie gestaltete der Bruder seine Beziehung zu seiner Schwester?

Gregor bemerkt, dass es einmal jährlich zu einer Begegnung der Geschwister kam. Bei dieser Gelegenheit besuchte Scholastika ihren Bruder in seinem Kloster, genauer in einem in der Nähe des Klosters gelegenen Gutshof. Von Szenen, wie sie sich ereignen, wenn Familienmitglieder einander in längeren Zeitabständen begegnen, erzählen die „Dialoge“ nichts, wohl aber von den Gebeten und geistlichen Gesprächen, mit denen die Geschwister den ganzen Tag zubringen bis zum gemeinsam eingenommenen Mahl am Abend. Üblicherweise waren die Begegnungen danach zu Ende. An privateren Dingen oder Gesprächsstoffen sind die Dialoge nicht interessiert.

  • Es gibt die berührende Szene mit dem Gewitter kurz vor dem Tod von Scholastika. Wie lässt sich diese Szene beschreiben?

Die Begegnung, die Gregor erzählt, verläuft etwas unüblich, denn am Ende „fleht“ Scholastika ihren Bruder an, das Gespräch über die „Freuden des himmlischen Lebens“ bis zum Morgen fortzusetzen, was ihr Bruder jedoch ablehnt, da er sich auch durch die eigene Ordensregel gebunden fühlt, die eine Nächtigung außerhalb des Klosters verbieten.

Benedikt erweist sich hier als eng und erkennt nicht, dass seine Schwester hier schon um eine Art Sterbebegleitung gebeten hat. Da Scholastika bei ihrem Bruder kein Gehör gefunden hat, wendet sie sich an die höhere Instanz: Sie fügte ihre Finger ineinander, legte ihre Hände auf den Tisch und ließ ihr Haupt auf die Hände sinken, um den allmächtigen Gott anzuflehen. Buchstäblich aus heiterem Himmel entsteht ein derart heftiges Gewitter, das Benedikt daran hindert, sie zu verlassen. So durchwachten sie die ganze Nacht und stärkten einander durch geistliches Gespräch.

Scholastika selbst wertet diese Szene (nach den „Dialogen“ Gregors) so: „Siehe, ich habe dich gebeten, und du hast mich nicht erhört; da habe ich meinen Herrn gebeten, und er hat mich erhört. Geh nur, wenn du kannst...“ Scholastika erweist hier ihre größere Gotteskenntnis und Verbundenheit mit dem Herrn und wird so zur Lehrmeisterin ihres Bruders.

Gregor der Große wertet die Szene so: Nach einem Wort des Johannes ist Gott die Liebe; so ist es ganz richtig: Jene [Scholastika] vermochte mehr, weil sie mehr liebte.

  • Was können wir von dieser Beziehung zwischen Schwester und Bruder für heute lernen?

Meines Erachtens geht es nicht um die Beziehung von Geschwistern, sondern um das Wechselspiel von Regeltreue und einer angemessenen Anpassung auf Grund des Spielraums, den der gottverbundene Mensch besitzt. Dies wäre auch für heute zu lernen: Spiritualität erschöpft sich nie im Abarbeiten eines Regelwerks, eines Handbuchs oder einer Vorschriftensammlung, sondern bedarf der Elastizität des liebevollen Verhältnisses zu Gott und zum Nächsten, ohne dabei in Willkür abzugleiten.

  • Was fasziniert Sie persönlich an dieser Geschwister-Beziehung?

Benedikt ist zweifellos der „Lehrer“, der für das monastische Leben zu allen Zeiten prägend bleibt. Aber auch er bedarf der Korrektur, wenn Regeltreue Gefahr läuft, von konkreten Situationen und Bedürfnissen abzusehen.

Literatur:

Kommentar zur Vita Benedicti

Michaela Puzicha
Kommentar zur Vita Benedicti

Gregor der Große: Das zweite Buch der Dialoge – Leben und Wunder des ehrwürdigen Abtes Benedikt
(St. Ottilien 2012).
496 Seiten
Deutsch, Latein
EOS Verlag
ISBN: 978-3830675310

Sommerserie „Seelenverwandte & Seelenfreunde"

Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Powered by PEIQ