Geheimes Kräuterwissen - Folge 2
Ohne Stress durch den Alltag - geht das?
In einer schnelllebigen Zeit nehmen sich Menschen immer weniger Zeit für sich selbst. Das Lieblingskraut von Kräuterpfarrer Benedikt, die Wegwarte, kann Ruhe und Gelassenheit bringen.
Sie nützt die schöne Stunden, um zu wachsen und sich zu entwickeln. Wenn es dunkel ist, macht sie die Blüte zu. Sie muss nicht dauernd etwas leisten. Die Wegwarte wächst im Hochsommer und ist ein Korbblütler. Typisch für die Familie der Korbblütler ist ihr körbchenförmiger Blütenstand.
Unkompliziert und vielseitig
Gartenbesitzern rät Kräuterpfarrer Benedikt unbedingt dazu, die Wegwarte anzubauen: „Erhältlich ist das Kraut im Fachhandel. Ich kann sie mir aber auch aus der Natur holen und im Garten einsetzen.“ Schon aufgrund ihres Vorkommens in der Natur ist die Wegwarte unkompliziert: Sie wächst vorwiegend an Weg- und Straßenrändern,
kommt also mit wenig zurecht: „Zu Hause im Garten fühlt sie sich auf einem gewöhnlichen Boden wohl. Normalerweise kommt sie in sehr trockener Umgebung vor.“
Geschätzt wurde die Wegwarte im Lauf der Jahrhunderte für ihre vielseitige Einsatzmöglichkeiten. Der frühneuzeitliche Arzt und Philosoph Paracelsus lobte die Wegwarte als schweißtreibendes Mittel, das vor Lepra schützt. Nachdem im 18. Jahrhundert viele Ärzte und Botaniker die Wegwarte als Leber- und Augenkraut hervorgehoben hatten, war es Pfarrer Kneipp, der sie im 19. Jahrhundert als reinigendes Mittel bei Magen-, Darm- und Lebererkrankungen empfohlen hat.
Die Wegwarte enthält verschiedene Bitterstoffe, die besonders für die Verdauung sehr wichtig sind, erklärt Herr Benedikt die Wirkung der Wegwarte: „Das Kraut enthält den wichtigen Stoff Eisen, der den Sauerstoff aus der Lunge in alle Bereiche des Körpers bringt.“ Ein Tee aus Blüten und Blättern der Wegwarte kann diesen Prozess unterstützen. Dass der Sauerstofftransport gut funktioniert, signalisiert der Körper auch durch die Haut: Ein Wegwartentee kann von innen heraus die Haut straffen und stärken.
Rezepttipp: Zichorien-Kaffee
Auf ein besonders altes Rezept mit der Wegwarte, auch Zichorie genannt, weist der Kräuterpfarrer außerdem hin: Aus einer zweijährigen Wegwartewurzel kann ein Zichorien-Kaffee gemacht werden. Die gesäuberten Wurzeln müssen gespalten und getrocknet werden. Gemeinsam mit getrockneten Apfelschalen werden die im Backrohr gerösteten Zichorienwurzeln in der Kaffeemühle gemahlen. Zusätzlich werden Trockenfeigen mit der Mohnmühle gemahlen. Im Mischverhältnis zwei Teile Wurzeln und jeweils ein Teil Apfelschalen und Feigen wird alles durchgeknetet, zu einer Rolle geformt und im Backrohr nachgetrocknet. Stückweise oder als Pulver kann man die Mischung als verdauungsfördernden Kaffee-Ersatz verwenden.
Warum dem Kräuterpfarrer die Wegwarte außerdem sympathisch ist, hängt mit ihrem Wesen zusammen: Das Kraut hat tiefe, kräftige Wurzeln, ihre himmelblauen Blüten spiegeln quasi den Himmel wider. Wenn die Sonne aufgegangen ist, streckt sich die Wegwarte nach Osten, um möglichst viel Sonnenlicht aufzunehmen, gegen Abend schließt sie ihre Blüten, „hüllt sich in Bescheidenheit“, wie Felsinger erzählt. Sie sammelt neue Kräfte für den folgenden Tag.
All diese Charakteristika des Krauts entsprechen einem Lebensstil, den der Kräuterpfarrer gerade in der stressigen Zeit empfiehlt: Ein guter Rhythmus zwischen Aktivität und Passivität ist das Um und Auf, in Ruhezeiten kann der Mensch Kraft für neue Abenteuer tanken. Er muss nicht immer verfügbar sein, sollte sich auch manchmal zurücknehmen.
Die Kornblume bringt Farbe in Ihren Tee
Verwandt mit der Wegwarte ist die Kornblume, die sich perfekt auch in einem kleinen Beet am Balkon ziehen lässt, erklärt Kräuterpfarrer Benedikt: „Auch wenn sie nicht so aufregend von ihrer Wirkung ist, lässt sie sich gut als Schmuckdroge für den Tee verwenden, das heißt sie bringt Farbe in den Tee.“
Am besten gedeiht die Kornblume auf einem durchlässigen und sandigen Lehmboden, das lässt sich auch am Balkon gut einrichten. Um sie dann als farbintensive Note im Tee zu verwenden, rät Herr Benedikt, die himmelblauen Blütenköpfe bald nach dem Aufblühen zu pflücken. An einem luftigen und schattigen Ort können sie dann getrocknet werden. Bei direkter Sonneneinstrahlung oder zu viel Feuchtigkeit verlieren sie ihre blaue Farbe und auch ihre Wirkkraft.
Ein Tipp von Kräuterpfarrer Benedikt: Kornblumen-Tee wirkt sich günstig auf die Augen aus. Tränkt man einen in Leinen gehüllten Wattebausch mit warmem Kornblumen-Tee und legt die Kompresse im Augenbereich auf, wirkt der Kornblumen-Tee abschwellend und entrötend auf Augenlider.
Spiritualität: Auf Christus schauen
Die Wegwarte wendet sich der aufgehenden Sonne zu, sie richtet sich nach Osten aus – so wie der Mensch Christus entgegenblickt und ihn erwartet. Die Wegwarte lädt ein, das Motto des Österreich-Besuchs von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 „Auf Christus schauen“ im eigenen Leben wirksam zu machen, sagt Kräuterpfarrer Benedikt. Christus wird wiederkommen in Herrlichkeit. Die Wegwarte erinnert daran, mit Jesus Christus im eigenen Leben zu rechnen. Ihn in unser Leben treten zu lassen und uns neu verwandeln zu lassen.
Alle Folgen der Serie "Geheimes Kräuterwissen"Autor:Markus Andorf aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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