Caritashelfer im Interview
„Wir wollen nicht nationale Not gegen andere ausspielen“

Andreas Knapp: „Es gibt in Österreich eine Grundbereitschaft für Solidarität. Und zum Glück ist die Caritas imstande, das auch im Sinne einer guten Arbeit zu nützen.“
 | Foto: Stefan Hauser
  • Andreas Knapp: „Es gibt in Österreich eine Grundbereitschaft für Solidarität. Und zum Glück ist die Caritas imstande, das auch im Sinne einer guten Arbeit zu nützen.“
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Andreas Knapp erlebte hautnah Entwicklungsprojekte in Uganda, Kenia, Äthiopien, Nepal und Syrien. Seit kurzem ist der gebürtige Tiroler Auslandshilfechef der österreichischen Caritas. Im SONNTAG-Interview spricht er über seine internationalen Einsätze, warum globale Solidarität wichtig ist und wie ihn die Erlebnisse auch im Glauben stärken.

Andreas Knapp stammt aus dem „heiligen Land“ Tirol. Zum Studium geht es aber nach Wien an die Uni für Bodenkultur. Es folgen internationale Einsätze im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der Vereinten Nationen. Seit Oktober ist Andreas Knapp Generalsekretär für die internationalen Programme der Caritas Österreich. Der SONNTAG begleitete ihn auf seiner ersten Reise in dieser Funktion zu Projekten nach Rumänien. Die Hilfe für benachteiligte Kinder und Jugendliche und die Herausforderungen in der Pflegearbeit für Alte und kranke Menschen stehen im Mittelpunkt. Rumänien ist von massiver Abwanderung von Arbeitskräften, besonders im Pflegebereich und in der Baubranche nach Westeuropa betroffen. Die österreichische Caritas unterstützt Kinder in Tageszentren, deren Eltern wochenlang im Ausland arbeiten und alte, kranke Menschen in Pflegeheimen. Wir konfrontieren Andreas Knapp zu seinen Eindrücken.

Welche Erfahrungen haben Sie aus Rumänien mitgenommen?
 Dass es in einem Land, das Mitglied der Europäischen Union ist, noch viel offensichtliche Armut und Not gibt, wo es einfach wichtig ist, dass geholfen wird. In unserem Fall vor allem Kindern, denn die Not und vor allem die Kinderarmut ist groß. Wenn man sie nicht unterstützt, riskiert man bleibende negative Konsequenzen, die nicht mehr aufgeholt werden können. Wir sprechen da von einer „lost generation“, das ist ein immenser negativer Schaden für die Menschheit.

Viele Frauen verlassen Rumänien oft wochenlang, um in Österreich Pflegearbeit zu leisten. Sind wir da nicht auch moralisch gefordert?
Ja, sicher hat man da eine Verantwortung. Wir müssen Möglichkeiten schaffen für ihre Pflegearbeit. Da geht es darum, wie ihre Arbeitsbedingungen gestaltet sind, wie sich diese Frauen in der Zeit, wo sie bei uns arbeiten, auch weiterbilden können und wenn sie zurückgehen, attraktivere Möglichkeiten des Verdienstes haben.

Welche Maßnahmen gibt es da?
Zum Beispiel eine Initiative für ein faires Label im Pflegebereich. Letztendlich geht es aber nicht nur um Pflegearbeit, sondern generell um Arbeitsmigration. Das ist bedingt durch ein existierendes Wohlstandsgefälle zwischen europäischen Staaten. Daher fordern wir als Caritas auch so etwas wie Maastricht-Kriterien für soziale Grundstandards, damit es auch zu einer größeren sozialen Gleichheit in Europa kommt. Wir können das nicht alleine lösen.

Sie sind Experte für Wasserwirtschaft. In mehreren Staaten des afrikanischen Kontinents leiteten Sie Projekte für Wasserversorgung. Wie erfolgreich waren Sie da?
Im Südwesten Ugandas ging es im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit um die Wasserversorgung in Kleinstädten. Bevor so ein Projekt beginnt, muss die jeweilige Stadtverwaltung sicherstellen, dass die Quelle vorhanden ist und sie als Schutzgebiet ausweisen. Dann geht es um technische Möglichkeiten und um die Installierung von Wassergenossenschaften, damit nachhaltige Versorgung gesichert ist. Was mich stolz macht, und darum glaube ich auch an die Wirkung von Entwicklungszusammenarbeit: Zwanzig Jahre später wurde eine Studie gemacht, wo festgestellt wurde, dass mehr als 80 Prozent der Anlagen noch voll in Betrieb sind und die Versorgung sicherstellen. 97 Prozent der ärmsten Bevölkerungsschichten profitieren immer noch davon. Das ist im Sinne von Nachhaltigkeit ein sehr großer Erfolg.

Für die Vereinten Nationen kümmerten Sie sich auch um die Wasserversorgung während des Bürgerkriegs in Syrien, was bedeutete das?
In Gegenden, wo eine aktive Front war, durfte ich nicht hinreisen. Es war auch das einzige Land, wo ich nicht meine Familie mitgenommen habe. Hauptaufgabe in Damaskus und Aleppo war Nothilfe, Wasserversorgung und Möglichkeiten der Versorgung für Binnenflüchtlinge. Im tragischen Fall von Syrien sind das Millionen von Menschen, das darf man nicht vergessen. Wir sehen hier nur die Spitze des Eisbergs jener, die es geschafft haben nach Europa zu flüchten. Aber die große Anzahl ist immer noch im Land.

Wie gelingt es in Kriegszeiten, Infrastruktur zu schaffen?
Oft nur mit Wassertankfahrzeugen und es ist eine riesengroße logistische Herausforderung. Aber so schwierig und frustrierend es auch war, rief es trotzdem ein gutes Gefühl hervor, jeden Abend zu wissen, welch essenzielle Arbeit man leistet. Ich kann mich noch erinnern, wie ich dann im Flugzeug nach Österreich saß, war ein gewisses Gefühl der Zufriedenheit da, zu wissen, dass man über zwei Jahre Millionen von Menschen in den Notunterkünften versorgen konnte und auch eine Infrastruktur, die eine Mindestversorgung von 20 Litern Wasser pro Kopf und Tag für fünf Jahre gewährleistet.

Wenn man jahrelang im Ausland an prekären Orten tätig ist, bleibt man da bescheiden im Vergleich zum Überfluss hierzulande?
Man schätzt essenzielle Dinge immens, wie Versorgung mit Wasser, das Gesundheits- und Bildungssystem.

Wenn man so viel im Ausland unterwegs ist, wird man auch mit Krankheiten konfrontiert, die es bei uns nicht gibt. Wie sind Sie damit umgegangen?
Bevor man in Afrika oder Asien arbeitet, muss man Schulungen durchlaufen. Ich gebe aber zu, in meiner jugendlichen Leichtsinnigkeit bin ich in Uganda an Malaria erkrankt. Ich war leichtsinnig und habe mit dem Schlafsack unter freiem Himmel geschlafen, ohne ein Moskitonetz darüber. Das war prädestiniert, um an Malaria zu erkranken. Man darf aber nicht vergessen, diese Tropenkrankheiten sind in diesen Regionen reguläre Erkrankungen. Jeder Mediziner dort hat große Erfahrung, wie man diese behandelt.

Die Caritas hilft in Österreich, setzt aber auch Schwerpunkte im Ausland. Warum ist dieser internationale Ansatz wichtig?
Aufgrund des ganz stark verankerten Solidaritätsprinzips in der Caritas und auch in der Kirche, dem Prinzip „Not sehen und handeln“. Wir können in einer globalisierten Welt vor einer offensichtlichen Not nicht die Augen verschließen. Wir wollen auch nicht nationale Not gegen andere ausspielen oder miteinander vergleichen.

Sind Sie durch die Hilfsarbeit in fernen Regionen Ihrem Glauben näher gekommen?
Ja, weil man sich im Ausland wieder mehr seiner Wurzeln bewusst wird. Ich habe es im Ausland auch aktiver kommuniziert, dass ich einen christlichen Background habe und den Menschen in anderen Kulturen die Chance gegeben, auch zu verstehen, wie ich ticke. Ich bin sozusagen selbstbewusster mit meinem Hintergrund und mit meiner Religiosität und Herkunft umgegangen.

Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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