Im Gespräch
Wir haben nur Mut gehabt
Georg Wailand ist eine fixe Größe in der österreichischen Medienlandschaft. Er ist aber auch bekennender katholischer Christ mit einem großen, wenn auch kritischen Herzen, für die Kirche.
Der SONNTAG fragte bei ihm nach, welche Bedeutung Ehrungen für ihn haben und was wir vom heurigen Wein erwarten dürfen, denn Georg Wailand ist auch Winzer in Wien.
- „Erstklassige Medien sind Leuchttürme“, so ein Zitat von Ihnen. Sie sind ein profilierter Journalist und prägen seit Jahrzehnten zwei Medien: Die Kronenzeitung und das Magazin Gewinn – kann man sagen, Sie verstehen etwas vom Boulevard und vom Fachjournalismus?
Ja, wir haben die kritischsten Leser beim Gewinn und bei der Kronenzeitung sind es rund zwei Millionen in der Breite. Da muss man anders formulieren, da muss man die Geschichten anders schreiben. Das ist jetzt durch Social Media wieder bewusst geworden: Wie baut man das auf? Jede Zielgruppe und jeder Zugang zum Leser hat eine eigene Gesetzmäßigkeit. Beim Gewinn verlaufen auch die Redaktionsbesprechungen ganz anders als bei der Krone. Das muss so sein.
- Wie haben Sie das unter einen Hut gebracht?
Das hat ja eine Vorgeschichte. Ich hatte ja in jungen Jahren schon Karriere gemacht bei der Krone. Sie haben mir die Leitung der Umstellung von Bleisatz aus Computerisierung angetragen, das war 1979-80. Das war arbeitsrechtlich sicher die schwierigste Aufgabe, die man jemandem übertragen kann, weil der einfachste Helfer gewusst hat, dass nicht einmal ein Drittel der Belegschaft übrig bleibt bei dem Prozess. Und das mit der Erpressbarkeit einer Tageszeitung über die Rampe zu bringen, war keine leichte Sache.
Mit Hans Dichand habe ich da engstens zusammengearbeitet. Wir hatten 33 Stehungen, das ist die die Vorstufe zum Streik. Dann habe ich ihm die entscheidende Rede geschrieben, das war wie in einem englischen Industriefilm. Er ist in der Hauptproduktionszeit heruntergegangen, hat eine harte, aber faire Rede mit allen Möglichkeiten gehalten, dass es Sozialpläne gibt und und und.
Die Arbeiter – die haben noch ihre blaue Arbeitskleidung angehabt damals – haben applaudiert. Wie in der Bibel ist Dichand zwischen den Reihen herausgegangen. Es war unglaublich spannend. Wenn das anders ausgegangen wäre, würde ich heute nicht hier sitzen. Und daraus hat sich entwickelt, wie das dann umgestellt war, machen wir miteinander ein Wirtschaftsmagazin! Das habe ich dem Verlag angeboten.
Die beiden, Dichand und Falk haben aber, wie man weiß, nicht die gleiche Meinung vertreten. Daher haben sie sich nicht geeinigt, darauf habe ich gesagt: ‚Erlaubt ihr es mir, dass ich es machen darf?‘ Ich habe ein großes Herz gehabt, aber kaum Geld. Ich habe das ja nicht aus Geldgier gemacht. Wir haben nur Mut gehabt.
Die Motivation war, dass wir gespürt haben, dass es eine Marktlücke gibt. Wir wollten den Leuten einen Nutzen bringen: Worauf muss ich beim Mietvertrag aufpassen oder was ist die Bandbreite für einen günstigen Kredit. Das ist der schwierigere, weniger lustbetonten Journalismus, aber der für die Leser wertvoller und das war das Erfolgskonzept.
- Sie sind ein gläubiger Mensch mit einem kritischen Zugang zur Kirche. Mit Ihrer Frau haben Sie eine Heimat in der Pfarre Machstraße gefunden haben. Was macht für Sie Gemeinde aus?
Das ist eine besondere Gemeinde. Es war damals ein Kaplanstrio das den Versuch gestartet hat, in einer nicht sehr christlich geprägten Umgebung im zweiten Bezirk, eine verbindliche Gemeinschaft aufzubauen. Das war im Nachklang des Zweiten Vatikanums, wo die Hoffnung sehr groß war, dass Laien ernst zu nehmende Rollen übernehmen können. Von dem war das getragen, mit allen Lernprozessen.
Da hat sich eine Gemeinde gebildet, da war ein Richtungsstreit, da hat es Trennungen gegeben. Und übriggeblieben ist, und das finde ich schon toll, was Paul Weß inhaltlich zugrunde gelegt hat, dass es verbindliche Gemeinden gegeben hat. Die ganze Pfarre wird seit Jahren nur von Laien getragen. Wir haben formal Pfarrer Konstantin Spiegelfeld mit dem Pfarrverband – wir verstehen einander wunderbar, aber es ist nicht so eng, dass eine Pfarre in der anderen aufgeht. Ich glaube, das ist auch noch nicht der richtige Zeitpunkt.
Wir haben auch eine starke Rolle der Laien geprägt, von der Erstkommunion bis zu den großen Messfeiern. Wir machen alles. Wir laden Priester ein, die Messe zu feiern – tolle Leute. Da haben wir eine große Dankbarkeit, weil es auch eine Vielfalt hineinbringt. Wir sind keine schlafenden Schafe, sondern wache Christinnen und Christen, die nachher diskutieren wollen im positiven Sinn. Das geht hervorragend.
Das ist vielleicht ein Modell, wie es aussehen kann, wenn nicht mehr ausreichend das Service von der Amtskirche geboten werden kann. Es hat ja alles Vor- und Nachteile: Wir haben drei zusammengeschweißte Teilgemeinden, weil wir von einer maximalen Gruppengröße von 70 ausgegangen sind, damit jeder jeden kennt. Wir haben Paul Zulehner eingeladen, um unsere Zukunft auch kritisch anzusehen. In der Zwischenzeit sind wir kleiner geworden.
Irgendwann einmal wird der Punkt kommen, wo mit dem vorangeschrittenen Alter nicht mehr alles möglich sein wird. Damit werden wir auch zurechtkommen.
- Ist es Ihnen gelungen, in den Teilgemeinden die nächste Generation zu integrieren?
Das ist ganz unterschiedlich. Was uns aber gelungen ist, dass es keine Aversion unter den Jungen gegenüber der Kirche gibt. Das ist heutzutage schon viel. Sie erinnern sich an ihre Firmung, sie kommen zu Treffen, aber am Sonntag sind sie nicht alle da. Da nagt jede Pfarre daran, aber wir bemühen uns.
- Durch die Coronakrise sind Menschen bereiter, sich dem Glauben etwas mehr zuzuwenden. Wie sehen Sie das?
Wir haben versucht, dieses Thema aufzuarbeiten. Die Erkenntnisse, da gebe ich Ihnen recht, dass manches bei Gläubigen wieder ins Bewusstsein gebracht hat. Es hat auch die Ängstlichen gegeben, die gesagt haben: ‚Ich gehe gar nicht mehr außer Haus, das ist mir alles zu gefährlich.‘ Wir haben jede Woche ein digitales Angebot gehabt, um die Besorgten auch mitzunehmen. Wir waren von der Qualität her toll. Hut ab, all jenen gegenüber, die das gemacht haben und sich die Mühe gemacht haben, das jede Woche anzubieten. Und Gemeindesitzungen haben im Alter von 60-70 Jahren aufwärts mit Hoppalas auch geklappt.
- Sie sind ein viel beschäftigter Mann. Als Pensionisten kann man Sie mit 75 Jahre nicht bezeichnen. Dazu beraten Sie die Kirche in Wien in Wirtschafts- und Finanzfragen und sind im Kontrollrat der Erzdiözese. Warum machen Sie das?
Das hat eine Vorgeschichte, in aller Ehrlichkeit: Seinerzeit ist Kardinal König auf mich aufmerksam geworden und hat mich eingeladen, die Druckerei Herold anzusehen. Wir hatten ein tolles Gespräch und er hat mir als jungen Menschen angeboten, die Nachfolge des Generaldirektors zu übernehmen. Ich habe mir das überlegt und gesagt: ‚Das mache ich nicht, das war mir zu früh.‘ Aber ich habe dem Kardinal gesagt: ‚Ich helfe Ihnen und ich verlange dafür nichts.‘ Für die Kirche hat das viele finanziellen Entscheidungen möglich gemacht, die sie ohne einen Außenstehenden wie mich nicht so leicht geschafft hätten.
In einer Sitzung habe ich zu der Sache der Druckerei gesagt: ‚Ihr seid schlechte Eigentümer, nicht weil Sie schlampig sind oder garstig, sondern wenn ein Personalabbau nötig ist, sind sofort Legionen dagestanden: Die unsoziale, die unchristliche Kirche! Es gibt aber betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten.‘
Meine Rolle war es, das aufzuzeigen und ab und an durchzusetzen. Es ist mir gelungen, neue Eigentümer zu finden. Ein gefährliches Terrain ist auch die Vermögensberatung. Meine Aufgabe war es, intern die Wahrheit zu sagen, was realistisch und unrealistisch ist. Es ist aber über all die Jahre gelungen und ich habe die Erzdiözese vor Fehlinvestitionen bewahrt. Da hilft mir die Lebenserfahrung. Es ist für mich ein Gang über das Trapez. Wenn etwas schiefgehen würde, würde es mich betreffen. Umso schöner ist es, wenn es gelingt.
Ich glaube, dass jeder Mensch Talente hat und aufgefordert ist, diese Talente in einem konstruktiven Ausmaß einzubringen.
- Für Ihr kirchliches Engagement wurden Sie mit dem Komturkreuz des Silvesterordens mit Stern ausgezeichnet. Ich darf hinzufügen, eine Auszeichnung unter vielen – vom Karl-Renner-Publizistik-Preis über den Berufstitel Professor bis zur Julius-Raab-Medaille, um nur einige zu nennen. Welche Bedeutung haben Ehrungen für Sie?
Ich hatte das Glück, ohne mein Zutun in jungen Jahren Ehrungen Wegbegleiter wurden. Den Renner-Preis habe ich für eine kritische Serie über Wohnen bekommen. Das war eine Superbestätigung. Die kirchliche Auszeichnung bedeutet mir eigentlich mehr, weil es eine Bestätigung ist nach einer jahrzehntelangen Verbindung, dass ein ehrenamtliches Engagement als qualifizierter Laie für alle so erfreulich war.
- Sie haben noch einen zweiten Beruf abseits der Medien. Sie sind Weinbauer in Wien geworden. Was erwarten Sie vom heurigen Jahrgang?
Das ist eine aktuelle Frage! Wir hatten einen der trockensten Sommer seit Jahrzehnten, kühle Nächte, aber Sonne untertags. Mengenmäßig ist es weniger als im Vorjahr, aber die Qualität ist hervorragend. Die letzten drei Jahre waren schon sehr gut. Wir hatten heuer keine überraschenden Krankheiten, da hat man gleich ein Riesenproblem, das ist uns erspart geblieben. Ein begünstigter Jahrgang, auf den wir uns sehr freuen.
Im Weinbau habe ich viel gelernt. Im Journalismus muss man schnell arbeiten, man kann sagen; Das ist gescheit oder weniger gescheit geschrieben. Der Weinbau ist zu 100% anders. Da mache ich in der Früh das Fenster auf und sage: Was bringt das Wetter heute? Auf was muss ich aufpassen, da bin ich abhängig. Da kann ich nur pfleglich und gut umgehen mit den Geschenken der Natur. Beim Journalismus kann ich viel selber machen, beim Weinbau muss ich demütig sein.
Autor:Sophie Lauringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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