Leitartikel für den 7. Februar 2021
Wie viel zählt Kindeswohl?
Bei vielen haben die Bilder rund um die Abschiebung der drei Mädchen aus Wien Ende Jänner Empörung hervorgerufen.
Mitten in der Nacht von einem großen Polizeiaufgebot abgeholt zu werden und in die Flieger nach Armenien und Georgien gesetzt zu werden, kann Traumata mit sich bringen. Eines der Mädchen ist fünf Jahre alt und in Österreich geboren.
Auch wenn die Familien Fehler im Umgang mit abgelehnten Asylanträgen und der Aufforderung zur Abreise gemacht haben, klar ist, die Kinder können nichts dafür. Entscheidungen aus rechtsstaatlichen Verfahren sind das eine, das andere ist der Blick auf die Integration.
In den Debatten darüber wird immer wieder das humanitäre Bleiberecht in Bezug auf Härtefälle bei der Asylgewährung eingebracht. Ein Sonderstatus, der es besonders schutzbedürftigen oder besonders gut integrierten Personen für einen befristeten Zeitraum erlaubt, legal in Österreich zu leben, auch wenn sie eigentlich keinen legalen Aufenthaltstitel haben.
Die Österreichische Bischofskonferenz hat schon zu Zeiten der ÖVP-FPÖ-Koalition dessen „großzügige Anwendung“ vor allem für gut integrierte Familien gefordert. Zugleich plädierten die Bischöfe für eine verpflichtende Einbindung der Verantwortlichen von Gemeinden und Ländern bei Bleiberecht-Entscheidungen. Das wäre wesentlich, denn gerade Gemeindevertreter, aber besonders Lehrer, kennen die Familien und wissen, wie die Kinder im Klassenverbund integriert sind.
Laut Kinderrechtskonvention ist der Schutz Minderjähriger vorrangig gegenüber behördlichen Eingriffen. Denkt da jemand auch an Schulkollegen und Freunde der abgeschobenen Kinder?
Klar ist, nicht jeder, der Asyl beantragt, erhält dieses. Aber erlaubt ist zu fragen, ob Abschiebung immer alternativlos ist.
Herzlichst Ihr
Stefan Hauser
Mag. Stefan Hauser leitet die Wortredaktion von radio klassik und ist interimistischer Chefredakteur des SONNTAG
Autor:Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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