Zeit für meinen Glauben
Wie kann man nur so deppert sein?
Als Seelsorger begleitet Roman Dietler Polizisten zum Beispiel dann, wenn sie von ihrer Dienstwaffe Gebrauch machen mussten. Bevor er in den kirchlichen Dienst wechselte, war er selbst Polizist.
Einen sicheren, gut bezahlten und noch dazu pragmatisierten Job bei der Polizei aufgeben, um in den kirchlichen Dienst zu wechseln?
Roman Dietler erntet Kopfschütteln und Unverständnis von seinen Kollegen im Polizeidienst, als er vor rund fünfzehn Jahren genau das tut. „‚Kündigen, nur weil es dich gerade nicht freut?‘ haben sie zu mir gesagt“, erinnert sich Roman schmunzelnd. Und – etwas weniger nett: „Wie kann man nur so deppert sein?“ Dabei hat den damals 27-Jährigen die Arbeit bei der Polizei durchaus gefreut. Mehr gereizt hat ihn aber, hauptberuflich in der Kirche zu arbeiten.
Ergeben hat sich das so: „Ich habe mich bei der Polizei karenzieren lassen, um Jus zu studieren. Unser Pfarrer hat mich gefragt, ob ich neben dem Studium nicht auch in der Pfarre mitarbeiten möchte. Also wurde ich als Pastoralhelfer für Kinder- und Jugendpastoral angestellt.“
Vom Polizist zum Polizeiseelsorger
Über den Glauben reden, Heranwachsende begleiten, biblische Geschichten mit dem eigenen Leben in Verbindung bringen: Für Roman tut sich eine neue Welt auf, von der er sich begeistern lässt. „Es hat mir irrsinnig viel Spaß gemacht. Ich habe mich also über Ausbildungsmöglichkeiten informiert und schließlich die berufsbegleitende Pastoralassistentenausbildung gemacht.“
Momentan arbeitet der 43-Jährige als Pastoralassistent in der Pfarre Aspern, ist darüber hinaus ehrenamtlicher Diakon und – hier schließt sich der Kreis – Polizeiseelsorger. „Aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit sind Polizisten mit spezifischen Herausforderungen und Situationen konfrontiert. Als Seelsorger biete ich an, sie darin zu begleiten.“
Rede- beziehungsweise Zuhörbedarf gibt es zum Beispiel dann, wenn ein Polizist Körperkraft anwenden oder seine Dienstwaffe gebrauchen muss. „Das lässt einen Polizisten nicht kalt“, sagt Roman. „Unter Umständen befindet sich der Polizist danach mehrere Monate im ungeklärten Raum, wenn geprüft wird, ob der Gebrauch der Dienstwaffe korrekt war oder nicht.“ In einem solchen Fall hört Roman zu, wenn Sorgen und Ängste thematisiert werden und bespricht mit dem Betroffenen die Notwendigkeit eines solchen Prüfverfahrens. „Es geht dabei ums Begleiten und Aufpassen, dass nicht die gesamte Lebensqualität leidet.“
Fingerspitzengefühl
Eine der Aufgaben Romans ist es, die Begräbnisse von Polizisten oder deren Angehörigen seelsorglich zu begleiten. Er wird auch dann manchmal darum gebeten, wenn der Verstorbene aus der Kirche ausgetreten ist oder kaum Bezug zur Kirche gehabt hat. In solchen Situationen braucht es viel Fingerspitzengefühl, sagt Roman. „Ich sage dann oft: ‚Ja, ich sage gerne ein paar Worte beim Begräbnis und würde es auch nicht verkehrt finden, ein Kreuzzeichen zu machen und ein Vater Unser zu beten.‘ Ich bin mir oft nicht sicher, ob ich die richtige Dosis erwischt habe und ob sich die Anwesenden nicht denken, was soll das denn jetzt?“
Die Rückmeldungen nach solchen Begräbnisfeiern sind aber meistens positiv. „Die Leute wären selber nicht auf die Idee gekommen, miteinander zu beten, sagen mir aber im Nachhinein, wie stimmig sie es gefunden haben. Und, dass etwas gefehlt hätte, wenn wir es nicht gemacht hätten. Das sind Momente, die mir große Freude und Dankbarkeit schenken.“
Autor:Sandra Lobnig aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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