80 Jahre Theologische Kurse
Weiterbildung für Erwachsene
Sie sind ein Ort des Nachdenkens und des Fragens: die „Theologischen Kurse“ am Stephansplatz in Wien. Am 1. Oktober feiern sie schon den 80. Geburtstag.
Erhard Lesacher, Leiter der „Theologischen Kurse“, über diese wichtige Institution der katholischen Erwachsenenbildung.
Seit 80 Jahren sind die „Theologischen Kurse“ ein Ort der Reflexion über die großen Fragen des Lebens und des Glaubens. Sie ermöglichen Orientierung in einer unübersichtlichen Welt und bieten Argumente in der Pluralität der Meinungen. Erhard Lesacher, Leiter der Theologischen Kurse, über die älteste Erwachsenenbildungseinrichtung der römisch-katholischen Kirche im deutschen Sprachraum.
- Warum wurden die Theologischen Kurse 1940 während des Zweiten Weltkriegs gegründet?
LESACHER: Die Gründung während des Krieges und der Zeit der nationalsozialistischen kirchenfeindlichen Politik ist eher verwunderlich. Es war eine Zeit, in der die Kirche in die Sakristei zurückgedrängt wurde und nicht öffentlich wirken konnte. Da kam im Wiener Pastoralamt rund um den Prälaten Karl Rudolf, einem klugen, weitblickenden Kirchenmann, die Idee auf, Laien zu stärken, und sie zu befähigen, in einer christentumsfeindlichen Zeit den Glauben öffentlich zu vertreten.
- Was waren damals die Ziele der Gründung?
- Wer waren die Zielgruppen?
Damals war die Zielgruppe die kirchliche Kernschicht, Leute, die in der Pfarre vertrauenswürdig waren. Im Grunde war dies eine subversive Sache in der Kriegszeit. Es waren ausgewählte Menschen, der Kurs war zunächst für Akademiker ausgeschrieben, er war auf ein Jahr angelegt und er hieß lange Zeit das „Laien-Jahr“. Bald wurde der Kurs auf zwei Jahre ausgedehnt und auch für Maturantinnen und Maturanten angeboten und schließlich für alle.
- Hat sich der ursprüngliche Auftrag (Erster Petrus-Brief 3,15) verändert, nämlich Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die die Christen erfüllt?
Dieser Auftrag ist immer Kernauftrag geblieben. Es ist der biblische Auftrag, jederzeit Rechenschaft zu geben für den Glauben, für die Hoffnung, die uns erfüllt. Das ist im Grunde auch der Motor jeglicher Theologie. Denn ohne theologische Reflexion kann ich nicht jemand anderem den Glauben argumentativ bezeugen. Diese Grundidee ist bleibend gültig.
Es gibt ein Zitat der Gründerin und langjährige Leiterin der Theologischen Kurse, Margarete Schmid, die das unvergleichlich formuliert hat: „Der Theologische Kurs soll Gläubige befähigen, auf dem Niveau über den Glauben denken und sprechen zu können, auf dem sie auch sonst zu denken und sprechen gewohnt sind.“ – etwa in beruflichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten. Der Glaube soll nicht in den Kinderschuhen steckenbleiben, sondern sprachfähig „erwachsen“, mündig werden.
- Gibt es heute eine Änderung bei den Zielgruppen? Oder eine Änderung beim Angebot?
Eine Entwicklung des Angebotes gab es immer. So wurde 1950 der Fernkurs erfunden, als Erweiterung auf ganz Österreich, letztlich auf den gesamten deutschen Sprachraum. Bis 1970 wurde ganz Deutschland in der Laienbildung von Wien aus theologisch versorgt. Es gab dann auch verschiedene Angebote für ältere Menschen. In den vergangenen fünfzehn Jahren hat sich das Angebot deutlich erweitert. Es kamen die Spezialkurse dazu, die thematisch sehr flexibel sind, angefangen von biblischen Fragen, die dann auch ins Detail gehen, über Weltreligionen bis hin zu Fragen von Theologie und Kunst. Hier gibt es eine breite Palette von kürzeren Kursen, die auch von Menschen besucht werden, die mit Glauben oder Kirche wenig am Hut haben.
- Nun gibt es auch Angebote für Jüngere, wie sieht dieses Angebot konkret aus?
Im Theologischen Kurs sind immer auch jüngere Menschen anzutreffen. Im Theologischen Fernkurs liegt der Altersdurchschnitt bei unter fünfzig Jahren. Im Rahmen der „Akademie am Dom“ haben wir die Schiene „u35“ begonnen, die sich an unter 35-Jährige richtet. Wir haben allerdings nicht genügend Ressourcen, um dies stark auszubauen. Da sind wir noch in den Anfängen. Aber wir sehen die Notwendigkeit. In der „Akademie am Dom“ ist der Eintritt für unter 25-Jährige kostenlos, um jüngere Menschen zum Kommen zu motivieren.
- Wie läuft das Lehren und Lernen im Theologischen Kurs ab? Noch immer Frontalunterricht oder anders?
Ich beginne mit zwei Polen, die dem Unterricht im Theologischen Kurs nicht entsprechen: Der eine Pol ist Frontalunterricht. Der Vortragende ist der Experte, der 80 Minuten spricht und dann gibt es noch zehn Minuten Fragemöglichkeit. Das ist das eine Extrem und findet so nicht statt. Das andere Extrem ist, dass Menschen sich austauschen und sagen: Ich sehe das so und ich sehe das so. Also eine Art gehobener theologischer Plausch, wo jeder sagt, was er meint. Das ist es auch nicht.
Im Theologischen Kurs pflegen wir einen gesprächsorientierten Vortragsstil: Das heißt, dass der Lehrende sehr wohl Input bringt, aber so, dass er die Fragen der Teilnehmenden im Blick hat, aufgreift, und dadurch auch die Thematik vertieft wird. Denn die Fragen der Teilnehmenden sind entscheidend für das Kursgeschehen. Ich sage – überspitzt formuliert – als Leiter zu den Lehrenden: Wenn du selber in einem Kurs von den Teilnehmenden nichts gelernt hast, dann hast du etwas falsch gemacht.
- Welche theologischen Themen gehen besonders gut?
Im Theologischen Kurs sind die Themen und Fächer vorgegeben. Innerhalb der Fächer gibt es schon Akzente. In den Fächern Altes Testament und Kirchenrecht meinen manche, dass das ganz fürchterlich werden könne. Später sagen sie: Ja, das gibt was her, das Alte Testament ist toll, oder: das Kirchenrecht ist wichtig. Da gibt es immer wieder „Aha-Erlebnisse“.
Im Bereich Kirchengeschichte sind zum Beispiel Dauerbrenner wie die Kreuzzüge oder Hexenverfolgung sehr gefragt, die in Streitgesprächen von den Teilnehmenden gesichertes Wissen und seriöse Argumente verlangen. Themen, mit denen ich selber als Katholik kritisch konfrontiert werde, sind meist auch im Kurs gefragt; etwa auch biblische Themen aber immer solche, die für den persönlichen Glauben relevant sind.
In der „Akademie am Dom“ sind Fragen des Verhältnisses von Naturwissenschaft und Glauben von besonderem Interesse oder auch das Grenzgebiet Glaube und Psychologie.
- Wie muss eine Theologie heute aussehen, damit sie bei den Menschen ankommt?
Es reicht nicht, wenn eine Theologie in dem Sinn vollständig ist, dass alles, was in dem jeweiligen Fach vorkommt, dargelegt wird. Theologie muss im Grunde zuerst schauen: Für welche Zeit, für welche Menschen betreibe ich Theologie, und von diesen Fragen her soll der Stoff dann entfaltet werden. Es ist also ein dialogisches Wechselspiel zwischen den Fragen der Menschen heute und dem, was vom Fach her vorgegeben ist. Theologie hat immer einen kirchlichen Auftrag, und muss letztlich darauf abzielen, der Kirche und dem Glauben der Menschen zu dienen. Im Ergebnis soll Theologie kirchlich relevant und kein Glasperlenspiel sein.
- Was wollen die Theologischen Kurse bis zum 100. Geburtstag 2040 erreichen?
Wir wollen weiterhin Christen und Christinnen sprachfähig machen und befähigen, in Kirche und Gesellschaft den Glauben kritisch und mündig einzubringen und andere auch zu begeistern.
Wir möchten zugleich Angebote setzen und ausbauen, die Menschen neugierig machen, die nicht kirchlich beheimatet sind. Etwa mit der „Basisinfo Christentum“, die darlegt, was Christen glauben. Da kann man sich als Nichtglaubender informieren, ohne die gewünschte Distanz aufzugeben; andere Angebote ermöglichen, dass im Kontext einer kirchlichen Akademie eine Linguistin, ein säkularer Historiker oder ein Psychologe, also nicht-kirchliche Wissenschaftler, sprechen, Resonanz finden und ins Gespräch kommen.
Für viele Menschen ist spürbar: Hier ist eine gute Atmosphäre, ein gutes Gesprächsklima. Das hören wir nicht selten von Vortragenden, die der Kirche nicht nahestehen. Aber auch die Teilnehmenden sehen: Da ist mitten in Wien am Stephansplatz ein kirchlicher Raum für offenes Gespräch und kritisches Fragen. Wo man nicht gleich niedergebügelt wird, wenn man eine Überzeugung äußert oder kritisch nachfragt. Diesen Raum wollen wir weiter bespielen, weiter gestalten und einladen, hier Kirche in einer anderen Form zu erleben, zu erfahren.
Autor:Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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