Stadtbummel durch Wien
Vielfältigen Katholizismus so nicht erwartet

Tor mit allerlei Formen von Rosen: „Das steht für mich einfach dafür, wie in unserer katholischen Kirche wirklich eine Liebe zum Detail existiert“, zeigt sich Christopher Paul Campbell im Interview mit radio klassik Stephansdom-Redakteur Stefan Hauser fasziniert von der Kirche „Maria Rotunda“ im ersten Wiener Gemeindebezirk. | Foto: Markus A. Langer
2Bilder
  • Tor mit allerlei Formen von Rosen: „Das steht für mich einfach dafür, wie in unserer katholischen Kirche wirklich eine Liebe zum Detail existiert“, zeigt sich Christopher Paul Campbell im Interview mit radio klassik Stephansdom-Redakteur Stefan Hauser fasziniert von der Kirche „Maria Rotunda“ im ersten Wiener Gemeindebezirk.
  • Foto: Markus A. Langer
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

Christopher Paul Campbell, der neue Leiter des Begegnungszentrums der Ordensgemeinschaften „Quo vadis“, schildert bei einem Spaziergang durch die Wiener Innenstadt seine bisherigen Eindrücke von der österreichischen Bundeshauptstadt. Für ihn hat Religion immer etwas sehr Sinnliches – nicht nur für die Ohren, sondern auch für die Augen. Ganz im Verständnis der Mysterienspiele des Mittelalters.

Wir treffen Christopher Paul Campbell zum Stadtbummel an seiner neuen Wirkungsstätte, dem Begegnungszentrum der Ordensgemeinschaften im Zwettlerhof am Stephansplatz 6. Zuletzt war der Theologe, Altphilologe und Anglist für das Bistum Limburg tätig.

Sie sind jetzt einige Wochen in Wien. Was hat Sie denn in dieser Zeit bisher geprägt?
Also mich hat erstaunt, wie vielfältig der Katholizismus in Wien ist. Es ist natürlich klar, dass dieser in dieser Stadt sehr ausgeprägt ist. Aber wie viele verschiedene Schattierungen, Gruppen, Menschen und Persönlichkeiten vor Ort vorhanden sind, hat mich doch überrascht.

Was ist Ihr persönlicher Bezug zu Wien?
Wien ist eine wunderschöne Stadt, die an sich schon ein Magnet ist, oder? Außerdem wohnt meine Verlobte hier. Irgendwie hatte ich schon immer eine gewisse Sehnsucht nach Wien. Und jetzt bin ich da.

Das „Quo vadis“ hat einen bezeichnenden Namen: „Wohin gehst du?“ Was bedeutet das?
Ja, das ist die Frage: Ist es ein Labyrinth? Ist es ein Knotenpunkt? Ist es eine Startrampe? Oder ist es einfach ein verschlungener Weg oder ein gerader Weg von A nach B? Was bieten uns die vielen verschiedenen Ordensspiritualitäten an? Wir suchen den Kontakt mit den Menschen und versuchen, das gesamte Spektrum der Spiritualität abzubilden. Da steckt immer ein großes Fragezeichen dahinter und das ist auch das Belebende daran.
Jetzt gibt es diese Einrichtung, aber entscheidend ist, dass die Menschen dann zu Ihnen auch hineinkommen.
Wir sind eine der vielen Möglichkeiten, mit Katholizismus in Berührung zu kommen. Man kann Ausstellungen und Veranstaltungen besuchen. Man findet Ordensfrauen und Ordensmänner, mit denen man sich unterhalten und sie kennenlernen kann. Man hat ebenso die Möglichkeit, viel Information zum Pilgern, zum Unterwegssein an diesem Ort abzuholen.

Christopher Paul Campbell ist neuer Leiter des „Quo vadis?“, des Zentrums für Begegnung und Berufung der Ordensgemeinschaften in Wien. Er studierte katholische Theologie, Altgriechisch und Anglistik an der Goethe-Universität und der Hochschule der Jesuiten St. Georgen in Frankfurt am Main, sowie an der National University of Ireland in Maynooth. | Foto: Markus A. Langer
  • Christopher Paul Campbell ist neuer Leiter des „Quo vadis?“, des Zentrums für Begegnung und Berufung der Ordensgemeinschaften in Wien. Er studierte katholische Theologie, Altgriechisch und Anglistik an der Goethe-Universität und der Hochschule der Jesuiten St. Georgen in Frankfurt am Main, sowie an der National University of Ireland in Maynooth.
  • Foto: Markus A. Langer
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

Ihr Programm beinhaltet ein breites Spektrum. Was sind gerade Ihre Höhepunkte?
Momentan ist unsere Ausstellung „Lobau bleibt!“ eine sehr politische Angelegenheit, in der einerseits die Katholische Aktion involviert war und andererseits einige Ordensmitglieder aktiv waren (siehe Kasten rechts). Hier trifft sich der klassische politische Katholizismus mit den Organisationsformen von Orden. Ein bereits vergangener Höhepunkt war die Ausstellung der Franziskanerin Ruth Lackner. Da ist mir ganz klar geworden, wie seltsam eigentlich unser Glaube ist. Hier ist diese Ordensschwester, die irgendwo in der Steiermark geboren wird und ihre Oberin überzeugt, dass sie nach Wien kommen und Kunst studieren will. Und sie macht Kunst, die wirklich wahnsinnig berührend und interessant ist.

Sie selbst sind auch durchaus von Kunst und Kultur geprägt.
Ich lese gerne unglaublich dicke Romane, aber auch Gedichte. Ich liebe das Theater und höre wahnsinnig gerne Musik. Das sind Kunstformen, die wirklich eine Hingabe brauchen. Das ist so ähnlich, wie man religiöses Leben sucht. Man entscheidet sich für einen Weg und den geht man dann. Das beeindruckt mich. Es berührt mich jedes Mal, wenn ich Musik höre oder gute Literatur lese oder auch Menschen sehe, die ihre Religion ernst nehmen.

Sie werden bestimmt öfters auf Ihren Namen angesprochen.
Mein Name ist vielleicht schottischen Ursprungs, aber mein Vater ist Amerikaner und ich bin in den USA aufgewachsen, in Massachusetts in der Nähe von Boston. Mein Vater war Offizier in der Army und meine Mutter war eine deutsche Krankenschwester. Das ist in Bayern und auch im Rhein-Main-Gebiet eine klassische Kombination, wenn ich mal so sagen darf. Irgendwann ist mein Vater dann vom Militär ins Auswärtige Amt gewechselt. Die gesamte Familie ist nach Unterfranken zurückgekommen, weil der Vater in Frankfurt gearbeitet hat. So bin ich in Amerika und in Franken aufgewachsen.

Wir stehen vor Maria Rotunda, der Kirche der Wiener Dominikaner. Diese war jetzt längere Zeit eingerüstet, auch für die Öffentlichkeit nicht betretbar, weil sie renoviert wurde. Warum ist das für Sie ein prägender Ort?
Das war eine der ersten Kirchen, die ich ein bisschen näher kennenlernen durfte. Der Prior des Dominikanerklosters, Pater Günter Reitzi, hat vor zwei Wochen eine Führung gemacht. Das ist natürlich eine ganz besondere Sache, wenn man vom Prior die eigene Kirche vorgestellt bekommt, die er gerade noch so aufwendig hat restaurieren lassen.

Wir können noch den Odem der Erneuerung spüren. Hier riecht es ganz frisch nach Farbe. Wir sind bewusst an einem Tor angekommen, das ganz golden strahlt.
Vor allem hat es auch diese wunderschönen Grüntöne. Wir sind in der zweiten Nebenkapelle. Natürlich ist jeder Winkel in dieser Kirche wunderschön. Aber das ist ein schmiedeeisernes Tor mit so vielen Rosenformen. Das steht für mich einfach dafür, wie in unserer katholischen Kirche wirklich eine Liebe zum Detail existiert. Übrigens, in dem Schloss dieses Gittertors wurde ein kleiner Zettel von dem Schmied zurückgelassen, der das 1769 angefertigt hatte. Es ist nicht nur sozusagen die Liebe zum Detail, es bedeutet auch, ein Stück von sich selbst hineinzugeben und eine Botschaft von sich zu hinterlassen.

Wir haben unseren Weg durch die Wiener Innenstadt fortgesetzt und stehen nun auf der Freyung.
Dieser Ort mit dem Schottenkloster erinnert mich daran, dass iro-schottische, also irische, Mönche große Teile Europas christianisiert haben. Sie haben eine Form von Christentum mitgebracht, das monastische Christentum. Das Schottenstift steht als Zeichen der monastischen Tradition in Wien. Wir wären nicht katholisch, wenn sozusagen die Orden mit der Bischofskirche nicht in einem ständigen Gerangel gewesen wären. Diese zwei Führungsstile der Kirche – episkopal oder monastisch – haben historisch immer miteinander gerungen. Es gab einen Streit auf den Britischen Inseln: Sollte das Gebiet durch diözesane Strukturen eingeteilt werden und christlich gemacht werden? Oder sollte das Netzwerk von Klöstern der Stil der Kirche sein?

Man kann sagen, es gibt ein So­wohl-als-auch. Oder was meinen Sie?
Auf jeden Fall zählt dieses produktive Miteinander und Ineinander. Auf was ich noch hinweisen möchte: Am Schottenstift gab es im Mittelalter so eine Art Theater wie in ganz Europa. Denken Sie an die Mysterienspiele in York oder auch an andere Orten, wo biblische Szenen zur theatralen Aufführung kamen. Oder denken Sie nur an Hofmannsthals Jedermann. Dieses Mysterienspiel erinnert mich immer daran und das Schottenstift damit auch, dass die katholische Kirche eine theatralische Religion ist. Das ist schön. Und ich finde, wir sollten uns immer so ein bisschen in Acht nehmen vor den „Hörern des Wortes“, und immer wieder entdecken, dass unsere Religion etwas sehr Sinnliches ist.

Radiotipp

Den akustischen Stadtbummel durch Wien mit Christopher Paul Campbell hören Sie auf radio klassik Stephansdom

Zum Nachhören ...
Tor mit allerlei Formen von Rosen: „Das steht für mich einfach dafür, wie in unserer katholischen Kirche wirklich eine Liebe zum Detail existiert“, zeigt sich Christopher Paul Campbell im Interview mit radio klassik Stephansdom-Redakteur Stefan Hauser fasziniert von der Kirche „Maria Rotunda“ im ersten Wiener Gemeindebezirk. | Foto: Markus A. Langer
Christopher Paul Campbell ist neuer Leiter des „Quo vadis?“, des Zentrums für Begegnung und Berufung der Ordensgemeinschaften in Wien. Er studierte katholische Theologie, Altgriechisch und Anglistik an der Goethe-Universität und der Hochschule der Jesuiten St. Georgen in Frankfurt am Main, sowie an der National University of Ireland in Maynooth. | Foto: Markus A. Langer
Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ