Vom Suchenden zum Bischof
Meine Freundschaft mit Jesus

Erste Station an der Rückseite des Stephansdoms. Stefan Hauser unterwegs mit Weihbischof Franz Scharl durch die Wiener Innenstadt. | Foto: Markus A. Langer
  • Erste Station an der Rückseite des Stephansdoms. Stefan Hauser unterwegs mit Weihbischof Franz Scharl durch die Wiener Innenstadt.
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Franz Scharl ist seit eineinhalb Jahrzehnten Weihbischof in der Erzdiözese Wien. Sein Weg zum Glauben dauerte, wurde aber umso intensiver. Das Gleiche gilt für seine geistliche Berufung. In der Reihe „Stadtbummel“ auf radio klassik Stephansdom machte sich Stefan Hauser mit dem Wiener Weihbischof in Wiens Innenstadt auf den Weg. DER SONNTAG bringt Auszüge aus dem kurzweiligen Spaziergang.

Der SONNTAG: Sie stammen aus dem salzburgischen Flachgau. In welche Familie sind Sie hineingeboren?
Weihbischof Franz Scharl: Meine Eltern sind Landwirte, meine Geschwister auch. Ihre Ehepartner stammen aus Oberösterreich.

  • Wer aus Salzburg kommt, ist ein guter Skifahrer. Wie ist das bei Ihnen?

Unser Blick von zu Hause ging zu den Bergen in Bayern, der nächstgelegene Berg war für uns der Haunsberg mit 800 Metern Seehöhe. Der Hermann Maier kommt aus Flachau und ich aus dem Flachgau, er ist ein ordentlicher Skifahrer, ich nicht.

  • Wie war das Glaubensleben zu Hause?

Der Vater war nüchtern, glaubend, die Mama war emotionaler, aber ein bisserl zweifelnder. Mir hat das Ministrieren sehr viel bedeutet, es hat mich fasziniert. Das war auch sehr verbindend und daher kommt auch meine Ursprungsbeziehung zum Glauben. Jesus als Freund, so würde ich das bezeichnen, das hat mich durch die Zeiten getragen.

  • Aber es war durchaus ein Weg, den sie gehen mussten bis zur Berufung?

In Salzburg habe ich die Handels– akademie besucht, mit Blick auf die Wirtschaft. Aber damals haben mich Philosophie und Volkswirtschaftslehre interessiert. Ich ging dann nach Wien, um Philosophie und Völkerkunde – Ethnologie – zu studieren.

  • Da gibt es natürlich auch spezielle Richtungen?

Primär war es die Dialogphilosophie, Buber, Rosenzweig und Ebner, über den habe ich auch die Dissertation geschrieben. Bei der Ethnologie ist es die Vielfalt an Musik, Bräuchen und Zugängen.

  • Sind Sie da auch viel gereist?

In den 70er-Jahren bin ich viel in Europa herumgereist, einer meiner Freunde war auch in Afghanistan. Für mich prägend war 1976 eine Reise in die damalige UdSSR nach Moskau, Kiew und Leningrad (Anm.: St. Petersburg), die eine Lehrerin von uns organisiert hat. Die Eremitage hat mich fasziniert, ins Leninmausoleum bin ich aber nicht gegangen.

„In der Studienzeit war ich auf der Suche nach Spiritualität.

  • Ihrer Studienzeit sind Sie oft in die Wiener Ruprechtskirche gegangen, warum?

Das hat mit meiner Salzburger Herkunft und den Heiligen Rupert und Virgil zu tun. Ich selber stamme aus einer Pfarre aus dem achten Jahrhundert. Meine Pfarre gehört zu den Salzburger Urpfarren und insofern habe ich hier schon eine Verbindung. Die Salzburger waren unterwegs auf Mission. Die haben das ernst genommen. Das ist hochaktuell auch heute.

  • Sie waren in Ihrer Studienzeit u. a. Gärtner im Hotel Modul, auch Nachtportier im Hotel Amadeus. Da gab es auch einen gefährlichen Moment?

Ich war Nachtportier im Hotel Amadeus am Wildpretmarkt. Das war in den frühen 1980er-Jahren, als ich auch noch bei der Yoga-Gemeinschaft war. Das Hotel wurde von einigen auch als Stundenhotel genützt und ich wurde gebeten, solche Gäste außen vor zu halten. Und da habe ich einen Gast gebeten, wieder hinauszugehen. Er kündigte an, mich mit der Pistole zu bedrohen, dann ist er verschwunden.

  • Wie ist es dann gekommen, dass Sie Ihre geistliche Berufung verspürt haben und dieser auch nachgegeben haben?

Das ist eine komplexe Geschichte. Ich war ja Ministrant und es gab wie erwähnt meine Freundschaft mit Jesus. In der Studienzeit war ich auf der Suche nach Spiritualität. Und Vielfalt war ein Thema. Zu Spiritualität gab es damals ein Angebot an der Universität Wien, integraler Yoga hat das geheißen. Das hat mich interessiert. Ich kam dann aber in Konflikt mit mir selber. Wie ist dieser Weg in der Yoga-Gemeinschaft? Passt das zu mir oder nicht? Mit der Reinkarnation habe ich nichts am Hut gehabt. Das war schon ein interner Clinch mit mir. Und da musste ich eine Entscheidung treffen.

  • Wie kamen Sie zu einer Entscheidung?

Kirchen wie die Michaelerkirche und Annakirche waren da sehr entscheidend zum Nachdenken für mich. Auch die Frage, wofür soll ich mein Leben einsetzen? Spiritualität war für mich ja lebensbegleitend und da kam die Frage auf nach der priesterlichen Berufung. Aber wenn ich Priester werden soll, dann muss ich Th eologie studieren. Und das war dann schon eine Entscheidung, zu schauen, wie geht’s mir denn? Passt das jetzt wirklich zu mir, oder spinne ich? Ich habe auch begonnen, mich in der katholischen Kirche zu akklimatisieren. Anfang Juli 1986 habe ich dann beim Regens des Priesterseminars, Josef Toth, angeklopft.

„Seelsorge ist eine sehr bunte Angelegenheit – von der Universität bis zum Knast.“

  • Wie hat man das zu Hause aufgenommen?

Mein Vater war noch immer nicht voll überzeugt. Aber dann, bei meiner Bischofsweihe, hat er das akzeptiert, dass ich den Weg beschritten habe.
Dieser Weg führte Sie vom Kaplan bis zum Bischof. Sie sind einer der beiden Weihbischöfe in der Erzdiözese Wien. Was gibt es da an Aufgaben für Sie? Ich sage immer kurz und bündig, ich bin der Hilfsarbeiter vom Herrn Erzbischof. Die Arbeit besteht darin, dass ich bestimmte Aufgabenbereiche übertragen bekommen habe in der Kategorialen Seelsorge und für die anderssprachigen Gemeinden. Seelsorge ist eine sehr bunte Angelegenheit. Das reicht von der Universität bis zum Knast, darin gibt es viele Bereiche. Einer davon ist die Telefonseelsorge, die gerade in der Pandemie sehr bekannt wurde, denn es gibt viel seelische Not, speziell auch durch die Einsamkeit.

„Wenn wir bereit sind, Jesu Worte auch zu tun, dann haben wir eine gute Zukunft.“

  • Ist die Kategoriale Seelsorge sehr nahe dran an den Lebensrealitäten der Menschen?

Eng verbunden sein, das ist der Keypoint. Und das verstehen die Menschen. Ich sage immer, es ist ganz wichtig, dass ich jeden Menschen als Gleichnis Gottes sehe. Das ist ein fundamentaler Zugang zu jedem Menschen, ob er glaubt oder nicht glaubt.

  • Sie sind auch Bischofsvikar für die anderssprachigen Gemeinden, diese geben ja ein sehr buntes Bild für die Kirche Wiens ab?

Wien ist in Österreich sicher die bunteste Stadt. Ich glaube, das kann man schon sagen. Und darum passt es für mich sehr gut. Katholische Kirche und viele Völker, Sprachen, Mentalitäten. Ja, das macht mir Freude. Und das verbindet sich auch ein Stück mit meinem Studium der Völkerkunde, da ist eine Brücke vorhanden. Das Interesse an diesen verschiedenen Punkten und edlen Fäden, die die Kirche auch hat.

  • Und wohin, Herr Weihbischof, geht Ihrer Meinung nach die Kirche heute?

Das hängt von denen ab, die hier in der Kirche drinnen sind und sich bewegen. Ich sage, wenn wir bereit sind, auf Jesu Wort zu hören, wenn wir bereit sind, Jesu Worte auch zu tun, vor allem auch in der Bergpredigt, und diesen Lebensstil zu entwickeln, dann haben wir eine gute Zukunft aus der Kraft des Heiligen Geistes. Da bin ich zuversichtlich.

Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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