Zur EM 2021 - Aus dem Leben einer Fußballlegende
„I´m very well, thank you“

Ankunft von Sophia Loren am Flughafen Wien-Schwechat im Jahr 1959. An ihrer Seite: Pressebetreuer Hans Menasse. | Foto: Votava / Imagno / picturedesk.com
4Bilder
  • Ankunft von Sophia Loren am Flughafen Wien-Schwechat im Jahr 1959. An ihrer Seite: Pressebetreuer Hans Menasse.
  • Foto: Votava / Imagno / picturedesk.com
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

Als Sohn eines jüdischen Vaters flüchtet Hans Menasse im Alter von acht Jahren mit einem „Kindertransport“ vor der Nazi-Verfolgung nach England. Dort erfährt er durch den Fußballsport gesellschaftliche Integration. Nach seiner Rückkehr wird er zum gefeierten Fußballer und startet seine berufliche Karriere als Pressechef eines amerikanischen Filmverleihs.

Hans Menasse ist zufrieden. Er hat seinen täglichen Spaziergang in der Nähe des Hundertwasserhauses in Wien-Landstraße, wo er mit seiner Frau Christine lebt, unternommen. „Das brauche ich, um in Bewegung zu bleiben“, schildert der großgewachsene 91-Jährige. Neun Jahrzehnte Leben bringen naturgemäß viel an Geschichte mit sich. Bei Menasse ist das mehr als zutreffend.

Kinderverschickung nach England
Am 5. März 1930 erblickt er in Wien das Licht der Welt. Mutter Adolphine ist Sudetendeutsche und Katholikin, Vater Richard jüdischer Herkunft. Hans wächst mit seinem Bruder Kurt und Schwester Gertrude in Döbling auf. Zum nahen Fußballplatz der Vienna auf der Hohen Warte nimmt ihn sein Vater oft mit.

Doch 1938 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ändert sich das Leben der Menasses schlagartig. Die Wohnung wird arisiert, innerhalb weniger Tage müssen sie ausziehen und zur Großmutter in die Liechtensteinstraße übersiedeln. „Die Wohnung war im sechsten Stock ohne Lift, mir hat das nichts ausgemacht“, erinnert er sich. Ein tragischer Umstand ist jedoch, als die 84-jährige Großmutter in das KZ Theresienstadt abtransportiert wird, ein paar Tage danach stirbt sie. Wenig später müssen die Menasses auf die sogenannte „Mazzesinsel“ in die Leopoldstadt ziehen.

In dieser Situation nützen die Eltern von Hans und Kurt Menasse die Möglichkeit, ihre beiden Söhne mit einem „Kindertransport“ vom Westbahnhof aus nach England zu schicken, während die Schwester nach Kanada geht. Hans ist gerade mal acht Jahre alt: „Meine Eltern sagten, das ist wie ein Abenteuer, wir kommen bald nach.“ In Wien versuchen die Nazis jedoch die Mutter zur Scheidung zu bewegen: „Dann hätten sie meinen Vater auf schnellstem Weg in ein Konzentrationslager abtransportiert.“

Noch vor der Ankunft im Dezember 1938 in London, während der Reise, erkrankt Hans an Scharlach: „Eine Krankenschwester brachte mir in einem Londoner Spital die ersten englischen Worte bei. Sie sagte, wenn der Doktor kommt und sich nach meinem Befinden erkundigt, soll ich sagen: ‚I’m very well, thank you‘.“ Und das macht Hans.

Jugendzeit am Land
Als im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbricht, schickt man die Schulkinder zu Pflegefamilien aufs Land. Hans kommt nach Dunstable im Süden Englands zur Familie Cook. Dort erfährt er Herzenswärme, die er als kleiner Bub in dieser schwierigen Zeit so nötig hat.

„In der Gasse haben wir Fußball gespielt und da hat man auch mein Talent entdeckt“, erinnert sich Menasse. Ein Scout holt in zur Mannschaft von Luton Town. Jahre später arbeitet Hans in einer Firma, in der Zündkerzen gefertigt werden und zeigt Talent als technischer Zeichner.

Sein älterer Bruder Kurt schließt sich der englischen Armee an und möchte in Europa für die Befreiung Österreichs kämpfen. „Er ist allerdings nach Burma gekommen, in den Krieg gegen die Japaner. Die tropischen Verhältnisse setzten allen sehr zu“, weiß Hans Menasse. Kurt ist es, der brieflich über die Jahre Kontakt mit den Eltern halten kann, Schwester Gertrude möchte beide nach Kanada holen, verstirbt aber. Kurt kommt als britischer Soldat später in die Steiermark, von wo er die Eltern unterstützen kann.

Erfolgreiche Fußballerkarriere
1947, neun Jahre nach dem Verlassen der Wiener Heimat, geht es für Hans zurück. Ein tränenreiches Wiedersehen mit den Eltern und dem Bruder folgt am Westbahnhof. Aber da er über Jahre kein Deutsch gesprochen hat, ist es mit der Kommunikation schwierig. Leichter ist es mit dem Fußball. Sein Talent führt ihn zur Vienna. Dort wird er zum erfolgreichen Stürmer.

In der Saison 1950/51 feiert Menasse sein Debüt in der A-Liga. In der Saison 1954/55 trägt er wesentlich zum Meistertitel der Döblinger bei. Gleichzeitig fängt Menasse aber bei einem US-amerikanischen Filmverleih in der Neubaugasse zu arbeiten an: „Von unserem Hausmeister erhielt ich den Tipp mich dort zu bewerben, meine Englischkenntnisse waren natürlich sehr hilfreich.“ Menasse wird genommen und macht dann bald Pressearbeit.

1954 folgt eine sportliche Enttäuschung. Knapp vor der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz, wo Hans im erweiterten Kader steht, erkrankt er. „Ich habe in einer Ausspeisung Knödel mit Ei gegessen, da habe ich mich mit Salmonellen vergiftet. Ich war gelb wie ein Postkastl.“ Anstatt bei der WM verbringt Hans Menasse die Zeit im Krankenhaus.

Nach der Gesundung kommt er nur mehr selten bei der Vienna zum Einsatz und wechselt zu Jahresbeginn 1959 zur Wiener Austria. „Dort habe ich einen meiner besten Freunde, den Joschi Walter kennen und schätzen gelernt“. Danach ist Menasse in den 1960er Jahren noch bei einigen unterklassigen Vereinen tätig, darunter der Kremser SC, der SC Helfort und der Wiener AC.

Betreut Filmstars
47 Jahre lang betreut Hans Menasse aber die Pressearbeit für amerikanische Filme, die in Wien Premiere haben. Er schreibt die Texte, lädt die Stars in die Bundeshauptstadt ein und motiviert die Filmjournalisten zur Berichterstattung. Menasse betreut unter anderen Danny Kaye oder Sophia Loren.

Dazu schildert er: „Die Loren wollte immer alle Pressefotos sehen, bevor sie weitergegeben wurden. Ich wartete bei ihr auf Freigabe und sie meldete sich nicht. Die Journalisten drängten und so gab ich eines frei, das sie nicht kannte. Sie hat mir den Kopf gewaschen, ich bin aber cool geblieben.“

Seine zweite Ehefrau Christine lernt er beim Filmverleih kennen. Und seine Begabung gute Texte zu schreiben, die hat Hans Menasse wohl in der Familie vererbt. Denn sowohl Sohn Robert, aus erster Ehe wie auch Tochter Eva gehören zu den besten Autoren des Landes, Tina ist eine anerkannte Biologin und Enkelin Sophia Radiojournalistin.

Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ