Warum der Glaube gut tut
Glaube, Liebe, Demut als Angstlöser
Niemand glaubt deswegen an Gott, weil er es für vernünftig hält – so wie man nicht deswegen lieben kann, weil es einem Vorteile verspricht. Aber dessen ungeachtet bietet die wissenschaftliche Forschung genug Hinweise, dass der Glaube dem Menschen gut tun kann. Ein Beispiel: Gläubige Menschen erleben tendenziell weniger Angst.
Ist es vernünftig, an Gott zu glauben? Am Mittwoch, 4. März 2020, werden zwei Mathematiker darüber diskutieren: John Lennox aus Oxford und der Wiener Rudolf Taschner (20.00 Uhr im Audimax der Uni Wien). Die Frage zielt auf die Unbeweisbarkeit Gottes, von der manche meinen, die wäre einem aufgeklärten, wissenschaftlich denkenden Menschen nicht zuzumuten. Sie berührt aber auch die Ansicht, dass Religion das Leben mies mache und somit für jeden Lebenslustigen unvernünftig sei. So lautete die Botschaft einer von kämpferischen Atheisten organisierten Werbekampagne: „Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Also hör auf, dir Sorgen zu machen und genieße dein Leben!“
Ich möchte hier in den nächsten Wochen der Frage nachgehen, ob gläubige Menschen ihr Leben tendenziell mehr oder weniger genießen als andere. Ob also der Glaube gut tut. Beginnen möchte ich mit: der Angst. Immerhin ist „Fürchtet euch nicht!“ zentral im Neuen Testament. Und Angst ist in unserer Zivilisation weit verbreitet, gerade gut beobachtbar in der Furcht vor dem Corona-Virus. Was sagt uns da die Wissenschaft – werden religiöse Menschen weniger von Angst geplagt als andere? Der katholische Psychiater Raphael Bonelli bejaht dies im Gespräch mit dem SONNTAG: „Es ist zwar nicht ganz so eindeutig zu sehen wie etwa die mildernde Wirkung von Religiosität auf Selbstmordneigung, Depression oder Suchtgefahr. Aber die meisten Studien zeigen doch eine Korrelation zwischen Glaube und weniger Angst.“
Zu diesem Schluss kam auch eine 2017 veröffentlichte Auswertung von Hunderten wissenschaftliche Arbeiten: Die meisten von ihnen zeigten einen Zusammenhang zwischen Religiosität und verminderter Todesangst. Und, wie der „Spiegel“ berichtete, gab es einen „Unterschied zwischen Menschen, die aus eher pragmatischen Gründen, etwa wegen des sozialen Umfelds, eine Religion praktizierten und jenen, die tatsächlich tief gläubig waren. Die Tiefgläubigen hatten demnach weniger Angst vor dem Tod als die Zweckgläubigen.“
Zu einer einfacheren Aussage kam 2019 das US-Meinungsforschungsinstitut Barna (mit evangelikalem Hintergrund), das in einer Umfrage unter 15.000 Menschen zwischen 18 und 35 Jahren in 26 Nationen feststellte, dass regelmäßige Kirchgänger zu 22 Prozent über Angstzustände klagen, gegenüber 33 Prozent der Nicht-Kirchgänger.
Der wahre Gegensatz des Glaubens
Freilich kennt die Psychiatrie auch religiöse Angststörungen, wo Menschen sich von Gott nicht geborgen, sondern bedroht fühlen. Im Allgemeinen aber gilt Religion als probater Angstlöser. So hat etwa der Psychoanalytiker Fritz Riemann in seinem Standardwerk über die „Grundformen der Angst“ zu den „Gegenkräften“ neben „Mut, Vertrauen, Erkenntnis, Macht, Hoffnung“ auch „Demut, Glaube und Liebe“ gezählt.
Das Christentum geht aber noch tiefer. So sieht etwa der Priester und Theologe Eugen Biser, dass „nicht, wie allgemein angenommen, der Unglaube, sondern die Angst als der wahre Gegensatz des Glaubens zu gelten hat.“ Christus sei der Angstüberwinder schlechthin: durch die Botschaft vom bedingungslos liebenden Gott, mit der Christus „den Schatten des Angst- und Schreckenerregenden aus dem Gottesbild der Menschheit getilgt“ hat. Und durch die Auferstehung, die der Angst, dem „vorweggenommenen, täglich vorgefühlten Tod“, den Stachel genommen hat. Ist es eben doch so, wie es im 1. Johannesbrief steht? „Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht.“
Autor:Michael Prüller aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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