Die Kirche & ich
Der lebendige Gott und die tote Materie

Anton Zeilinger, Physiker und frischgebackener Nobelpreisträger, hat wiederholt öffentlich erklärt, dass ein wissenschaftliches Weltbild durchaus mit einer Gottesvorstellung vereinbar ist. | Foto: Jacqueline Godany
  • Anton Zeilinger, Physiker und frischgebackener Nobelpreisträger, hat wiederholt öffentlich erklärt, dass ein wissenschaftliches Weltbild durchaus mit einer Gottesvorstellung vereinbar ist.
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Im Jahr 1916 führte der amerikanische Psychologe James Leuba eine Umfrage unter 1.000 Naturwissenschaftlern über ihren Glauben durch. Das Ergebnis: 41 Prozent waren Atheisten, 17 Prozent waren Zweifler oder Agnostiker und 42 Prozent glaubten an einen Gott. Leuba, selbst ein Atheist, prognostizierte damals, dass mit dem Anwachsen der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse auch der Unglaube wachsen würde und dass das Christentum wohl den Glauben an den personalen Gott und die Unsterblichkeit der Seele werde aufgeben müssen.

80 Jahre später wurde die Umfrage wiederholt. Und siehe da: Im Jahr 1996 waren 46 Prozent Atheisten, 15 Prozent Zweifler oder Agnostiker, 39 Prozent bekannten sich zum Glauben an Gott. In 80 Jahren hat sich, was den Glauben der Naturwissenschaftler betrifft, kaum etwas verändert. Gott ist immer noch nicht so richtig tot. Auch Anton Zeilinger, Physiker, frischgebackener Nobelpreisträger (wir gratulieren!) und seit fast 60 Jahren Mitglied einer katholischen Studentenverbindung, hat wiederholt öffentlich erklärt, dass ein wissenschaftliches Weltbild durchaus mit einer Gottesvorstellung vereinbar ist. Als „transzendenzoffen“ hat ihn unser Kardinal gewürdigt.

Spannend ist übrigens das Spektrum aller österreichischen Physik-Nobelpreisträger. Victor Franz Hess war aktiver Katholik, der deshalb (und wegen seiner jüdischen Frau) von den Nazis verfolgt wurde. Die anderen waren vielleicht nicht so klar positioniert – Erwin Schrödinger mit seinem intensiven Interesse für fernöstliche Lehren und Wolfgang Pauli mit seinem von Carl Jung inspirierten Mystizismus – aber große Suchende und Staunende waren sie alle. Kann sich denn ein wirklich großer Geist mit toter Materie allein begnügen?

Autor:

Michael Prüller aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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