Meinung
Bizarre Mode

Wir kennen alle mittlerweile beklemmende Dokumentationen über das Milliardengeschäft Billigmode und deren bizarren Auswüchse. Die Großkonzerne haben alles fest im Griff, packeln mit den jeweiligen Regierungen und beuten somit in diesen Ländern die Arbeiter aus. Mit Besorgnis beobachte ich diese Entwicklung in der Modebranche - nicht nur aus moralischen Gründen. Das Schneiderhandwerk, das die Mode zur Kultur werden lässt, stirbt aus!

Natürlich gibt es die großen Designer, die noch so etwas wie Kunst und Kultur in ihren Modellen vertreten, aber das ist nur mehr für einen kleinen Kreis von Konsumenten erschwinglich. Wien war in Sachen Mode Anfang des 20. Jahrhunderts gemeinsam mit Paris führend. Vor allem die Künstler der Wiener Werkstätten (1903 – 1932) hatten den Mut, Neues zu schaffen, auch auf dem Gebiet der Mode. Der Abgesang der Modekunst begann in den Fünfzigerjahren. Die letzten großen Modekünstler in Wien waren Fred Adlmüller, Gertrud Höchsmann und Adele List (mit ihren extravaganten Hüten). Aber auch diese Zeiten sind längst dahin. Die Globalisierung bescherte uns die Modeketten, die weltweit ein und dieselben Modeartikel vertreiben. Da gibt es keine Individualität mehr und die Größenangaben müssen sowohl im europäischen, amerikanischen wie asiatischen Raum passen. Was natürlich nicht funktioniert.

Und nicht genug damit, es wird absichtlich zum Wegwerfen produziert, menschenverachtend und toxisch hergestellt. Uns sollte bewusst sein, dass hinter jedem billigen Kleidungsstück ein ausgebeuteter Mensch steht, vergiftete Böden und verseuchte Flüsse in der Nähe solcher Fabriken normal sind. Auswüchse einer habgierigen Industrie! Und ja, wir sollten ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir ein T-Shirt um 4,90 Euro kaufen, denn wir machen uns damit mitschuldig! Ich habe auch keine Lösung, denn wir sind schon viel zu tief in diesen Teufelskreis eingetaucht. Aber ich glaube, mit Konsumverzicht und Umdenken könnten wir gegensteuern. Nicht die Konzerne sollten uns diktieren, was wir zu kaufen haben, wir sollten mit unserem Konsumverhalten die Modeindustrie beeinflussen. Das mag naiv gedacht sein, aber irgendwo müssen wir anfangen!

Nostalgische Mode: flovintage.com

Ingrid Raab(80) führt seit mehr als 40 Jahren mit viel Liebe für nachhaltige Mode die Boutique „Flo Vintage“ in Wien.

Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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