Figuren aus Stein
Symbole für den Kampf zwischen Gut und Böse

Im Mittelalter galt das Innere des Doms als Abbild des Himmels, des Paradieses. Dieses galt es vor den bösen Einflüssen der Umwelt zu schützen. Deshalb sind die Wasserspeier als wehrhafte raubtierartige Gestalten geschaffen. | Foto: Markus A. Langer
7Bilder
  • Im Mittelalter galt das Innere des Doms als Abbild des Himmels, des Paradieses. Dieses galt es vor den bösen Einflüssen der Umwelt zu schützen. Deshalb sind die Wasserspeier als wehrhafte raubtierartige Gestalten geschaffen.
  • Foto: Markus A. Langer
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

In Stein gemeißelte Tiere sind seit jeher ein bedeutender Bestandteil der mittelalterlichen Kirchen, so auch der Domkirche von St. Stephan. Ein kleiner Rundgang mit Dombaumeister Wolfgang Zehetner.

Wenn man den Stephansdom aufmerksam betrachtet, von innen und außen, so fallen an vielen Stellen zahlreiche Steinfiguren auf. Viele von ihnen sind entweder symbolische Fabelwesen – oder tatsächlich reale Abbildungen von existierenden Tieren. Meistens haben diese Figuren eine doppelte Bedeutung, erklärt Wolfgang Zehetner: „eine symbolische und eine praktische.“

Zum Beispiel die auffälligen Wasserspeier, die auf Dachhöhe nach außen ragen und das Regenwasser abführen. Neben dieser ganz praktischen Aufgabe, haben die mystisch gestalteten Speier aber auch eine symbolische Bedeutung. Zehetner: „Im Mittelalter galt das Innere des Doms als Abbild des Himmels, des Paradieses. Dieses galt es vor den bösen Einflüssen der Umwelt zu schützen. Deshalb sind die Wasserspeier als wehrhafte raubtierartige Gestalten geschaffen. An manchen Stellen sind es naturgetreue Abbildungen von Tieren, wie Hunde oder Stiere, an anderen Stellen aber auch Fabelwesen, Drachen oder löwenartige Tiere.“

Antike Geschichte vom Goldenen Vlies

Auf einen Wasserspeier an der Südfassade des Stephansdom ist Franz Zehetner ist besonders stolz. Auf den ersten Blick sieht man einen Widderkopf, unten ein menschliches Wesen mit Gewand und Gürtel. Ganz klein schaut die Nase und Mund des Menschen heraus, der sich gerade den Widderkopf überstülpt. „Das zeigt meiner Ansicht nach die antike Geschichte vom Goldenen Vlies, von Jason und Medea“, sagt der Dombaumeister. „Der Speier wurde zu der Zeit hergestellt, als der Orden vom Goldenen Vlies nach dem Aussterben der Burgunder Herzöge durch die Hochzeit der Erbin Maria von Burgund mit Kaiser Maximilian I. auf die Habsburger überging.“

Maximilians Vater, Kaiser Friedrich III. hat sich als letzte Ruhestätte im rechten Kirchenschiff ein Hochgrab errichten lassen. Auf ihn sind verschiedene Tiere zu erkennen: eine kleine Kirchenmaus, ein Affe mit menschlicher Gestalt, eine Kröte, ein Fabelwesen mit großen Ohren mit löwenartigem Hinterteil, eine Eule, ein Widder mit menschlichem Antlitz.

Der Zeit voraus

Fasziniert ist Wolfgang Zehetner von dem, was er als Vorwegnahme des Kubismus eines Pablo Picassos bezeichnet, zu sehen im romanischen Teil des Doms, in der Westempore: „Zwei stachelartige Tierkörper kommen in einem Kopf zusammen. Der Kopf schaut den Betrachter von vorne an. Es ist nicht ganz klar, stammen die Augen von einem einzigen Kopf oder von zwei Köpfen in seitlicher Stellung.“

Vorwegnahme des Kubismus eines Pablo Picassos: Zwei stachelartige Tierkörper kommen in einem Kopf zusammen. | Foto: Markus A. Langer
  • Vorwegnahme des Kubismus eines Pablo Picassos: Zwei stachelartige Tierkörper kommen in einem Kopf zusammen.
  • Foto: Markus A. Langer
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

Wenn man vor dem Riesentor, dem großen Eingangstor an der Westseite des Stephansdoms steht, sieht man in einer Nische rechts ein Tier dargestellt, das es in Wirklichkeit nicht gibt. Einen Greif – halb Vogel, halb Löwe – der einen Menschen in seinen Krallen hält.

Ebenfalls zu sehen: ein Löwe mit dem Löwenbändiger Samson: „Hier sieht man, wie man sich im Mittelalter einen Löwen vorgestellt hat. Proportionen stimmen nicht ganz, aber doch einigermaßen naturgetreu“, sagt Dombaumeister Zehetner.

Am oberen Ende des Treppenlaufes der Kanzel sitzt ein steinernes Hündchen, das aufpasst, dass kein Kriechgetier den Prediger erreicht. | Foto: Markus A. Langer
  • Am oberen Ende des Treppenlaufes der Kanzel sitzt ein steinernes Hündchen, das aufpasst, dass kein Kriechgetier den Prediger erreicht.
  • Foto: Markus A. Langer
  • hochgeladen von Der SONNTAG Redaktion

Ein Meisterwerk der spätgotischen Plastik ist die Kanzel mitten im Stephansdom. Am Treppenlauf verdeutlichen kämpfende Kröten und Eidechsen den ewigen Kampf alles Menschlichen zwischen Gut und Böse. „Am oberen Ende des Laufes sitzt ein steinernes Hündchen, das aufpasst, dass kein Kriechgetier den Prediger erreicht“, sagt der Dombaumeister. „Jedes Tier steht für ein böses Wort, daran wird der Prediger, der zur Predigt hinaufgeht, erinnert.“

Autor:

Markus Albert Langer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ